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uer Nr. 2S4 d«»d.I»v«r» Die Vrlentfrage unä Deulschlanä Lite Ausmerksamkeft des politischen Deutschland, di« in den letzten Wochen verständlicherweise auf die Ber liner Konferenzen konzentriert war, wird sich in den« nächsten Lagen und Wochen trotz der überwiegenden Bedeutung, di« di« Fragen der Markstabtlisierung und der Reparation für uns haben, notwendigerweise in stärkerem Matz« ftuch wieder der Orientfrage zuwenden müssen. Der Gegensatz zwischen Frankreich auf der einen, England und Italien auf der anderen Sette, be steht hinsichtlich der Lösungsmöglichkeiten für die Orient- krisis unvermindert fort, und man fühlt sich in Lon don und Rom neuerdings wieder lebhaft beunruhigt durch die Art, wie die französische Politik sich zu dem ganzen Komplex der orientalischen Fragen stellt. Dia Notwendigkeit eines Ausgleichs der Anschauungen und Absichten wird immer dringlicher, je näher der Zeit punkt der beabsichtigten Orientkonferenz in Lausanne heranrückt, und nach der englischen Auflösung darf Pies« Konferenz nicht eröffnet werden, ehe nicht durch eine Vorbesprechung zwischen den beteiligten Regierungen von Paris, London und Rom die völlige Ueberetnstim- mung in der zu vertretenden Politik erzielt ist. Lev englische Wunsch geht so weit, ein« Einmütigkeit der Auffassungen zu erstreben, die in Lausanne den Ver treter einer der Westmächte befähigen würde, zugleich auch im Namen der anderen zu sprechen. Was uns in Deutschland an diesen Bestrebungen besonders angeht, sind nicht ihre offenkundigen Schwierigkeiten, sondern ist das nicht minder offenkundige französische Streben, ein Geschäft aus den französischen Orientwünschen in der Richrung zu machen, daß man sich um! den Preis einer freien Hand gegenüber Deutsch land zu Konzessionen bereit erklärt. Dies« Absicht, die bereits aus der Kammerrede PoincafreS, wenn auch in vorsichtigen Worten, hörbar wurde, schallt neuerdings sehr deutlich, aus einem* beträchtlichen Teil der französischen Presse.zu uns herüber, und wir dü» fen Uns nicht über die Gefahr im Unklaren bleiben, die au» dieser Richtung den Reparation», und Stabilisier rungsvethandlungen droht. Die Rede Bvnar Läw» deutet allerdings an, daß die englische Politik di« Si cherung der europäischen Ruhe gl» ihr« wesentlichste Aufgabe betrachten will, rcher die englischen Interessen im Orient sind so außerordentlich gewichtig .und auf der anderen Seite ist da- Bild der neuen politischen Kon stellation in England noch so wenig geklärt, datz alhzm große Hoffnungen hier nicht am Platze erscheinen. Hilflosigkeit Ser verbünSeten in Konstantinopel. In einem Telegramm Harrington-, da- im Lon doner. Winisterrat eingehend besprochen wurde, teilt der General besonders mit, datz die türkische Polizei und Gendarmerie dem beherrschenden Einfluß der Vertreter der Verbündeten immer mehr entgleiten und datz e» diesen daher unmöglich sei, den von astatischer Seit«, nach Konstantinopel strömenden Zuzug zu verhindern. , Sie können die Element«, di« in die Stadt kommen, nicht mehr in Schach halten und machen darauf auf. merksam, daß deren Zähl täglich zunimmt, sodaß sie in absehbarer Zett für die alliierten Behörden, in Kon stantinopel außerordentlich gefährlich werden können. Brockäorffs Nußlanäpolitik. In einer Unterredung mit dem Vertreter der Rus« fischen Telegraphen«Agentur äußerte der neue deutsch« Botschafter in Moskau Gras Brockdorfs-Rantzau seine große Befriedigung über den ihm von Kalinin und! Tschitscherin bereiteten Empfang. Tie jetzigen Leiter de» Staatswesen- Sowjetrutzlqnd» seien gerade die Leut«, deren Rußland am meisten bedürfe. Seine Mission bestehe in der Schaffung einer Atmo sphäre größten Vertrauens und grüßt« Herzlichkeit zwi schen den beiden Völkern. Aus seinen Begegnungen mit den Vertretern der Sowjetmacht, au» seinen Eindrücken von der Feier de- Gedenktage» der Oktoberrevolution, Armee habe er die Ueberyeugung gewonnen, daß di« Sowjetmacht unerschütterlich sei, und datz dem russischen Volke ein« große historische Zukunft bevov» , stehe. Deutschland s«i gegenwärtig geschwächt und könnt* Rußland kein« materiell« Hilf« leisten. /Er werde aber alle Maßnahmen ergreifen, um die tech nische Hilfe zu verstärken und da- wirtschaftlich« Band zwischen den beiden Staaten zu befestigen. Der in Vor bereitung befindliche deutsch-rus trag werde den gegenseitigen 1 Bütt« fest« Umriss« geü» und < dindung «wsthwrn. lernten und ungelernten Arbeitern, Förderung de» Soztällohne» urü«r Schaffung von Aus gleich-käs sen für soziale Zulagen bei verheira teten Arbeitnehmern, Anwendung de» Sozial lohne- auch auf da» BeamtenverhältntS. b) Intensivierung der Arbeit und Zulassung der freien Vereinbarung über Verlängerung der Arbeitszeit gemäß den Erfordernissen der Wirtschaft bei der bevorstehenden gesetzlichen Festlegung de- Achtstundentag«-» Aufhebung der Bestimmungen über Betriebsstillegung und Ar beitsstreckung. e) Umwandlung der ErWerbSlosenunterstützung in eine Arbeitslosenversicherung. d) Zielbewußter Abbau jeder Zwangswirt schaft, insbesondere auch, huf dem Gebiet der Getreidebewirtschaftung im Anland« und der Mietebewtrtschäftung. e) Unterlassung jede» Eingriffs in die Privatwirtschaft auf dem Wege der Not verordnung. 2. Staatlich« und priMwirtsHaflliche Ersparnis« maßnahmen. * . a) Einschränkung de* Luxuseinfuhr, soweit nicht die deutsche Ausfuhr dabei Scha den leidet. b) Beseitigung des Leerlaufs im Arbeitsprozeß. e) Berminderüpg der Beamtenschaft in Reich, Ländern und Gemeinden. Erziehung der Beamten Ku Höchstleistungen, Einrichtung der Personal- Und GchaltSpvlitik nach diesen Ge- sichtspunkten? Zusammenlegung von Ministerien. d) Durchgreifende Reform der ReichSeisen- vahn- und Postverwaltung.» «) Vereinfachung des Parlamentsbe triebes (Einschränkung der Gesetzgebung). 3. Erleichterung der Ausfuhr durch Abbau der AUSlandskontrvlle und der AuSfuhrabgäbe. 4. Gteuerpvlitisch« Maßnahmen: a) Anpassung der Steuereinnahmen des Reiches an die Geldentwertung durch Schaffung auto matischer Steuertarife bei Veranlagung Md Zahlung der direkten Steuern^ und restlose Durchführung des PrazenlerhebungSshstemS bei den Verkehrs« und Verbrauchssteuern. b) Vereinheitlichung des Steuersystems durch Der» einsachung der Steuergesetzgebung Md AWbau der Versteuerung an der Quelle, Klärung der Beziehungen zwischen Reich, Ländern und Ge meinden, Vereinfachung des Steuerrechts, schärf ste Verfolgung von Steuerhinterziehungen. 5. Ordnung des Kapitalverkehrs durch a) Aushebung des TepotzwangeS, » b) WiedereinfüAung de- Bankgeheimnisses, e) Aenderung oder Aufhebung per Bestimmungen über mündelsichere Papiere? 8. Entwicklung der freien Wirtschaft nach deren in neren Gesetzen unter Freigabe der für die Erhaltung der Wirtschaft notwendigen Preisbildung aber unter Ab wehr von Wucher und unter Vorsorge, datz nicht im Verbands- und Kartellwesen eine unbillige Wusbeu* tung pyn.Verarbeitern und Verbrauchern stattfindet. Ein demokratisches Wirtfchaftsprogramm. Div Deutsche Demokratische Reich-tag-fraktion stimm te folgendem Programm übe« MarkstäbiUsterung, Re paration und innerpolittsche WWschgftveformen hur I. Finanz- und «ährungepolitlsche Maßnahmen. 1. Die Anpassung der Verpflichtungen au» dem Versailler Diktat an die deutsche Leistul^-sähigkeit und die Ueberwindung de- zstrzett bestehenden Passivsaldos der jährlichen deutschen WirtschastSvilanz durch welt wirtschaftliche Kredite und gesteigerte Produktion sind die unerläßlichen Voraussetzungen einer dauernden, natürlichen Stabilisierung de« deutschen Währung. 2. Läßt die weltpolitische Und weltwirtschaftlich« NachkrieMituatton eine endgültige Regelung der vor- stehend genannten Voraussetzungen tzn gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht zu, so Muß der. Versuch gemacht werden, im Rahmen eins» Provisorium- di« Voraus setzungen Kr das mÄ allen Kräften zu erstrebende Le- finitivum Ku schaffen. Tie Bedingungen dss Provi sorium- bestehen in , a) außenpolitisch r Vereinbarung eine» langen Mo ratorium» für all« Barzahlungen und Sach leistungen; , > d) innenpolitisch: , ——. 1. MarkstabisNfierUng durch Einleitung einer Stützungsaktion Mr die Mark auf der Grundlage ausreichender Stabiltsierungskcedi- te unter Mitwirkung der! RetchSbank. . S. Sicherung ausreichenden Produk tiv nSkapit als durch internationale ProduktionSkredite. Beispiel? deutsch-holländischer Kredit. 8. Abbau ä^ler Maßnahmen, die den Nutzeffekt der deutschen volkswirtschaftlichen Arbeit beeinträchtigen, die Nutzbarma chung der vorhandenen technisch-wirtschaftli chen Produktionsvoraussetzungen behindern. 3. Sicherung der Balancierung de» deutschen Reichshaushalts. 8. Eine Durchführung einer künstlichen Markstabi lisierung ohne Schaffung der erwähnten außenpoliti schen Voraussetzungen ist unmöglich. Der Versuch Von Teilmaßnahmen ist nutzlos. Md schädlich. 4. Die Durchführung he« unter Ziffer 2 genann ten Maßnahmen stellt an Kapital und Arbeit außer ordentliche Anforderungen. Mit Fortdauer unverschul deter Notstände muß leider auch fernerhin berechnet werden. Aufgabe des Staates muß es sein, dies« Not lage durch alle geeigneten Maßnahmen, insbesondere eiNe warmherzige Wohlfahrtspflege, möglichst zu er-i leichtern. ' ö. Die Regierung muß, nm außen- und innenpoli tisch nicht den Boden zu verlieren, ein allgemeine» JinanKprogramm chrfftellen, da» sich insbesondere auf. die Frage r a) der Lasten ans dem Diktat von Ver sailles, b) der Balancierung deck Haushalts, e) der Steigerung der Produktion Md damit der Stabilisierung der Währung einstellt. Tie Zeit biÄ zur Brüsseler Konferenz muß mit allem Nachdruck für die Aufstellung eine» solchen Programms ausgenutzt werden. ! 6. Vorbedingung Mr die Gesundung der Staat», ftnanzen und eine Stabilisierung der Mark ist »in« gesunde Oekonomi« in den einzelnen landwirt schaftlichen, industriellen und Handelsbetrieben. Tip« ist aber nur dann möglich, wenn den Betrieben Zahlungs mittel zur Verfügung stehen, die einen festen Wert be sitzen. Daher müssen ausländische Zahlungs mittel in Volkswirtschaftlich, ausreichendem Umfange zugelasseU werden. 7. Für die nächst« Zeit braucht da» deutsch« Volk eine sehr erheblich« äußere Auschutzanlethe, schon für dis Beschaffung der dringend nötigen Lebensmittel, ohne solch« Hilfe kommt di«"- deutsch« Wirtschaft und damit die Staatsgewalt im kommenden Winter in di» schwerst« Bedrängnis. S! Verhandlungen mit allen europäischen Staaten zweck» Durchführung gemeinsamer.Maßnahmen gegen die Kapitalflucht sind anzustrevenr II. Vie innerpolltischm «ietschastlichen Maßnah»««, ohne d«r«n Durchführung «in« nachhaltig« Befestigung der Mark nicht zu erreichen ist, und für die all« Kräfte de» deutschen Volke» anzuspannen find, müssen sich vor allem der Lösung nachstehend« Fragen zuwenden? 1. Stetgerüntz deck Rutzeftzekt» da» wirt- schnftLichrn «»halt dmch a) WcheitßantlvhMng «ach d« AeöeiMeistung, VWn» Dyftwwßamm dB LohnB ftvischen a- MWtt Änreiaer fiii> (kr;aebirae «GWH La-«tlat» Etzlhflltknö öl» amtliche« Srkanntmachangen öS» aalt» Ser chtaöt unö öS» Hm1»F»rlchtO flua- ftmt kelp-i» n». 1««« Montag» den 13. November 1922 17. Jahrgang Sarthou über öas Ergebnis Ser Serlknrr Nrlfr -er NeparatlonskommWo«. Barthou Hat vor feiner Abreise au» Berlin dem Vertreter der HavaSagentur di» folgende Erklärung über geben : Tie Reife der Kommission nach Berlin war eine Notwendigkeit. Tie Kommission hat den größten Teil Hre» Programms ausgeführt? denn sie wollte nicht die Frage an Ort und Stell« lösen, sondern Dokumente sammeln und di« Lösung vorbereiten. Wir haben hi« manche» erfahren, wat» wir sonst nicht erfahren hab«« würden. Aber unseren Bemühungen ist es nicht ge lungen, die Vorschlag« zu erhalten, di» wir mit Recht erwarten konntvn. In Deutschland ist die Wucht dv». vrr der Verantwortlichkeit nicht minder groß wie di» Ka- den Vollsdenwnstrattonen und der Parade der Roten pitalsmcht. Die Note der deutschen Regierung Mer di« Ttabilisterunp der Mark erinnert nicht entfernt am den präzisen Plan, der uns versprochen war, Die Noten sind Anregungen, aber keine Lösungen. Ich will den» Entscheidungen der Kommission nicht vvrgretftn. MH weiß, daß ein Gläubiger seinen Schuldner nicht zugrunde richten darf? ich, Weitz aber auch, daß ein Gläubiger sich nicht zugunsten seines Schuld»«» ruinie ren kann. Frankreich hat nicht so viel Opfer gebracht und soviel Vorschüsse geleistet, um zu erkenn««, daß dw nötigen Garantien ihm letzt verweigert und ent- zog»« »erden tzklen. Niemand kann erwarten, daß un serSand die Mäßigung bi» zu» Abdankung treivb.