Volltext Seite (XML)
Anzeiger für -as Erzgebirge 17. Jahrgang Nr. 23S Mittwoch, cken 11. Oktober 1S22 W >' W W W W UM ' ,'Ä> liW tote, datz .ich mir das noch! sehr Aberlegen würde. Prä- ! sjdentr Was sagte Güncher zu Ihnen nach der Lat? ZeUge: Die Täter werden wohl schon längst Über all« Berge sein.' Beisitzer Hartmann stellt fest, datz Stu- l benrauch schon vor drei Zähren in den Bund der Auf« ! rechten etntrat. Tiefe Organisation nahm also schon lüjährige Jungen aus. 'Hartmann sagtr „Das gefügt i mir!" Reichskanzler a. D. FetzrenbachrJst da» Ur» l Eins mutz gesagt werden r bricht Deutschland infolge der Neparattonsforderungen zusammen, so entstehe» daraus wiederum nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Folgen, und diese Folgen beschränken sich nicht auf Pas Gebiet des Reiches. Infolge deS Versailler Friedens leben im Reich nur etwa drei Fünftel aller Deutschen, der'Rest ist auf andere Staaten verteilt. Ein großer Teil auch der letzteren käme in Bewegung, wenn das Deutsche Reich zerschlagen würde oder zerfiele. Wenn der deutschen Nation das Lebensrecht staatlicher Eigengestaltung völlig geraubt werden sollte, würde der nationale Einheitsdrang, der die Welt beherrscht, überall, wo Deutsche wohnen, zum mindesten überall da, wo sie nicht kraft eigener Entschliessung und in voller Gleichberechtigung einem anderen Staate angehörcn, die nationale Empfindung zur aktiven Leidenschaft aufpeit schen. Ein neuer Einigungsprvzeß würde anheben und die Ruhe nicht nur in Deutschland, sondern in der Welt auf lange Zeit hinaus stören. Daß er in dem nach dem Versailler Friedensvertrag noch mehr als vorher von Waffen starrendem Europa ganz friedlich nnd güt lich ausgetragen werden könnte, ist kaum zu erwarten. Moräprozeß Rathenau. Gestern, am sechsten Verhandlungstage des Nathe- uaumordprozesses, kamen die ersten Tatze uzen zu Wort^ die mir schlichten Worten noch einmal das Drama in der Königsallee erstehen lassen- Die Krankenschwester Helene Kaiser, die sofort nach der Tat in Rathe- naus Auto sprang, sah als Letzte in. sein sterbendes, aber weit offenes Auge. Nathenaus Chauffeur, schwer fällig, des Wortes unmächtig, erzählt mit gequälter Stimme, wie er sich an dem Unglückstag« ebenso ver spätete wie die Mörder. So -wurde die Tat möglich. Dann kommt der Steglitzer Gymnasiast Heinz St u ben rauch, Generalssohn, Mitglied des B. d. A., ein Buch mit den beiden Testamenten Friedrichs des.Gro ßen in der Tasche. Sein Aussehen ist beängstigend. Der Achtzehnjährige zeigt eine vorzeitige Ueberalterung,' beinahe eine Senilität in Gestalt, Bewegung und Ge-! sichtsausdruck. Geistig zeigt er sich dafür in seinen Aus sagen von einer kaum zwölfjährigen Puerilität. Ein zelne Szenen erzählt er wie ein kleiner Schuljunge. „Günther wollte, ich sollte mit nach dem Steglitzer Rats keller kommen, ich sagte: „Nö, ich kann mich, ich muß heim, ich.darf nich, ich bin überhaupt mir dir schuß.." Im übrigen ist er natürlich von der Schädlichkeit Ra- thenauS und der Verwerflichkeit seiner Politik überzeugt und beansprucht sehr nachdrücklich für sich das Recht einer solchen Ueberzeugung. Selber will er natürlich nichts mit der Tat zu tun haben und lädt möglichst viel von seinem Plan auf Günther ab, der immer Mehr von allen zum Sündenbock gemacht wird. Stubenrauch bleibt schließlich unvereidigt, weil der Verdacht seiner Teilnahme an dem Verbrechen fortbesteht. Dann kommt ein typischer Kriminalist, Seine- me her, ein lebhafter, sehr intelligenter, richtig detek tivisch denkender Mann. Er belastet die Angeklagten Schütt und Diestel, die Garagenbesitzer. Diese Belastung wird noch verstärkt durch hie Aussage der Frau Büc ke l. Me Frau eines Versicherungsbeamten, die bei Schütt und Diestel mietefrei wohnte, von Diestel zur Verbrennung der von den Attentätern in der Garage zurückgelassenen Mutokappen hinzugerufen wurde und so von der Angelegenheit erfuhr. Sie hat die erste Anzeige gemacht, Um sich auf Kosten ihrer .Wohltäter eins Mil lion zu verdienen. Heute sagte sie noch!, Diestel habe Freitag ein Auto mit zwei Ehrhardtleuten aus .Schwei- rin erwartet. ' > ' > . Aus Seinemehers Aussagen erfuhr man auch, daß Diestel den Namen des Besitzers des Mörderautos, Kü chenmeister, kannte und nannte. Tas verschiebt die Sach lage zuungunsten der Garagenbesitzer. Allerdings scheint Frau Bürkel eine unsichere Zeugin zu fein und wird vom Vorsitzenden einmal zur Wahrheit vermahnt. Danach Macht sie auch! einige Schütt und Diestel ent lastende Aussagen. Augenscheinlich ist,sie nervös und durch die Gerichtsluft verängstigt und verwirrt. Ter Höhepunkt der gestrigen Sitzung war um M i gleich medtaS in res. Beide machten mich lächerlich, Uhr, als der Chef der Landespolizei von Mecklenburg,! und sagten, ich sei noch zu jung. Weiler sagten ft«, Regierungsrat Wiggers, den aufgefundenen Koffer auf! ich käme für kleinere Aufgaben ist Frage. Ich .antwor- K Deutschlanä unä äas Reparatwnsproblern. Nachdem Nelchsminister a. D. Schiffer im ersten Teile seines Aussatzes in der Sondernummer des „Manchester Guardian" die Stellung Frankreichs zum ReparutiouSprvbiem dargelegt hat, wendet er sich im ! zweiten Teil der Stellung Englands und Amerikas zu. > , Die Schristleitung, England hat sich Frankreich in den Weg geworfen^ nicht um Deutschland, sondern nm seiner selbst willen. - Es ist wirtschaftlich daran interessiert, daß Deutschland nicht zugrunde geht. Aber noch größer ist sein poli tisches Interesse. Bei Beginn des Weltkrieges äußerte ein englischer Staatsmann, daß es für Deutschland bes ser sei, wenn England am Kriege selbst aktiv teilnehme, als wenn es draußen bliebe, weil es leichter zu gegebe ner Zeit zu seinen. Gunsten eintreten könnte. England hat diesen Zeitpunkt verpaßt. Es hat nicht so recht zeitig Halt gerufen, daß Rußland und Deutschland kräftig genug geblieben wären, um Frankreich §in Ge gengewicht zu bieten. Daher Englands Werben um Rußland; daher Englands Eintreten für Deutschland. Bleiben Deutschland und Rußland dauernd ausgeschal tet, so ist Frankreich auf dem Kontinent allmächtig, Eng land herausgedrückt und in schwieriger Lage gegenüber Amerika und Japan. Aber ob England willens oder auch nur imstande ist, seinen Widerspruch gegenüber Frankreich bis zum letzten durchzusetzen, erscheint zum Windesten recht zweifelhaft. Will oder kann es das nichr tun, so könnte sein Eintreten für Tieutschland eher schädlich als nützlich wirken; denn -dann wird Deutsch land in den englisch-französischen Interessengegensatz hineingezogen und Frankreich nur zu geneigt sein, auch da-D was es allenfalls! vielleicht Deutschland allein be willigt hätte, ihm zu versagen, wenn, es dadurch Eng lands Position kräftigen würde. Frankreich ist jetzt sehr stark. Es nimmt gleichzeitig Revanche für Sadowa, Se dan und für Faschoda. Nicht bloß politisch und mili tärisch, sondern auch moralisch, macht es gegen England Front. Es weist daraus hin, daß England sein Schäf chen ins Trockene gebracht habe: Deutschlands Flotte liege auf dem Meeresgründe, Deutschlands Kolonien seien ihm genommen- Deutschlands .ausländische Han delsniederlassungen ausgelöscht, seine Guthaben be schlagnahmt; und jetzt wolle dieses saturierte England das zerstörte Frankreich hindern- zu dem Seinigen zu kommen? Fühlt England sich bedroht, so glaubt Frank reich sich betrogen. Für Deutschland aber-sprang aus diesem Konflikt bisher noch nichts heraus. Aber Amerika kann und soll helfen! Ob es befähigt wäre, Frankreich- wenn es zum äußersten käme, in den Arm zu fallen, mag dahingestellt bleiben. Sein wirt schaftlicher und finanzieller Einfluß auch auf Frank reich ist aber in der Tat sehr grüß. Indessen, hat! es keinen zwingenden Anlaß und zeigt wenig Lust, ihn zu gebrauchen; und seine Neigung wird nicht dadurch grö ßer, daß es von allen Seiten bestürmt wird, sich, in die europäischen Verhältnisse einzumischen und diese .Ein mischung mit der Streichung seiner Forderungen zst be ginnen. Wenn der Amerikaner, wie man immer sagt, bei aller Sentimentalität zunächst Geschäftsmann ist, so ist das Verfahren, das in Europa angewandt wird, si cherlich nicht sehr geeignet, das ihm angesonnene Ge schäft schmackhaft zu machen. Mögen auch! große ame rikanische Bankletter ganz, gern bereit sein, ihre über flüssigen Gelder in Europa anzulegen — .die Masse ihrer Einleger ist anderer Meinung und von ihnen Hängt letz ten Endes die Bankpolitik in Amerika ab!. Daß Rußland dem Zusammenbruch Testtschlands un tätig zusehen würde, kann man füglich! bezweifeln. Doch, die Art, in der es auf ihn reagieren könnte, würde Mr Deutschland kaum eine Verbesserung seiner Lage bedeu ten. Es könnte dann noch! zum Kampfplatz zwischen Ost Und West werden und damit das Bests verlieren, was ihm übrig geblieben ist. Die politische Seite des Reparationsproblem» bie tet demnach! für Deutschland sehr wenig tröstliche Aus sichten. Streben und Hoffnung müssen darauf gerich tet bleiben, die wirtschaftliche und finanzielle Sette auf Kosten der politischen ist den Vordergrund zu schieben. Aber es ist keine Zeit zu verlieren. Nicht bloß die wirt schaftliche und finanzielle, auch! die innerpolitische Lage wird immer schwieriger, die Stellung her Regierung immer gefährdeter, der Zustand der inneren Krisen im mer chronischer. Ter Weg ins Frei« würde gewiß schnel ler und leichter gefunden und beschritten werden können, wenn die Schuldenfrage zwischen den Alliierten selbst durch wechselseitige Verzichte geklärt würde. Tas könnte um so leichter geschehen, al» in Wahrheit doch kein Mensch daran denkt, daß diese Schulden jemals wirklich bezahlt werden. ES handelt sich mehr, um eine Frage des Prestiges, de» Vertrauen» und de- Entschlüsse» al ber geschäftlichen Kalkulation. Fischer gehört habe. Es sei aber nicht der Koffer, den sie bei Jlsemanu zurückgelässen haben. Dies sei di« zweite, neuere Handtasche, die nur Kleider und Wäscht enthielt. Wo dieser zweite Koffer bis heute geblieben ist. darüber wird die Aufklärung verweigert. Gberfrkun-aner Stubenrauch. Ter Vernehmung des Zeugen Stubenrauch sah man mit besonderer Spannung entgegen. Wir halten es auch für angebracht, über diese Vernehmung des Jüng lings genauer zu berichten. Er ist Obersekundaner am Steglitzer Realgymnasium und von Anfang an „Geg ner der Erfüllungspolitik". Achtzehn Jahre alt, wirkt er seit drei Jahren mit im Bund der Aufrechten und stsht auch so da. Tier Vater ist General, und so heißt der Sohn natürlich Heinz. Aus die verwundert« Frage eines Beisitzers, wie denn ein löjähriger Stift bereits eingeschriebenes Mitglied eines Verein» sein könne, antwortet der jederzeit liebenswürdige Verteidi ger Dr. Bloch, datz in nativnalen Klubs die Eltern ihre Babys als Mitglieder mitzunehmen pflegen. Heinz Stubenrauch steht zu seiner Meinung. .Er haßt die Ju den, und da Rathenau ein Jude ist, mutz Lr vernichtet werden. Er ist so empört, daß er den Kerl sofort er schießen würde. Wenn er nur einen Revolver hätte! Doch eben wo Revolver fehlen,, stellt die Organisa tion C zur rechten Zeit sich ein. Aus München kom men zwei Abgesandte der Organisation di« den Sieb zehnjährigen prüfen, ihn aber trotz seines inständigen Flehens, ihm doch zur Ausführung seiner Absichten behilflich zu sein, nur zu „vorläufig einer kleineren Sache" für geeignet halten. „Tas werde ich.mir aber sehr überlegen!" stampft der Kleine, der gern eist gro ßer Verbrecher sein möchte. Di« Vernehmung. Präsident: Gehören Sie dem Bund der Auf rechte» an? Zeuger Ja, er umsaßt alle., die noch -en " alten deutschen Geist hochhalten. Auch will er die Er innerung an die Kaiser pflegen. Präsident: Wur den in dem Bund antisemitische, Tischreden gehalten? Zeuge: Nein. Präsident: Haben Sie Rathenau für einen Schädling gehalten? Zeuger Ja, nach mei ner Lektüre der Testamente Friedrichs, des Großen. Ich habe die Testamente hier. Sollen -sie verlesen wer den? Auch Friedrich der Groß« Welt die Juden für Schädlinge. Gegen einzelne. Juden bin ich nicht, mir gegen Juden in der Regierung. Prä s.id ent: Haben Sie zu Günther gesagt, Rathenau müßte ermordet wer den? Zeuger Nein, ich habe nur gesagt, er müßt« beseitigt werden. Tas äußerste wäre der Mord; dagegen sprächen aber politische Motive. Meine Aeußerung, Rathenau müßte im Reichstag erschossen werden, war nur eine Redensart nach dem! Napollovertrag. Ein Plan war das nicht! Präsident: War auch die Red« davons Rathenau im Hause des KoRmerzienratS Mamm- roth zu erschießen? Zeuge: Das war die Gegenan sicht Günthers. Präsident: Wollten Sie sich nicht nur in den Besitz eines Revolvers setzen? Zeuger Ten brauchte ich für meine Radtouren in die Umgebung Berlins. P r ä s i d ent: Was sagte Ihnen Günther über die Ziele der Organisation C? Zeuge: In erster Li nie sei das Ziel der Organisation C die Verteidigung Oberschlesiens. Tann auch die Beseitigung von Regie rungsmitgliedern, die sich ihre» Amtes als unwürdig erwiesen.haben. Tie betreffenden Mitglieder der Or ganisation C würden ausgelost. Zuerst mußten sie ein« zweijährige Probezeit ablegen, in der sie Schwarz« im besetzten Gebiet beseitigen sollten. Günther sagte, ich sollte an die Organisation C schreiben^ er kenne di« Herren und ich würde vielleicht einen Revolver erhalten. Vor den Pftngstferien habe ich mit Günther gebrochen, da ich ihn für verlogen hielt. Präsident: Hat Gün ther später Ihnen gesagt, es wären zwei Mitglieder der Organisation C aus München da, die von Ihrem Plan hören wollten? Zeuge: Jawohl, ich lernte durch Günther Kern und Fischer kennen. Ter eine von den beiden Herren riet mir von dem Plan ab. Mr ging «inen Stuhl stellt und erzählt, daß er ihn in Rostock in der Gepäckablage beschlagnahmt habe. Tie vorge rufenen Angeklagten Jlsemann und Techow und der Zeuge Bado erklären, daß dies ein falscher Koffer sei. Die „Sensation des verwechselten Koffers" fand bald ihr« Aufklärung. Nachdem der richtige Koffer zur Stelle ge- - schafft ist, wird zunächst der angeblich! falsche Koffer ge-, öffnet. Sein Inhalt gehört unverkennbar Kern und Ft- , , scher, deren Namen auf verschiedenen Gegenständen ein- ' teil über den Napollovertrag in Ihrem Kopf gewachsen? geschrieben sind. Ter Rechtsanwalt Jlsemanns erklärt Zeuge: Ja. ES entspricht meinen Jahren l Reich* nun. er bestreite gar nicht, daß auch der zweite Koffer, kanzler a. D. Iehrend ach: Obgleich, bekannt ist, da tier von der Polizei herbeigeschafft worden sei, Kern und Sie auch einen Mordplan hätten, smd Sie unbehelligt /luer Tageblatt -»«sprich-stnschiuß N». -r, . ßtzUss.« «mm.» «agrdlatt siu.rr,Enthalten- -t, amtllchra oekaantmachnagrn -,» Rate« -tt Stabt NN- -r» -lmtsgrrlcht» /in«. p»psch,ck.«.nte, Nm, Lripzig n». IS««