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uer Tageblatt Anzeiger für -as Erzgebirge 17. Jahrgang Nr. 20S Montag, äen 4. September 1S22 t«rnfpr,ch.ftnfit)luS Nr. SS. e»^., «Uü».»,.«.,«—«. Telegramm,r Lageblatt Nueerzgeblrge. Erhalten- üle amllkchen vekanntmachunge« -R« Nate» -er Stabt und -es Amtsgericht» Aar. p»M»<k»«»at», n«t LKpzlg Nr. ,4« Das Wichtigste vom Tage. Nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis der Volks, abst mmung über die Autonomiefrage in Ober, schlefien haben von 765322 Abstimmungsberechtigten 013 7 60 für daS Vervleiben der Provinz Ober schlesien bei Preußen und 50528 für die Autonomie Oberschlesiens gestimmt. Die Beteiligung betrug 73,8 '/». Die öffentliche Brotversorgung soll ein geschränkt und auf die Minderbemittelten beschränkt werden. DaS in der Reparcitionskommission er zielte Kompromiß wird von der englischen Presse alS ein Moratorium unter einem anderen Namen bezeichnet. Die Tatsache, daß die Erlischst« düng einstimmig erfolgte, wird mit besonderer Genugtuung Hervorgehoben. » Die amerikanische Regierung bestätigt die Meldung, daß sie vor kurzem in offiziöse Ver handlungen mit den Sowjets eingetreten sei. Der Dollar notierte heute, Montag vormittag, in Berlin mit 142b. Politische Wochenschau. Dom Oberbürgermeister Dr- Külz, M. d. R- Die Valuta ist der internationale Gradmesser des Ver trauens in der Wirtschaftskraft eines Volkes. Der verlorene Krieg hat das Vertrauen der Welt in die deutsche Wirtschaft zunächst nicht erschüttert. Wohl aber haben die dann ein setzenden Wahnsinnstaten unserer Feinde dies nachträglich gründlich besorgt. Poincarö behauptet zwar, daß Deutschland seine Valuta selbst ruiniere. In dieser Form ist seine Be hauptung natürlich eine bewußte und erwiesene Unwahrheit, denn selbst der französische Chauvinismus muß jetzt erkennen, daß jede neue französische Drohrede immer wieder einen weiteren katastrophalen Sturz der Mark zur Folge hatte. In der Tat läßt es sich auf den Tag genau nachweisen, daß alle Abstürze der deutschen Mark durch Gewaltakte oder Drohungen unserer Feinde hervorgerufen wurden. So zweifelsfrei aber diese Tatsache auch ist, so darf sie uns doch nicht der Prüfung entheben, ob nicht in den eigenen Ver hältnissen unserer Wirtschaft Zustände herrschen, die in gleicher Weise, wie die Gewaltpolitik Frankreichs, an einem Ruin unserer Währung Mitarbeiten. Eine Prüfung der deutschen Markbewegung zeigt, daß ein Anwachsen der Einfuhr stets eine starke Neigung zur Verschlechterung der Jnlandswährung in sich birgt. Der Ueberschuß der Einfuhr über die Ausfuhr braucht nicht mit zwingender Notwendigkeit zu einer Erschütterung der Valuta eines Landes zu führen; das zeigt mit zwingender Logik das vielfache Beispiel von Ländern, die trotz ihres Einfuhrüber schusses eine gesunde und gefestigte Währung behalten. In einem Lande jedoch mit so hochgespanntem und so nervös veranlagtem Wirtschaftsorganismus, wie der des heutigen Deutschland ist, wirkt sich die Wirtschaftsbilanz natürlich ganz anders aus, als unter normalen Verhältnissen, und so ist in der Tat für Deutschland die Erscheinung zu verzeichnen, daß unsere stark passive Handelsbilanz ein wesentlicher Grund zur Verschlechterung der Währung ist. Die Handelsentwtcklung Deutschlands hat geradezu düstere Formen angenommen. Während wir im Februar noch einen Ausfuhrüberschuß von 2,4 Milliarden Mark zu verzeichnen hatten, ist der Einfuhr überschuß von da ständig gestiegen und beträgt nach den letzten Veröffentlichungen des statistischen Reichsamtes für den Monat Juli 10 Milliarden Mark Wer näher zu sieht, wird finden, das die deutsche Ausfuhr gegenüber der Vorkriegszeit ungeheuer nachgelassen hat- Sie beträgt gegenwärtig nur noch etwa 85—40°/o der Ausfuhr vor dem Kriege. Diese Verschlechterung der Wirtschaftsbilanz bringt es mit sich, daß der Gesamtbedarf Deuschlands an Gold devisen auch ohne die Letsung an unsere Feinde die Ein nahmen Deutschlands au» Golddevisen übersteigt. Damit ist nicht nur der Beweis erbracht, daß Deutschland» Zahlungs fähigkeit für Leistungen an unsere Feinde nicht vorhanden ist, i sondern daß auch seine innere wirtschaftliche Bilanz in verhängnisvollem Umfange passiv ist. Dies« Passivität unserer Wirtschaftsbilanz nach Möglichkeit zu verringern ist «in zwingende« Gebot aller aus wirtschaft lich« Erfahrung und wirtschaftlichen Aufbau gerichteten Politik, denn nur durch «ine solche Verbesserung kann einer wetteren Verteuerung der Lebenshaltung entgegen gewirkt werden. Ts ist einfach nicht mehr durchführbar, auch künftig noch lediglich an dem alten bequemen Rezept zu arbeiten, die Löhne und Gehälter ins Ungemessene steigen zu lassen und durch Neudruck von Papiergeld in Verbindung mit Anziehung der Steuerschraube »in« immer weiter steigende Teuerung zu verursachen. Sin« Einengung der passiven Seit« de, deutschen Wirtschaftsbilanz ist unumgänglich notwendig. Wenn die Regierung jetzt eine Besserung der wirtschaftlichen Lage dadurch zu erzielen sucht, daß sie Beschränkungen in der Einfuhr von Lurusgegenständen und Erhöhung der Ausfuhrabgaben erstrebt, daß sie die reine Devisenspekulation durch scharle Kontrolle unterbinden will, daß sie die Ver wertung von Lebensmitteln zur Herstellung von entbehrlichen Genußmitteln verbieten will, so sind das gewiß sehr erwägens werte Maßnahmen, die bis zu einem gewißen Grade bei sinngemäßer Handhabung entlastend wirken können. Aber das Ziel muß doch wesentlich weiter gesteckt werden, und ist letzten Endes in die Forderung zusammenzufassen: Er höhung der Ausfuhrziffer durch Erhöhung der innerwirtschaft lichen Leistung. Mit großer Freude ist es zu begrüßen, daß sich jetzt eben auf dem lebenswichtigsten Wirtschaftsgebiete Deutschlands, im K ohlenbergbau, die Geneigtheit bet den Arbeitnehmern zeigt, die Hand zu einer solchen Erhöhung der Produktion zu bieten. Sind es auch nur Anfänge, mit denen wir es zu tun haben, so darf doch auf eine Wetterführung gehofft werden. Die Gewerkschaften, die in den letzten Monaten ja immer sehr schnell auf dem Plan erschienen, wenn es materielle Forderungen zu erheben galt, würden sich ein ungeheures Verdienst um die Wirtschaft des deutschen Volkes und vor allem der Arbeiter selbst erwerben können, wenn sie sich mit viel stärkerer Entschiedenheit als bisher zum Träger der Forderung auf Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungen machen wollten- Die Entlastung von außer- politischem Druck auf unsere Wirtschaft ist der eine Angelpunkt unserer Lage. Der andere ist die Erhöhung der deutschen Produktion und die möglichst aktive Gestaltung unserer Handels- und Wirtschaftsbilanz. Die päpstliche Aieäensvermittlung äes Wahres ISN. In den Julisihungen der Nationalversammlung im Jahre 1S19 wurde die öffentliche Meinung durch die Behauptung Erzbergers, die kaiserliche Regierung habe ein englisches Frie densangebot sabotiert, auf das höchste erregt. Im Laufe der Besprechung stellte sich heraus, daß die Anklagen Erzbergers im Zusammenhang« mit dem Mißglücken der päpstlichen Frte- densvermittlung im Jahre 1917 standen. Der zweite Unter ausschuß des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der die Friedensmöglichkeiten zu prüfen hat, hat jetzt seine Unter suchungen über die päpstliche Friedensaktion beendet. Auf Grund des ihm vorgelegten Aktenmatertals sowie auf Grund der eidlichen Vernehmungen der beteiligten politischen und militärischen Personen, die unter Ausschluß der Oeffentlichkett erfolgen mußte, da krtegsneutrale Staaten in die Aktion ver wickelt waren, ist der Ausschuß einstimmig zu folgenden Er gebnissen gelangt: 1.) Ein Friedensangebot Englands lag im Sommer 1917 nicht vor. 2.) Ebensowenig kann in Anbetracht der vielfachen Schwierigkeiten und der immerhin fraglichen Verständigungsbereitschaft auf feindlicher Seite von einer starken Friedenswahrscheinlichkeit gesprochen werden. 8.) Eine ernste, durch die deutsche Regierung ge- wissenhaft zu prüfende Friedensmöglichkeit war bei Beginn der päpstlichen Friedensaktion vorhanden. 4.) Die Ereignisse der Monate Juli und August in Deutschland und Oesterreich-Ungarn haben die an sich nicht sehr starke Friedensgeneigtheit der Westmächte nicht erhöht. 5) Die deutsche Regierung hat in der formellen Behandlung der päpstlichen Friedensaktion Fehler begangen. 6.) Auf Grund der vorliegenden Aussagen und Dokumente kann es als wahr scheinlich bezeichnet werden, daß England und Frankreich jedenfalls Ende August 1917 ein Eingehen auf die päpstliche Frtedensvermittlung mit Rücksicht auf die gesamte Kriegslage als nicht in ihrem Interesse liegend betrachteten. 7.) Die Frage, ob die päpstliche Friedensaktion allein durch die Verzögerung der von der Kurie gewünschten Erklärung über die Freigabe Belgien» vereitelt worden ist, kann auf Grund der vorliegenden Akten und Zeugenaussagen nicht be jaht werden. Zu dieser, offenbar Wort für Wort wohl er wogenen Feststellung wird uns von berufener Seite bemerkt, daß st« augenscheinlich nur da« al» Ergebnis festlegen will, was ganz unbestreitbar ist. Hält man sie mit den Debatten de» Jahre» 1917 in den krteg»feindltchen Ländem, den Presseäußemngen dort au» derselben Zett, dem englischen Weißbuch, den Enthüllungen Mare» und gewissen Bemerkungen de» Prinzen Strtu« zusammen» so muß man zu dem Schluss« kommen, daß die aufkeimende Friedensmögltchkeit durch die schleppende Behandlung der Fühler der Kurie erstickt worden ist. Der Ausschuß hat sich die Veröffentlichung von Materialien und protokollarischen Vernehmungen Vorbehalten. Nachdem durch die Broschüre Gchetdrmann» «in Teil der Akten unrechtmäßig veröffentlicht worden ist, ist zu hoffen, daß der Au»schuß so viel seine» Material», namentlich auch denjenigen Teil, der sich auf di« Freigabe Belgien» bezieht, veröffentlichen wird, al» e» mit den internationalen Bräuchen irgend vereinbar ist. Der Besshungsunfug. In dem Düsseldorfer Vorort Oberkassel sind au« An laß eines Wtrtshausstreites auf bisher noch ungeklärte Weise ein belgischer Sergeant und ein gänzlich unbeteiligter eng lischer Wachtposten erschossen worden. Ob es sich um eine betrunkene Geschichte oder um einen Notwehrakt handelt, ob die Kugel aus einem deutschen oder einem belgischen Revolver stammt, das alle» bedarf noch der Aufklärung; sicher scheint nur zu sein, daß der ganze traurige Zwischenfall mit Politik nicht das mindeste zu schaffen hat. Trotzdem hat die belgische Besatzungsbehörde die drakonischsten Maßnahmen angeordnet, um den oder die Schuldigen zu ermitteln. Der oberste Berwaltungsbeamte des Ortes wurde, weil er nicht bis zur befohlenen Stunde den oder die Täter Nach weisen konnte, verhaftet, sein Sekretär wurde in Haft genommen, weil es ihm unmöglich gewesen war, in der knappen, von der Besatzungsbehörde bestimmten Frist Plakate anschlagen zu lassen. Ueber den Ort wurde der verschärfte Belagerungszustand verhängt und vorgeschrieben, daß von abends 8 bis morgens 6 Uhr jedermann «Nein zu gehen und den Bürgersteig zu verlassen habe, sobald er aus 25 Meter an eine militärische Person oder auf 50 Meter an «inen Wachtposten herangekommen sei- Das sind Auswüchse ekner militaristischen Ueberspannung der Besatzungsbehörden, gegen die auch diejenigen protestieren müssen, die di« Tat an sich aufs lebhafteste verurteilen. So etwas sollte in Kriegszetten nicht möglich sein, viel weniger aber noch mitten im Frieden und in denselben Tagen, da belgische Unterhändler auf dem Wege nach Berlin sind, um in wichtigen, politisch-wirtschaft lichen Angelegenheiten Verständigung zu suchen. Hier zeigt sich wieder einmal besonders klar, wie schädlich und uner träglich das ganze System der Besatzungen wirkt, und daß es höchste Zeit ist, es abzubauen. Auch die Gewaltpolitiker der Entente müßten doch schließlich so viel Vernunft auf bringen, daß sie einsehen, wie ganz nutzlos und zwecklos hier Geld und Kraft verpulvert werden, um neuen Haß zu ent fachen. Je eher damit aufgeräumt wird, um so besser- Die Aeitungsverbote. lvon unserem Berliner Mitarbeiter.) Die Gesetze zum Schutze der deutschen Republik waren eine bittere Notwendigkeit. Wer die Aussagen der an den Mordanschlägen auf Erzberger, Scheidemann und Rathenau beteiligt gewesenen jugendlichen Wirrköpfe gelesen hat, der kann auch nicht im Zweifel sein, daß die systematische Presse vergiftung das Unheil in den Spatzengehirnen der jugend lichen Mordgesellen angerichtet hat. Cs wäre gewiß wünschenswert gewesen, man hätte den ganzen Apparat der Schutzgesetze nicht aufzubieten gebraucht, zumal ja eine juristische Möglichkeit zum Eingreifen durch die allgemein« Gesetzgebuug gegeben ist- Aber gerade in dieser Gesetzgebung fehlt jede prophylaktische Möglichkeit. Sie zu schaffen, war der tiefere Zweck der Schutzgesetze. Bet allen Zeitungs verboten ist darum peinlichst zu prüfen, ob sie im Sinne de» Gesetzgeber» erfolgen. Die Pressefreiheit ist in der Verfassung verankert, sie muß auch dort respektiert werden, wo die Kritik scharf und ausfallend wird. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit im parlamentarischen Staate die Kritik auszuschalten, da sie ja gerade ein fördersames Teil der ganzen Regierungskontrolle darstellt. Wo darum nur Kritik geübt wird, kann das Schuhgesetz kaum Anwendung finden. Erst wo jede Kritik zu einer bewußten Schmähung von Mitgliedern der gegenwärtigen oder einer früheren Regierung wird, die die Opfer überreizter Buben werden, rechtfertigt sich ein Zettungsverbot. Der preußische Innenminister hat die Deutsche All gemeine Zeitung auf acht Tage verboten Ihr neuer Chefredakteur, der mebrheitssozialistische Prof. Paul Lensch hatte in zwei Artikeln, da» Kabinett Wirth auf das schärfst« angegriffen-. Er erklärte es jeden Vertrauen» im Ausland« unwert und wagte die Behauptung, das Kabinett Wirth habe das Vertrauen de» Auslandes nie besessen und das des Inlandes längst verloren. Es kann keinen Zweifel unterliegen, daß hier der Regierung ebenso unwahrhaftige wie ungerechtfertigt« Borwürfe gemacht werden. Aber ob ein« Beschimpfung oder Verleumdung im Sinn« des Gesetze« vorlirgt, ist hier strittig- E» handelt sich um einen Srenzfallund im Zetfel sollt« man auch bet der Hand habung de» Schutzgrsetze« nach dem alten juristischen Grund satz verfahren: In dubi pro res- Die Behauptungen de» Prof. Lensch sind in ihrer Uebrrtretbung so töricht und di« Angriff« in der Form so takt- und geschmacklos, daß sie sich eigentlich von selber richten. Man darf bi» zum Beweis de» Gegen teils auch bezweifeln, daß Sttnnes, der Verleger der D.A.Z., mit dieser Kampfeswets« seine» Blatte» einverstanden ist. Da» preußische Innenministerium hat bei seinem verbot aber noch ein weitere» nicht bedacht- Seit dem 1. September erscheint di« Täglich« Rundschau al» Kopfblatt der Deutschen Allgemeinen Zeitung; in der Täglichen Rundschau ist, da diese» Blatt zum Kop f blatt geworden ist, der gleich, Artikel erschienen. Nunmehr liegt der Fall so, daß da« ein« Blatt w«a«n «in«» Artikels verbot«« wird, da» ander« aber «egen