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Nr. 240 Freitag, äen iS. Oktober 1S22 N. Jahrgang L-LLS Änreiatt für öas Erraebirae SM« ,-»nftiech.finfchM- »,.»,. ^ ß»u»5'4 —l»"»«-»« »'»'N. ,.I.„amm„ Lag,»litt fiu»n,»,»I,«e. Estthült»«- -I» amtliche -«ka»»tmachu»g»a -s» KatDO -tt Gta-1 uaä -»» ftmt»g«i»lchtG /k«g. P.M»S.«,NW, ftmt Leipzig«,.,»«, Die Mechanik äer Arbeit. W.«. Zn immer wetteren Kreisen auch der Arbeit» rhmerschaft dringt die Erkenntnis durch, daß aus der wirtschaftlichen Not unserer Lage un» allein hie Ver mehrung der Produktion tu retten vermag.^ Zwischen Erzeugung und verbrauch klafft ein« wette Spann«. Sie muß unter allen Umstünden überbrückt werden, wenn wir nicht ganz in den drohenden Abgrund versinken sollen. Wie ist dies möglich? .TuS nächstliegende und auch von allen einsichtigen Volkswirten und -Führern immer wieder betonte Mittel heißt: Mehrarbeit. Las Geheimnis des neuzeitlichen Wirtschaftslebens tst das des in sich unlöslich geschlossenen KettenrtngeS. Alle Glieder sind ineinander verflochten, gehen inein-, ander über. Fällt ein Glied heraus, so zerfällt das ganze Gebilde. Werden mehr Kohlen gefördert, so rauchen die Essen der Werke, glühen die Hochöfen und surren die Räder. Mehrarbeit der einen Arbeiter schicht gibt mehr Arbeit für alle anderen Gruppen. Mehrarbeit wirkt sich aus in der Erhöhung unserer Erzeugung, schafft Ausfuhrprodutte und bringt neue Rohstoffe und Geldwerte ins Land. Steigende Produk tion läßt, aber auch mittelbar die Preise für alle Zur Lebenshaltung notwendigen Gegenstände und Erzeug nisse sinken. Eines ist ohne das andere nicht zu denken. Von außen kommt un» keine Hilfe. Noch «ine zweite nicht minder naheliegende Möglichkeit, die Pro duktion zu steigern, gibt es: sie liegt in der Mechanik der Arbeit selbst begründet. Mit allen Mrtteln muß ver sucht werden, die Wirtschaft sparsamer, die Arbeit in tensiver zu gestalten. Drei Hauptwege zur Erreichung dieses Zieles stehen offen. Sie heißen: Speziali sierung, Normalisierung und Typisierung. Zum Teil sind sie bereits mit Erfolg beschritten, zum Teil müssen sie noch beschritten werden, wenn wir den Forderungen der Zeit Rechnung tragen wollen. So lange alles in Hülle und Mille vorhanden war, mochte beispielsweise die zeitraubende und kostspielige Einzel herstellung von Maschinen und Maschinenteilen angän gig gewesen sein. Heute kann uns nur sparsamste Her- stellungsweise und kürzeste Arbeitszeit am Einzelgegen- stand konkurrenzfähig erhalten. Die Spezialisierung, die in ihrer Zdealverwirklichung zu Produktionsgemein- schasten verschiedener Fabriken führt, ermöglicht erheb liche Steigerung der Erzeugungsquote und Verbilli gung der erzeugten Waren. Neben der Spezialisierung kommen zur Erreichung der Produkttonssteigerung, also vor allem der Massenfabrikation, die Normalisierung und Typisierung in Frage. Normalisierung ist die Ver einheitlichung der AusfÄhrungSfvrmen. . Man , denke hier an den uns besonders bekannten normalisierten Ge brauchsgegenstand: die elektrische Glühbirne. An ihrem Beispiel zeigen sich deutlich die Vorteile der Norma lisierung. ES wäre erfreulich, wenn unsere Industrie bereits auf allen Gebieten derart normalisiert wäre. Ter nach dem Kriege z!u diesem Zwecke gegründete Nor menausschuß, in dem erste Firmen, Vertreter der Be hörden, Fach«lehrte und Praktiker zusammenarbeiten, dehnt seine'Arbeiten auf immer weitere Gebiete aus. Tie Normalisierung gewisser PrvduktionSgegenstände zieht aber automatisch die Ausbildung verschiedener Größen desselben Gegenstandes, d. h. Typen, nach sich. So wird auch die Typisierung sich weiter verbreiten und die Mechanik des Produktionsprozesses immer ein facher gestalten. v Mordprozeß Nathenau. Ernst Werner Techow« Ehrenwort von Kern durch Bedrohung erzwungen? Die Angeklagten sind nach dem gestrigen Strafan trag des Oberreichsanwalts sichtlich deprimiert. Ver ächtlich und unstet irren ihre Augen durch den Saal. Schnell werden noch einige Worte mit den Verteidigern gewechselt, letzte Verhaltungsmaßregeln gegeben. Vor Beginn der Plädoyers macht der Präsident den Angeklagten Ernst Werner Techow darauf aufmerksam, daß seine strafbare Handlung nicht al- Mittäterschaift, sondern möglicherweise als bloße Beihilfe betrachtet wer den kann. Sodann richtet der Präsident an Ernst Wer ner Techow noch eine Frage r Präsident: Warum haben Sie Ahr Ehrenwort zur Teilnahme am Mord gegeben, trotzdem Sie von Kerns Gründen nicht überzeugt waren? Angeklagte«: Die Sache ging so schnell. Er streckte mir die Hand hin, so daß ich einschlagen mußte, ob ich,wollte oder nicht. Präsident: Begründen Sie da» nähe«. Angeklagter: Ich möchte nicht sagen, warum ich nicht einschlagen wollt« s dcks könnte auf Kern ein schlechte» Vicht werfe«. lk' Präsjidsnit Wie werde« sich poch nicht für einen Toten opfern. Denken Sie daran, wa» auf dem Spiel stützt. , Angeklagter: Ich habe früher eine Aussage ge macht, die den Tatsachen nicht entspricht. .Kern hätte mich ntedergeschossen. SS ging um mein Leben. (De chow weint bei diesen Worten.) Präsident: Ist das wirklich die reine Wahrheit? — Angeklagter (schluchzend): Jawohl. — Präsi dent: Beruht Ihre Annahme auf Tatsachen? — An geklagter: DaS Möchte ich nicht sagen. — Präsi dent: Denken Sie an Ihre Familie, an Ihr Leben — nicht an den Mörder Kern. Angeklagter (stockend): Kern sagte: Wenn du dich weigerst, werde ich, dich niederschießen! Oberreichsanwalt: Wer war dabei? — Ange klagter: Fischer 'und Ziern. ! Vie pläSopers Ser Verteidiger. Tr. Feld, der den Angeklagten Voß vertritt, hat eine leichte Aufgabe, denn der Oberxeichsanwalt selbst hat Freisprechung beantragt. In wenigen Sätzen stellt Dr. Feld nochmals die Rolle seines Klienten bei der Mordtat klar Und beantragt ebenfalls Freisprechung. Rechtsanwalt Tr. Hahn ergreift danach das Wort zu seiner Verteidigungsrede für Ernst Werner Techow. Tie Knebelung Deutschlands durch die Feinde sei schuld an der auslandfeindlichen Atmosphäre und zugleich un dem Haß gegen alles, was auslandfreundlich erscheint. So konnte in so jugendlichen Köpfen der Gedanke an eine Beseitigung des Außenministers Rathenau ent stehen, zumal in dem Hirn eines ausgesprochenen Fa natikers, wie es Kern gewesen ist. Ter Einfluß dieses Fanatikers auf Techow sei erwiesen. Techow habe sich ihm nicht entziehen können, und zwar, ohne über daS Vorhaben aufgeklärt worden zü sein. Für d.en Ange klagten könne also nicht Mittäterschaft, sondern höch stens Beihilfe-in Frage kommen. Infolgedessen müsse der Antrag auf Todesstrafe abgelehnt werden. Was ihm aber, dem Verteidiger, geradezu unbegreiflich.wäre, sei der Antrag der Aberkennung der bürgerlichen Ehren rechte. Hier handle eS sich, nicht um einen gemeinen Meuchelmord, sondern um ein« Tat, entsprungen aus politischem Fanatismus. > Auch Rechtsanwalt Dir. Sack geht davon auS, eS sei keineswegs erwiesen, daß Techow in den Mordplan ein- geweiht gewesen wäre. Zum Beweise führt er die ver schiedenen Zusammenkünfte an, die Techow mit Kern und Fischer sowie mit einigen anderen der in den Pro zeß Verwickelten gehabt habe, bei denen Techow selbst von einer bestimmten Tat keinesfalls informiert wurde. Selbst zu der Erklärung, sich für ein etwaiges Vorhaben bereitzustellen, sei der Angeklagte erst durch einen phy sischen Truck veranlaßt worden, den der tote Kern auf ihn aUSgeübt hat. T«. Sack kommt zu dem Schluß, daß sein Mandant nichts weiter als einen Gehilfen dar stelle nicht, im Sinne der Mittäterschaft, .sondern im Sinne der Beihilfe. Bon Hans Gerd Techow stellt Tjr- Sack die Behaup tung aus, daß jenem die moralischen Hemmungen zum Teil abgingen, daß er sich über sein Verhalten gar nicht recht im klaren war; aber selbst, wenn er sich im kla ren gewesen wäre, so wäre es doch! so. daß nicht eine direkte Beihilfe angenommen werden könne, vielmehr gleichsam eine Beihilfe zur Beihilfe. Im Grunde sei er nur ein überspannter Bengel, dem in jeder Beziehung die notwendige Einsicht fehlte und noch fehlt. Er plädiert also auf Freisprechung für Hans Gerd Techow. Verteidiger TV. Lkütgeb'rune stellt die Frag«, wie der Fall Techow vom Staatsgerichtshof überhaupt be trachtet werden darf und muß. Er führt einige Ent scheidungen, des Reichsgerichts an, die eine Mittäter schaft nur bei faktischer körperliche« wie geistiger Mit- Wirkung anerkennen. Rechtsanwalt Goll nick geht in ftiner Verteidi gungsrede für Willi Günther auf dessen krankhafte Psyche ein. Günther ist viel zu Haltlos, um jemals Füh rer zu sein.' Ter Verteidiger beleuchtete da» Verhältnis Günther» zu Stubenrauch!, dessen Willen zur Tat er für ausgeprägt hält. Günther» Wtchtigtueret veranlaßte ihn, mit der O. C. zu renommieren, von der.«» wahr scheinlich seststetze, datz sie nicht Leut« wie Günther, son dern nur erprobte Marineoffiziere .aufnehm«. Ter Ver teidiger beantragt, den Angeklagten.nur wegen «iner einzigen BeihilfHandlung zu bestrafen. Obendrein lä. gen bet Günther nicht nur ethische Defekt« vor, wie der Vberreichsanwalt anntmmt, sondern auch Intellektuell« r«f«kt«. ' Für den Angeklagten Ernst.v. Salo mV« spricht sodann Rechtsanwalt Dr. Pohl., E» sei zu verneinen, da- .Salomon in den Mvrdplan «ingewetht war. Da» sei nicht öewteien morde» und türme auch.nicht Vetvte- sen werden. Niedrig sei ebenso gutmütig wie dumm; in seinen Aussagen habe er di« Zeitpunkte blind durch einander geworsen. Di« Waffenschkbung sei tatsächlich geplant gewesen, ebenso die Gefangenenbesretung in» besetzten Gebiet. Salomon sei für beide Aktionen tätig gewesen, wa» er auch von Kern glaubte, wenn er auch da» Gefühl hatte, daß dieser einen anderen Plan damit verband. In der Voruntersuchung hätte Salomon des halb da» Gegenteil ausgesagt, weil er die Waffenschie bungen verheimlichen wollt«. Ter Verteidiger erzählt sodann zwei Episoden von Salomon, wie er sagt, ge gen dessen Willen: „Als er verhaftet werden stillte, lag Neben ihm sein Revolver. Blitzartig kam er auf den Gedanken: „Schießt du oder schießt du nicht?" Er hat nicht geschossen, sondern sich verhaften lassen, da der Landgerichtsdirektor ein Freund seines Vater» war. — Die zweite Episode spielte sich auf dem Transport ab. Beide Transportbegleiter schliefen in der Eisenbahn. Salomon konnte entfliehen. Er tat es aber nicht, da er seine Unschuld erwiesen haben wollte. Ich plädiere für Freispruch." Rechtsanwalt Dir. LÜtjebrune plädiert dafür, daß Niedrig nicht der Beihilfe schuldig ist. Ob Niedrig sich Wegen Unterlassens der Anzeige strafbar gemacht hat, überläßt der Verteidiger dem Ermessen des Gerichts. Für Warnecke plädiert sodann Rechtsanwalt Dr. Sack: Er beantragt Freisprechung wegen Beihilfe, ebenso wegen Unterlassung der ArPeige. Für Steinbeck plädiert sodann Recht-ünwalt Dr. Bloch. Tas Verdachtsmaterial gegen Steinbeck sei nur ein Indizienbeweis, der immer den Keim der Schwäch« in sich trage. ! ! Rechtsanwalt Dr. Greving spricht sodann für den Angeklagten 'Ilse mann. Mit deutlichem ALrücken von der „nationalen" Verteidigers«»! erklärt er, daß ihn nur die Persönlichkeit seines Klienten und svnst nichts interessiert. Tiefer fei durch und durch milk tärisch. Nach Deutschland sei er aus Mexiko nur „we gen des blauen Tuches" zurückgekehrt. Aber die Marine von heute enttäuschte ihn; sie entsprach sticht mehr dem Ideal, daS er im Herzen trug. Zn Kern sah der An geklagte nur den alten Vorgesetzten. Jlsemann mutz nach der Auffassung des Verteidigers vorher nichts von der Tat gewußt.und diese später mißbilligt haben. Tie» erhelle aus seinem ganzen Benehmen. Ter Verteidi ger bittet für Jlsemann um Freisprechung wenigsten» um eine Bewährungsfrist. — Da noch drei Plädoyer» ausstehen, vertagt der Präsident.die Verhandlung auf Freitag. Arsenikvergipung festgestrllt. Wie wir von unterrichteter Sette hören, hat die chemische Untersuchung der beschlagnahmten Bonbon», durch deren Genuß die Angeklagten Warnecke, Plaa», Ttllessen, Techow Und Günther am Frettaq und Sonn abend voriger Woche an heftigen VergiftungSerschei- nungen erkrankten, ergeben, daß die Pralinen Arse- nik Enthalten haben. Tie Krankheit Warnecke», der auch Heute noch leidet, bietet das typische Bild einer Arsenikvergiftung. Tie Untersuchung nach den Absen dern der falschen „Liebesgaben" ist noch im Gange. Man hofft jedoch, den verbrecherischen.Spendern bald auf-ie Spur zu kommen. > 1 Die Verordnung zur Beschränkung äes Devisen Handels. Eine heute in Kraft tretende Verordnung de» Reichspräsidenten gegen di« Spekulation in ausländi sch«« Zahlungsmitteln verbietet auf Grund de» Artikel» 48 der deutschen ReichSverfasfung Forderung und Annahinv von Zahlungen in ausländisch.«« Zahlungsmitteln bei Jnland»geschäften, sowie im Kleinhandel-Verkauf die PreiSstel- lung in inländischen Zahlungsmitteln auf Grundlage einer ausländischen Währung. Ter Erwerb ausländischen Zahlungsmittel ist nur nach vorheriger Genehmigung der PrüsungSstell« zulässig, in deren Bezirk der Auftraggeber seine gewerblich« Nie derlassung, seinen Wohnsitz oder Aufenthalt Hat. Ter Genehmigung bedarf e» nicht, wenn der Auftrag von der RetchSban! oder Banken oder Bankier» oder von einer Person oder Personenvereinigung erteilt ist, di» in» Handels- oder GenossenfchaftSregister eingetragen Ist und der die zuständige Handelskammer eine Bescheini gung darüber erteilt hüt, daß ihr Gewerbebetrieb Ge schäfte regelmäßig mit sich.bringt, zu deren Abwicklung Zahlungen nach dem Ausland« notwendig sind. Banken «Nd Vankisr!» dürft» iverkausRm» schäft« üb«r ausländisch« Zahlung-mittel nur abM«- ßen, wenn st« sich Alt«, di» Perftn d«» Antragsteller» vergewissert hab«». Ti» VUft»ah.r«b«r hab«» do«