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Mer Tagebla rMW Anzeiger für -as Erzgebirge W-Z- .v-nspttch-ftnsttzv- n». <». MM«, E«ch„»„ «,»,«. r,l»on»mm„ lag,»litt tzueens»»»,», Eüthaltttd -I» amiltchtt -ekanatmachvagea -es Natt» btt Gta-1 nab btt Amtsgerichts Ans. pesWeidVm», ftmt Lei««, a». ,eee Nr. 23S Montag, ckan s. vktob« 1S22 N. Jahrgang Politische Wochenschau. vom Oberbürgermeister vr Nil», M. d. R. Das Märchen von den Franzosen att einer rttter- iuhen Nattvn ist tn der Vergangenhett> vor allem von den Franzosen seihst, der wett ,so oft und so aufdring lich erzählt worden, datz es jetzt schwer Hütt, die öffent- ltche Meinung der Wett davon Au überzeugen, datz der Grundzug de» französischen BolkScharakter» alle» an dere als Ritterlichkeit ist. Nach und nach beginnt sich aber doch ein tiefer Abscheu gegen die Akte der Kul- tuischandr durchzusetzen, die Frankreich gegen Deutsch land aM Rhein begeht. Bezeichnend in dieser Hin sicht ist die Auslassung eine» amerikanischen Offizier», Edward I. Le Blank, der vor kurzem in einer Zeitschrift seines Heimatlandes seine amerikanischen Mitbürger aus die schwarze Schmach am Rhein mit den Worten hin- wieS: „Wenn das amerikanische Volk nur Vie Hälfte wüßte von dem, was wir amerikanischen Soldaten ge sehen haben, so würde es im gerechten Zorn aufstehen. Zur ewigen Schande von Frankreich muß gesagt werden, daß nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes gerade diese Bestien zur Bewachung des deutschen Volkes nach Deutschland geschickt wurden. Wenn das amerikanische Volk auch nur einigermaßen die Wahrheit Wer diesen Krieg wüßte, sv würde eS uns unterstützen, wenn wir sagen: Niemals wieder wollen wir an der Seite von England und Frankreich kämpfen!" Tlie deutsche Regie rung hat es in der Hand, diesen Erkennungsprozeß der Wahrheit Aber die Kulturschande am Rhein wesentlich zu fördern. Es ist unserer nicht Würdig, wenn im Reichs tag in Form von kleinen Anfragen alle diese schmach vollen Uebergriffe unzWWierter Truppen mühsam ans Licht gezogen werden; viel wirksamer würde es sein, wenn die Regierung aller vier Wochen von sich aus in einer kurzen amtlichen Darstellung alle dis Schandtaten bekanntaeben wollte, die dort am Rhein begangen wer den. Tiwse Darstellung bedürfte gar keiner besonderen äußeren Aufmachung, sondern die einfachen Tatsachen würden auch auf die öffentliche Meinung der Wett er schütternd wirken, Und durch eine ständige und regel mäßige Wiederholung die Wett aufhorchen lassen. Ge rade jetzt ist zur Einleitung eine» solchen Verfahrens die beste Zett, da sich Frankreich anschhkt, eine neue schwere Kulturwidrigkeit zu begehen. Deutschland hatte vor dem Kriege für die Ausstellung in Lyon eine ReW beson ders wertvoller deutscher Kulturdenkmäler Mr! Werfü- gung gestellt. Jetzt schreitet Frankreich dazu, die für diese Ausstellung zur DerfügNÄ gestellten Handschrif ten des Frankfurter Goeihehauses Öffent lich z u versteigern. AM eine Versteigerung der von den deutschen LandesversicherungSanstatten und Ar beitsnachweisen seinerzeit übersandten Ausstellungsstücke steht bevor. Dieses Borgehlen ist so ungeheuerlich und widerspricht so sehr den Gepflogenheiten gesitteter Völ ker im Verkehr untereinander, daß es nicht scharf genug gebrandmarkt werden kann. Bon amtlicher Stelle hat man bisher tn Deutschland selbst noch nichts in dieser Beziehung gehört; es ist dies um so bedauerlicher, als tn Frankreich selbst sich das Gewissen zu regen beginnt. Ko sagt der TempS r „Tie Versteigerung wär« ein Skan dal, den die Ehre Frankreichs nicht duldet; Goethe darf nicht zum Kaufgegenstand werden", und in Belgien schreibt Pafseloeq in der Libre Belgique: „Versteigerung der Goethereliquien? Das ist nicht möglich ; das kann nicht wahr sein". Einem planmäßigen und organisier ten Widerstand wird es.nicht unmöglich sein, diesen un ersetzlichen Verlust deutscher Kulturdenkmäler zu ver hüten. Auch hier Verlangt es schon die Würde der deut schen Regierung, von sich aus die nötigen Schritte zu ergreifen und bekanntzugeben, ehe sie durch eine An frage oder Interpellation im Reichstage Hierzu Veran laßt wird. > > > - Es darf gerade jetzt nichts versäumt werden, um das Gewissen Europas immer wieder von neuem gegenüber dem schweren Unrecht auszurütteln, das Deutschland,, vor allem von feiten Frankreichs, zugefügt wird. Mt Genugtuung ist e» zu begrüßen, daß der Reichskanzler Wirch in den letzten Tagen in dieser Beziehung au» seiner Reserve herausgetreten ist. Wie wirksam dieses Vorgehen war, zeigt der Widerhall in der ausländischen Presse. So wird in der Stockholmer Allehanda gesagt: „Die Auflockerung de« Versailler Frieden schreitet ununterbrochen fort, wenn nicht durch politisch« Handlungen, so durch Schwächung seine» Grundpfeilers, de» KriegSschuldparagraphen; Wirch! wendet M an die Forschung und an Europa« Gewissen, Instanzen, gegen die kein Appell möglich ist; di« vor diesen Richtern un terliegend« Partei wird schließlich Pa« Spiel verlorenl haben, auch wenn sie ihre Bajonette und ihr« Kampf flugzeug« verdoppelt." Lies« WuslandSstimm« zeigt d«utlich, daß e« sehr Wohl möglich ist, im moralischen Kampfe gegen uns«« Aetnde in der Mett Bundesge nossen zu gewinnen. Ein« gleiche Bundergenosseuschast für di« bevorste hend« Ausrottung d«r R eparatiionSfrag« zu finden, wird nicht unmöglich sein. Trotz der Verwickelung im nahen Orient nimmt da« Zustandekommen einer großen Konferenz zur Regelung der ReparattonSfrage erfreu- ltcherweise immer gretsbareve Gestatt an. Lite Brüsseler Regierung bemüht sich mit Nachdruck gesunde Borbedin gungen für diese Zusammenkunft M schaffen. Selbst tn Frankreich mehren sich di« Stimmen der Vernunft.,und der Temp« muß zugestehen, daß e» nötig sein wird, die deutschen Schulden durch eine internationale Anleihe zu mobilisieren, und datz die tn Betracht kommenden französischen Persönlichkeiten davon überzeugt find, datz die Brüsseler Konferenz nur dann Aussicht auf Erfolg haben könne, wenn mit den alten Methoden de« Zwan ges und der Drohung ein Ende gemacht werde. So erfreulich diese Anzeichen auch sind, fo wird für die allernächste Zett doch das außenpolitische Bild auch für Deutschland durch die Krisis im Orient Oe- herrscht werden. In welch empfindlicher Weise dies der Fall ist, zeigt der neue Sturz der Mark. Zu einem er heblichen Telle ist er zweifellos darauf zurückzuführen, daß eine für Deutschland erträgliche Regelung seiner Verpflichtungen durch den Konflikt im Orient insofern mindestens gefährdet ist, als der unerläßlichen Voraus setzung zU einer solchen Regelung damit starke Hemm nisse entgegentreten. Dies« unerläßliche Voraussetzung ist in einer Regelung der finanziellen Verbindlichkeiten der Ententestaaten unter sich und im Verhältnis SU Amerika zu erkennen. Solange kriegerische Verwicklun gen am Bosporus drohen, kann von einer solchen fried lichen Auseinandersetzung Wer die gegenseitigen Ver bindlichkeiten nicht die Rede sein. Es mutz deswegen auch von deutscher Seite gehofft werden, datz die Konferenz von Mudania den Weg zu einer friedlichen Verständi gung ebnet. Die Lösung des Konfliktes selbst wird diese Konferenz ebensowenig bringen können,-Wie eine Lö sung des ganzen grvtzen Orientproblems, aber eS Wird doch schon viel gewonnen sein, wenn in Mudania sich Auswege aus der zunächst heillos verworrenen Lage öffnen. England wird gewiß nichts unversucht lassen, um aus der Sackgasse herausMkommen. in di« seine Ortentpolittk geraten ist. Es ist doch tatsächlich! so, datz die britischen Truppen von den kemalWM» Divisionen eingeschlossen und abgeriegelt sind, datz daS englische Prestige vor allem in der mphamedanischen Bevölkerung einen starken Stotz erlitten hat, und datz. die britische Außenpolitik ihrer Bewegungsfreiheit zunächst beraubt ist. Solange sie die Bewegungsfreiheit nicht wieder er langt hat, besteht immer die Gefahr, daß.sie versuchen wird, sich dürch Konzessionen M Lasten Deutschlands Frankreich gegenüber frei zu machen. Deutschland ver trägt derartige neue Belastungen nicht. Vs wird,im-H mer deutlicher, datz wir einem in wirtschaftlicher! und politischer Hinsicht schweren Winter entgegengehen. Neue Teuerungswellen werden neue Löhn« und Gehattssor- derungen und umgekehrt auslösen. Die Frage der Er höhung des Preises Mr da» erste Drittel der Getreide umlage wird eine harte Probe auf Pen Bestand der derzeitigen RegterungSkoalition bringen. Noch ist ein Ausweg nicht erkennbar. Vielleicht kann er darin ge funden werden, datz man das erste Drittel nicht erhöht, Wohl aber das zweite Drittel; dieses aber nur für die jenigen, die WS zu einer gewissen Frist ihrer Abliefe rungspflicht Mr das erste Drittel nachgekommen sind. Auf diese Weise vermeidet man ein« jetzt schon einset- zende Verteuerung des Brotes und läßt die Erhöhung! des Umlagepreises wie eine Lieferungsprämie wirken. Eine Lösung dieser innerpolittschen Schwierigkeit muß unbedingt gefunden werden, denn die Lage Deutschlands verträgt gerade jetzt keine innere Kris« oder gar ein« Neuwahl des Reichstages. Ueberall fordern die Dinge gebieterisch ein« Zusammenfassung der politischen Und wirtschaftlichen Kräfte. Moräprozeß Rathenau. Sensationell«« Zwischenfall. Vor Beginn der Sonnabendverhandlung verbreitete sich iw Gerichtssaal da» Gerücht von einer schweren Erkrankung verschiedener Angeklagter. Batt war auch Nähere« bekannt: Günther und Jlsemann hätten Scho- Doladepaketchen erhajten. ihren Genossen davon abge geben und «tue Anzahl d«r Angeklagten sei erheblich er- krankt. Die tollsten Vermutungen ging«» um: Di« An geklagten sollten vergiftet werden; «S lies« ein kommu nistischer Anschlag, ein Racheakt der Feme an den Schwä tzer Günther und den allzu moralischen Jlsemann, oder eine vorbeugung-maßnahm« rechtsradikaler Kreise, pein lich« Aussagen Günther» und Jlsemann« zu verhüten. Al» Tatsache wurde indes nur bekannt, daß/mehrer« Angeklagt« nach dem Genuß von Schokolade, Pie Gün- ther und Jlsemann ins Gefängnis geschickt worben war, erkrankt Mare«. Als die Angeklagten ab« vollzählig erschienen, betrachtete man btt Sache leichter. Nur ver riet da» geschäftige Hin und Her der Verteidiger und der Berichterstatter, daß etwa» Besondere» vorgefallen fein mußt«. Auch sahen einige Angeklagte bleicher au» al» svnst, und eine nervöse Unruhe schien sie erfaßt zu haben. Im Zuhörerraum wurden die tollsten Vermut« tungen erörtert; sie wurden immer toller, je längen der Gerichtshof, der sonst pünktlich S Uhr erschien, auf sich warten ließ, Erst um »/«IO Uhr betrat er den Sit zungssaal. Er hatte inzwischen die Gutachten der Merzte und die Wünsch« der Angeklagten gehört. Außer Gün- ther und Warnecke waren alle Angeklagten verhand- lungsbereit. Besonder» Dlllesftn wollte weiter im Trommelfeuer des Kreuzverhörs stehen, obwohl seine Verteidiger fürchteten, daß er sich jeden Augenblick aus der Anklagebank übergeben würde. Senatspräsident De. Hagens verkündet« dann un ter allgemeiner Spannung den Beschluß des Gerichtsho fes: Tie Verhandlung wird unterbrochen und auif Mon tag .9 Uhr vertagt. Der Präsident teilt mit, datz Gün ther und Warnecke durch den Genuß von Schokolade ernstlich erkrankt seien. Ti« VerhandlungsfShigkeit sei bei Warnecke ausgeschlossen, bet Günther beständen starke Zweifel. Der GertchtSarzt habe erklärt, daß tzie beiden Angeklagten am Montag wieder verhandlungsfähig sein würden. Tie Verhandlung mAsse unterbrochen werden, da die Strafprozetzordnung vorschreibt, datz die Wem Handlung fortdauernd sein müsse und nur in Anwesen heit sämtlicher Angeklagten stattstnden könne. DaS Publikum nahm die Entscheidung deS Gerichts hofes ruhig auf. Aber außerhalb de« Saale» bildete» sich Gruppen, die eifrig debattierten. Di« meisten An geklagten freuten sich Wer die Unterbrechung, da sie stark ermüdet sind. Günther und eitrige andere werden sich Wer den Fall Mer mW noch! aus anderen Grün den freuen: Von Küem werden sie, die berühmt wer«s den wollen, zum Tagesgesprächs und bekleidet mit dem Nimbus von Märtyrern, die so wichtige Persönlichkeiten sind, Oaß WftansDäge gegen Ke ausgsübl werden. 8Ä der AUgelegeWett erfahren wir noch: In der Verhandlung am Freitag wurde der Ange klagte Günther zweimal hintereinander unwohl, so daß schließlich die Sitzung abgebrochen und vertagt werden mußte. Günther behauptete, daß seine Uebelkeit auf den Genuß eines Herings MrüMuführen sei, den « am Tag« zuvor tn der Gefangenschaft zum Mittagbrot bekommen Hatte. An der Nacht Mm Sonnabend trat aber die gleiche Erscheinung bei den Angeklagten Dtl» lessen, Warnecke, Waatz, Jlsemann, Steinbeck und bei dem älteren Techow auf. Sie bekamen TUrchfall und klagten über heftiges Kopfweh/ Mm Sonnabend mor gen jedoch fühlten sie sich etwas Wohler, so daß jst« der Ueberführung mit dem Gefangenenwagen vom Po- ltzeigefüngniS zum Reichsgericht -«stimmen konnten. Warnecke Hingegen, der M besonder» matt fühlte und sehr blaß aussah, wurde zu WM Mm Gertchtssaal ge bracht. Er brach unterwegs zusammen, so daß ein Wa gen geholt werden mutzte. , >. Die eingelettete Äztliche Untersuchung durch! den! GerichtSchemiker KanitätSrat Dir. Otto Schütz ergab, datz da» Unwohlsein der Gefangenen nicht auf den Genuß von Speisen in der Gefangenenanstalt zUrückzuführen ist. Die weitere Untersuchung führte zu der Feststellung, daß Günther Freitag vormittag eine Schachtel mit Pralinen in der Packung einer Berliner Firma auSgehändtgt wor den ist. Ebenso hatte Jlsemann ein Päckchen mit Scho- kvladen-Pralinen erhalten. Di« Schachteln waren An geblich Liebesgabenpakete, die Wer die Gefangenenan- stalt Berlin-Moabit gekommen sind. Ter Absender war nicht festzusiellen. , Meerengenkonserenz äer Userstasten. Die Pariser Besprechungen über den Orient, die gestern vormittag und nachmittag fortgesetzt wurden, ha ben, .Wie zü erwarten war, zu einer Kompromißlö sung geführt. Li« Verbündeten haben in der Bor mittagsberatung beschlossen, Pen Türken in Mudania folgende Regelung der thrazischen Frage Vorzuschlagenr Die griechischen TrMwn haben Thrazien sofort biß zur Marttza-Linie zu räumen. Es steht der grie chischen Zivilbevölkerung frei, da« Land mit den 2LUP- pen zu verlassen. Die Räumung muß in 8 bi« !10 Tagen durchgeführt sein und wird von den Verbün deten überwacht. Lite verbündeten Großmächte «ken nen die sofortige Rückgabe von vstthrazien vis zur Marttza-Linie unter die türkisch« Souveränität an, desgleichen nach -em Abzug der Griechen btt Wieder herstellung der türkischen Zivild«wattung und Rück, kehr der türkischen Gendarmerie. La- Land bleibt noch einen Monat von d« Wiedereinsetzung de» tüs- kischen Behörden ad durch verbündet» Truppenabtei-