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Das Wichtigste vom Tage. Rach der soeben neu au-tzearveiteten Gebühren ordnung der Reichspost Lostet ab 1. Oktober ei« Bries nach audwärtS 6 Mark. Ter bisherige französische Botschafter in Berlin Laurent, der zurzeit in Paris weilt, wird nicht auf seinen Posten -urückkehren. Bon gut unterrichteter Seite wird mitgeteilt, eSj Werve im September eine neue Konferenz staMinden, welche über die Möglichkeit einer Annul lierung der Kriegsschulden beraten solle. Ter Dollar stand heute vormittag In Ber lin vorbörslich aus 805. Vie Lösung äes Aonfliktes. lBon unserem Berliner Mitarbeiter.) Tas Ergebnis der zweilagigen Berliner Verhand lungen zwischen dem Reich und Bayern liegt nun- mehr in einem ausführlichen Protokoll vor, das Vvni Reichskanzler und vom bayrischen Ministervräsidenten unterzeichnet ist. Tie beiden wichtigsteil Zugeständnisse stehen am Anfang und am Ende des Protokolls: Tie bayrische Staatsregierung erklärt sich bereit, die ver- sassungswidrige Verordnung spätestens am lg. August aufzuheben, und die ReichSvvgierung erklärt aus drücklich, über die verfassungsmäßigen Zuständigkeiten des Reiches hinaus Hoheitsrechte der Länder nicht an sich ziehen zu wollen. Was zwischen diesen beiden Hauptpunkten sicht, sind Erklärungen der Reichsregie rung zur Ausführung des Schutzgesetzes. des Beamten gesetzes und des Reichskriminalpolizeigesetzes. Wer den Text dieser Erklärungen genau liest und die Einzelheiten des Konflikts von Anfang an noch im Gedächtnis hat, der wird unschwer herausfinden, daß das Gesamter gebnis in den wichtigsten Formulierungen de» Vermitt- lungSvorschlägen entspricht, welche die oayrische demo kratische Landtagssraktton gleich bei Ausbruch der Kri sis zu machen versuchte. I Die bayrischen Demokraten gingen darauf aus, im Wege gütlicher Verhandlungen und freiwilliger Verein barungen mit dem Reiche von der Reichs Regierung Bürg- schäften für den Vollzug der Schutzgesetze zu erlangen, durch welche jede einseitige, ausnahmerechtliche Wirkung und insbesondere jeder Anschein von Geiinnuttgsälvaug vermieden, und bet denen gleichzeitig die Hoheitsbe- fugnisse der bayrischen Justiz- und Potizeivenvaltung hinreichend beachtet worden waren. Man schlug hier bei auch bereits vor, daß Verfehlungen gegen das Ge setz -um Schutze der Republik vom Reichsanwalt den ordentlichen bayrischen Landesgerichten in weitgehendem Umfange zur Aburteilung überlassen werden soll en, ivozu der Reichsanwalt ja jederzeit die Möglichkeit hat. Es ivar auch schon daraus hingewtesen, daß bei der Auswahl der Mitglieder des StaatSgertchtSgofes die Interessen der Länder zu berücksichtigen seien und die Möglichkeil gegeben werden müsse, besondere Strasfälle von.einem eigenen bayrischen oder süddeutschen Senat aburletlcn zu lassen. Auch für die Durchführung des Retchokrtminalpolizetgesetzes war von der demokratischen bayrischen Landtagsfraction eine ähnliche Rücksichtnahme auf die bayrischen Hohettsbefugnisse ge fordert worden, wie sie jetzt im Protokoll vereinbart ist. j Schließlich erstreckten sich! die Vorschläge der bemvkra- itschen Landtagsfraktivn auf dtp Forderung von Bürg schaften und Sicherungen gegen eine weitere Beschrän kung der den Ländern verbliebenen HoheitSrechte Die bayrische demokratische Landtagssräkrion vertrat die Meinung, daß diese Zugeständnisse vom Reich auf Grund nachdrücklich und mit Ernst zu führender Ver handlungen im Wege freier Vereinbarung er reicht werben könnten, ohne daß durch Beschlüsse, wie sw die bayrisch« Volkspartei und mit ihr die bayrisch^ Siaatsregterung faßten, ein schwerer Konflikt intt der Reichsregterung hervorgerufen würde. Tie Hane nach den ihr au» maßgebenden Kreisen der Reichsleitung zu.eil gewordenen Informationen guten Grund zu 'die ser Annahme. Allein die bayrische Volk-Partei ließ sich lin krt.ischen Zeitpunkt bekanntlich überhaupt auf kein« Erörterung der demokratischen Vorschläge mehr ein, fvndern trat unter Bruch de» bisherigen Regiecungs- und Koaltltonsprogramms, welches die Behandlung von Verfassungssragen ausschloß, gemeinsam mit der bayri schen S.aatsregierung in ihren bekannten radikalen Vor schlägen einseitig hervor. Tiefes Vorgehen hat die demokratische Landtagssraktton von Anfang an und mit Recht alsynveretnbarmit der Verfassung und al» politisch schädlich angesehen, namentlich auch im Hinblick auf die derzeitig« furchtbare außenpolitische Bedrängnis des deutschen Volke». Wa» nunmehr in Berlin zustande gebracht worden ist, hätte man also zweifellos auch Halben können, ohne vorher einen so gefährlich scharfen Streit mit dem Reich! herbeizuführen. Man hätte dapn manche überaus be dauerliche Erschütterung, welche dieser Konflikt und di« Art und Weise, wie er betrieben wurde, für den Reichsgedanken zur Folge haben mußte, vermieden, ebenso auch die nachteiligen Wirkungen, die in außen politischer Hinsicht für das Ansehen Deutschlands damit verbunden gewesen sind. Aber obwohl die demokrati schen Ratschläge von der neuen bayrischen Regierungs- koalttion geflissentlich nicht beachtet worden sind, wer den sich die Demokraten in Bayern und im ganzen Reich freuen, daß wenigstens das von ihnen erstrebte Ziel er reicht ist. Möge dieser Konflikt der legte seiner Art gewesen sein! Dazu ist eS nötig, daß von Bayern Und vom Reich ein dicker Strich unter die Vergangenheit gezogen wird, und daß etwa künftige Meinungsver schiedenheiten dann lediglich aus dem Wege beidersei tiger vertrauensvoller Verhandlungen ausgeglichen wer den. Tie Not der Zeit erfordert eine nationale Etn- heiiSfront nach außen, einen geschlossenen Willen zur Abwehr brutaler Vergewaltigung im ganzen Volke, und gestattet nicht den geringsten Konflikt mehr zwischen dem.Reich und seinen Teilen. Die Lonäoner Aonserenz in äer Sackgasse. In einer Hava-meldung aus London wird festge- stellt, daß die Londoner Konferenz in einer Sackgasse angelangt ist. Tie Finanzminister und die Sachver ständigen hätten sich über die von. Deutschland zu ver langenden Garantien nicht einigen können. Ihr Bericht stelle die Meinungsverschiedenheiten der verschiedenen Delegationen fest, die sich nicht nur auf die Frage der Kontrolle der staatlichen Bergwerke im Ruhrgebiet und der Staatsforsten auf dem linken Rheinufer erstreckt, sondern auch auf das Programm des Moratoriums selbst. Die englische Auffassung gehe dahin, Deutschland für alle Zahlungen bis Ende 1 9 2 4 einen Zahlungsauf schub zu gewähren, ob es sich um Neparationü- und! Ausgleichszahlungen oder um die Unterhatiungskosten der Kommissionen handele. Italien wolle, daß das Moratortüm sich ntchtübev 1928 hinaus erstrecke? die Franzosen wollten nicht über das Jahr 1922 hinauegehen. Tie Vertreter Frankreichs, Belgiens und Italiens hätten jedoch einstimmig einen Teil der eng lischen Vorschläge zurückgewiesen, welcher die Emission einer internationalen Anleihe aus dem Erträgnisse der 2Iiprvzenügen Abgabe von der deutschen Ausfuhr auf schieben wolle, ohne zu gleicher Zeit das Pro bleich der interalliierten Schulden zu regeln. Die belgischen Sachverständigen hätten sich! der Bewilligung eines langfristigen Moratoriums günstig gezeigt, sie hätten einen neuen Vorschlag unterbreitet, durch welchen ein Moratorium für die Barzahlungen bis Ende des lausenden Jahres gewährt wird, während es jedoch in das Belieben der Reparationskommission gestellt wer den sollte, die zukünftigen Zahlungen Deutsch lands.zu bestimmen, ohne allerdings deren Nni- sang, wie der englische Vorschlag es haben wolle, auf den Ertrag der 26prozentigen Ausfuhrabgabe zu be schränken. Tie Belgier wollten ferner die Repara- Itonskommtssion auffordern, die Grundlagen für eine Anleih« zu finden. Dieser Formel hätten sich die Fran zosen und die italienischen Delegierten nicht »»schließen können, weil die Frage die Regelung der interalliier ten Schulden beiseite lasse. Amerika unä Deutschland Ter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hat au» Anlaß de» VerfassungStageS an den Reichsprü- stdenien folgende» Telegramm gerichtet: Präsident Ebert, Berlin. .Zur Wiederkehr de« Tage» an dem Deutschland die republikanische StaakS- form angenommen hat, bin ich glücklich, Ihnen meine aufrichtigsten guten Wünsche und meine Hoffnung auSzudrücken, daß die große deutsche Republik stetig vorwärts schreite auf den Wegen de» Friedens, die zu einer guten Verständigung, zu Gedeihen und Glück führen. Warren G. Hardi ng. Der Reich-Präsident hat hierauf folgendes erwidert: Präsident Harbins, Washington. Aufrichtig er freut durch Ihr freundliches Gedenken unteres Ber- fassungStagcS bitte ich mit herzlichem Tanke meine Wünsche entgegenzunchmen für da» Wohlergehen der Vereinigten Staaten. Teutschland hofft, daß die glei chen Grundsätze und Ideale unserer gemeinsamen re publikanischen StaEorm Zu einer guten Verständt- uer WM Mnzeiger für das Erzgebirge Nr. WS > ckea w. Kuaust 1922 17. Zahrgemg gung und glücklichen Zukunft unserer BMer führen mögen. , «bert. Ta» Telegramm Harbins!» verdient Vie größte Be achtung. Amerika hat sich bi-fher von allen politischen Fragen des europäischen Kontinent!» fast Überängstlich serngehalien. Seine Staatsmänner haben höchstens hin und wieder sich zu wirtschaftlichen Problemen geäußert. Indem der amerikanische Präsident dem deutschen Reichspräsidenten zur Wiederkehr, des Tages, a,n dem Deutschland die republikanische Staatsform angenom men hat. seine aufrichtigsten guten Wünsche ausdrückt, gibt er zu erkennen, welchen großem Wert man iü Amerika auf ein demokratisch-rePubLikanlsches Deutschland legt, welches allein die Gewähr für einen wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas den Ame rikanern zu bieten scheint. Unsere Monarchisten Haben wiederholt den Anschein zu erwecken gesucht, als vb den angloamerikanischen Völkern die StaatSform in Deutsch land gleichgültig sei. Nur völlige Unkenntnis der inter- nationalen Stimmungen konnte solchem Gerede glau ben, das jetzt durch HardmgS Telegramm für immer zerstört ist. Frankreichs Schanäe. Zn Rußland drohen die Sowjetgewaltigen di« zum Tode verurteilten Sozialrevolutionäre hinzurichten, fall völlig andere Menschen etwas gegen die Bolschewisten herrschaft unternehmen. Tie Rache an Etnzelmenschen für die Vergehen anderer war. immer da» Kennzeichen der Barbarei. ES kann leider katum, noch übvrräschen, daß auch die grande natton danach Zrebl, da» bolsche wistische Niveau zu erreichen. Um seine Forderungen an Deutschland in der Frage de» Ausgleichsverfah rens durchzusetzen, weist Frankreich deutsche Staats angehörige aus dem Elsaß aus. Dabei liegen die Dinge so, daß Deutschland sich nicht etwa weigert, die Ausgleichszahlungen zu leisten, sondern lediglich um Aufschub bittet, weil eS bei dem, katastrophalen Mark- stürz beim besten Willen nicht in ber Lag« ist, Zahlun gen zu leisten. Frankreich hat erst durch feine Rache- und Naubpolitik Deutschland zugrunde gerichtet. Nun dieses nicht mehr zahlen kann,, dergüht es sich an seinen wehrlosen Staatsangehörigen in Elsattz-Lothringen. 500 Ausweisungen sind bereits erfolgt. Tte Au-gkwiestznen gehören großenteils dem Arbeiterstande an. Mit ihren Familienangehörigen zusammen zählen st« 1500 Kvpse. Die Ausweisung weiterer. 500 Deutscher ist an- gekündigt worden. Ta» ist dieselbe Getselpolitik, die die Moskauer Gewalthaber gleichfalls anwenden. In Frankreich hat der Haß und der Imperialismus offen bar Hie Gemüter schon so stark abgestumpft, daß man jedes Gefühl dafür verlor, welche Kulturschande in fol. chen brmalen Praktiken liegt. Uwi die barbarische Wir kung aus die Unglücklichen zu Wäldern, hat da» ReichS- mtntstertum des Innern dafür gesorgt, daß die Aus- gewiesenen vorläufig.in Privatquartieren untergebracht werden. Deutschland muß ihnen jetzt Helsen und wird damit abermals finanziell in Anspruch genommen. Für die Franzosen erwächst also sogar Nachteil au» ihren völkerrechtswidrigen Gebräuchen. Aber man hat in Pa- ris doch wieder das Gefühl, sein Mütchen gekühlt zu haben — wenn auch an völlig unschuldigen und armen Deutschen. GeMnänis äer Scheiäemannr Attentäter. Die vor einer Woche in Althammer bet Kosel ver hafteten beiden Mtglieder der Organisation L, die un ter dem Verdacht, das Attentat quf Scheide mann begangen zu haben, nach Kassel gebrächt worden wären, haben nunmehr in einem mit ihnen vorgenomlnenen Verhör ein umfassendes Geständnis abgelegt. Danach war die Tat gemeinschaftlich verabredet und vorbereitet worden. Tie beiden Täter traten einige Tage vor dem Pfingstsonntag in Kassel ein und nahmen in einer Pension Wohnung. .St« beobachteten den Oberbürgermeister und folgten ihm, al» er am Pfingst tage nach WtlhelmShüh« fuhr^ unauffällig. Im Walde gingen sie dicht hinter ihm her. Oelschläger. der! die treibende Kraft war, trug den Blechbeyülter mcct der Blausäure bet sich, außerdem einen Mehrlaverevol- ver, mit dem gegebenenfalls auf den Oberbürgermeister geschossen werben sollte. Dazu ist es aber nicht ge kommen. Ausgesührt wurde da» Attentat von Hu- stert, welcher dem Oberbürgermeister — wie setner.wit berichtet — die Blausäure ins Gesicht spritzte. Ti« bek den Tä:er flüchteten dann sofort nach der Frankfurter Landstraße zu. Sie übernachteten in einem abgelegenen Torw und begaben sich dann von dort auf Umwegen nach Oberschlesten, wn sie sich al» Waldwärter verding»