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uer Tageblatt Anzeiger für -as Erzgebirge :.7^.r.7r.":'7..'L ^NLt>RL)tk ittk üiRA ^'.'LTLr.'-LL fT4T- VTSV ^'L7"ix'^L Attvsprich - Ul. S3. » » ,L -u^'° »tt,««>»««, »«»«X. e.i.gramm.i rag.dlatt fto,«y-.d»»g«. Enthalt»«- -le amtlichen vekanntmachungen -es Kate» -er Sta-t ua- -es Amtsgerichts M». p»gfiy»ck.gonwi «Mt Lüpz«, Nr. I^s Nr. 1S4 Mittwoch» äen 9. August 1922 N. Jahrgang Das Wichtigste vom Tage. Schweizer Zeitungen berichten, daß Poincare auf Vrund der bisherigen Verhandlungen mit Lloyd George di« zuständigen Paris.er Stellen angewke- sen habe, die Retorsionen gegen Deutschland vorläufig noch auszusetzen. Ter bayrische Ministerpräsident Gras Lercheu- feld ist mit dem Minister des Innern Dir. Schweher und! dem Justizminister Tr. Gärtner gestern abend nach.Berlin abgereist. Ter.Sejm ratifizierte die deutsch-polni schen Ve rträge über dst o berschle st sch en Ko h lengruben und den Staatsbesitz. Chicago Tribüne meidet: Die Vereinigten Sl aalest wollen eine neue Konferenz ei »be rufen und haben durch ihre sterschiedeneu diplonuv- tischen Vertreter von ihrer Absicht KeuutuiS gegeben E» soll eine Art A nt'i du mpingko n sere nz einbe- ruken werden. Der D0klar stand 'heute vormittag ist Ber lin vorbörslich auf 797V»- Prottuktwe Pfänäer. ! (von unserem Berliner Mitarbeiter.) Das erste Zusammentreffen zwischen Polncamd! und Lloyd George war ein 'deutlicher Gradmesser der SP a n nü'ng', die sich zwischen England und! Frankreich herauSgebildet hat. Poincare leistete sich ein selbst für diesen Imperialisten ungewöhnliches De- inagogenstlichchcu. Er spielte sich als die verfolgte Un schuld auf und verflieg sich schließlich zu der Behauptung, daß Frankreich Deutschland 90 Milliarden Frauken vor geschossen habe. Neben den Kriokodifkstränen setzte cs von seiner Seite aber einen so scharfen Ton, daß Lloyd- George verwundert fragen mußte,, ob die Forderungen ! PoincareS ein Ultimatum darstellten. Leider 'hat sich Lloyd George hinsichtlich der finanziellen Dinge auf, einige allgemeine Bemerkungen beschränkt und Poincare. nicht zu Gemüts geführt, wie 'die bisherigen Zahlungen Deutschland schon vollkommen erschöpft haben. Immer hin ist sein Hinweis darauf wertvoll, daß Deutschland schon über 10 Milliarden Goldmark gezahlt habe. Aber, auch diese Angabe bleibt ja ungeheuerlich hinter der Wahrheit zurück. Bekanntlich hat Deutschland auf Grund des FriedenSV-evtrageS und des Waffenstillstan des .Vor'le ist» ngen machen müssen, die von der Ge-, genseitc freilich nicht als Reparationen gerechnet wer-, den. Aber es wäre doch 'notwendig gewesen, .Poincare vor Augen zu führen, daß 'ein völlig ausgep!stud..rieS Deutschland eben nicht mehr leistungsfähig sein kann. Tie Vorleistungen betrugen allein 20 Milliarden Mark, ' selbst die Gegner haben sie auf 12 Milliarden geschätzt. Dabei hat man die Milliardenwerte der Kolonien über haupt nicht Ungerechnet. 'Darüber, hinaus hat nun Deutschland schon wieder 10 Milliarden in Gold ab-, getragen. Dieser Tatbestand ist leider auch in Lloyd ! Georges Gegenrede, nicht festgestellt worden. Immer-' hin war es wertvoll, daß der britische Premierminister Poincare ziemlich brüsk als Schwindler ent larvte, als er auf die völlige Entwaffnung Deutsch lands durch den Friedensvevtrag hinwies. Gerade in dlesein, Punk.e feiert die Verlogenheit der französischen Rrgterungsmänner im Wettbewerb mit ihrer Boulevard presse tagtäglich Orgien. Ten sachNchen Inhalt der französischen 'Forde rung hat Lloyd George in seiner Erwidernngsrede kaum gestreift. Er begnügte sich damit, das Programm des französischen Ministerpräsidenten an einen Sachverstän- digenausschuß zu empfehlen. Hierin haben ihm die üb- r gen Mächevertreter beigepflichtet. In Wahrheit Hor de lt e> sich bet den sieben Forderungen PoincareS gar- uickp um seine eigenen Erkenntnisse, sondern die For derungen sind ausgestellt worden von dein französischen Flnauzminister Lasteyrie, der schon immer bewiesen hat, daß er ein engstirniger, haßerfüllter Kleinbürger, ist. Er war vordeiw Vorsitzender des Finanzausschusses des französischen Senats, als Ftnanznrinister 'hat er sich im wesentlichen begnügt, der Willensvotlstrecker. der französischen Uebernationalisten 'zu sein. Totz aber. Poincare die 'Forderungen politisch vertreten 'hat, »nacht ihn, für sie auch politisch verantwortlich. Malt kann dar- u M mit gutem Recht von einem Programm Poincare sprechen. Sämtliche sieben Forderungen würden den Franzosen nicht einen Goldplenntg. bringen, da die so-, genannten produktiven Pfänder 'ja in. der Hauptsache« nur'au» KoMrollmaßnahMen bestehen. Die Reichs? bank, die Ein« und Ausfuhr, der Devisen handel sowie die Einnahmen aus staatlichen Bergwerken und Wäldern sollen unter Kontrolle gestellt werden. Selbst das Blatt Lloyd Geo.rg.es muß zugeben, daß diese Art der Kontrolle wett über das! hinausgeht, was inan seinerzeit den Türken zugemuret hat. Ihre Durchführung würde die völlige Aufgabe der Wirtfchafts- und Finanzhoheit des Deutschen Reiches bedeuten. Tie dafür einzusetzenden Kommissionen müß ten so ausgedehnt und zahlreich fein, daß abermals un gezählte Milliarden für unproduktive Zwecke draufgLhen würden. Poiuoares produktive Pfänder sind das un produktivste, was man sich volkswirtschaftlich überhaupt ausmalen kann. Es ist darum absolut keine Ueberrrei- bung, wenn der diplomatische Mitarbeiter des Daily Telegraph einen englischen Diplomaten darüber folgen läßt. es wäre nach der Durchführung!, der Pläne Pvjrv careS notwendig, daß der Teufel selbst die Negierung in Berlin übernimmt. Er hätte freilich viel richtiger dar auf Hinweisen können, daß bereits ein Tämon oder Teu fel die Welt regiert. Indem Poincare mit solchen Plä nen vor Fine ernsthafte Konferenz tritt und dort ledig-j ltch Widerspruch in Nebenfragen findet, beug' nian sich diesem teuflischen Geist! Tenn neben den Kontvvllmaß- nahmen will ja Poincare auch noch drei ändere Sachen. Einmal eine Sunde r'verst.euevung der Ruhr kohle zugunsten der Reparationskasse, sowie eine Be teiligung an der deutschen. Industrie durch Vermehrung des 'Aktienkapitals um 26 Prozent und Abtretung dieser neuen Aktien an die Reparativnskoin-- lutssion. Tie Sonderversteuerung der Ruhrkohle müßte die deutsche Volkswirtschaft totwund machen und die Beteiligung von frem-en Regierungen an den deutschen Aktiengesellschaften ist nichts anderes als Kommunismus in anderer Form. Wo bleibt der Schützer des! Prti'at- etgenlultts, als den Poincare den Russen gegenüber sich bisher aufzusptelen beliebte. Am infamsten freilich ist die Forderung der Wiederherstellung einer 'in neren Zollgrenze im besetzten Gebiet östlich der Ruhr. Was diese Zollgrenze Deutschland wirt schaftlich geschadet hat, das drückt sich zuin Teil auch jetzt mit in unserem katastrophalen Geldstan.de aus. Tie Forderungen PoincareS spiegeln unverkennbar den nack ten und 'brutalen Willen »older Deutschland abzmvürgen. Das ist der ganze Sinn der produktiven Pfänder! Zum 11. August. Zum ersten Mal seit Inkrafttreten der Neichsver^ sassung finden sich weite Teile des Volkes zusammen, um in ernster, feierlicher Veranstaltung dem neuen Staat, per Republik und damit sich selbst die höchste Ehre zu eriveisen. Die Ereignisse seit dem 24. JUni haben Millionen deutscher Staatsbürger die Binde der Gleichgül igkeit und Kurzsichtigkeit gegen den neuen Staat von den Augen gerissen. , - Wir alle sind der Staat! Vorbei ist die Zeit, in der ein Einzelner den Staat als sein Eigentum, als sein Werkzeug betrachten konnte Vorbei ist aber auch die Zeit, in der die Massen der Untertanen glaubten, sie brauchten sich nicht um däls Wohl des S aales und der Gesamtheit zu mühen, da zu seien andere da, die dafür bezahlt würben. Ter demokratische Staat ist das, was der Fleiß, die Treue, der Opserwille aller Bürger aus ihm zu machen wissen. Der demokratische Staat steigt oder sinkt je nachdem ans den Sand der lebendigen 'Bürgertugcuden, die in jedem von uns wirksam sind. Ter neue Staat mul, tiefer verankert sein in den 'Herzen seiner Bürger als je eine frühere Staatsform. Weil er um seiner selbst willen bestrebt sein muß, die llntcrtancngesiititilng zu ersetzen durch den staatsbürgerlichen Willen aller, so ist er ans die freudige innere Zustimmung seiner Bür ger angewiesen. Was im alten Polizeistaar durch Furcht durch Zwang und Strafe erreicht wurde: die Einord nung. den Zweck deö Staates, das muß heute das Pflicht- Lefühl des freien Bürgers schassen. Tarin liegt eine der großen Unterschiede zwischen früher und jetzt'. T-cr neue demokratische Staat hat als ein Erbteil viele schweren geistigen und materiellen Lasten über nehmen müssen, soviel, daß er darunter zujammenbre chen müße, wenn er es nicht verstände, nette seelische Kräfte des Wiederaufbaues freizumachen. Die Träger des S.aaieö von ehemals stehen grollend zur Seite, «einzelne von ihnen führen den Mordstahl gegen die Saalsmänner von heute. Erbitterte, haßerfüllte Feinde mit Venen wir vor wenigen Jahren im Kriege lagen, versäumen keine Gelegenheit, die deutsche Republik zu demütigen, ihre berechtigten Interessen zu verletzen ihre Epre zu beschmutzen. Ter Geist der Zwietracht, das uralte deutsche Erbübel, wagt sich wieder hervor und such', in der allgemeinen. Not ein bißchen Selbstsucht und Eigensinn zu retten. Tie große Masse der Staats, bürgcr, in wirtschaftlich glänzenden Zeiten zur politi schen Znterejselosiakeit erzogen, haben allzulange taten ¬ los abseits gestanden, da sie in ihren engsten Privat interessen aufgingen. Fast müssen wir verzagen ange sichts dieses Erbteils, welche» das Schicksal dem neuen Staat in die Wiege gelegt hat. Und dennoch : wir verzagen nicht! Anl BerfassungL- tage soll der Rus durch die Lande gehen: Ermannt Euch ! Ist die Not auch groß und schwer, wir werden sie überwinden! ' ! Wir wollen stärker sein als nnstr Schicksal! ' Wir wollen uns zusammenscharen um das ewige Deut sche Reich, um die Deutsche Republik. Tie Ideen und Ideale der Tewokratie und der freie Persönlichkeit sol len ui»s 'Hinwegtragen über des Tages Last, über die Not unseres Zeitalters: Deutschland mutz leben und wenn wir untergehen! Dieser Schwur soll am Ber- fassungstage aus Millionen Herzen aufsteigen. In die sen». Schwur finden sich zusammen Bürger aller Klassen, aller Stände, jedes Alters, aller Parteien. In der Wei- marer Verfassung ehren »vir da» eigene Werk des deut- j schien Büraers, an dem jeder mitgeholfen Hal. Temü- i tigen Hauptes stehen nur vor 'den guten, dauernden ! Leistungen der Verhangenheit, das Herz voll von dem ! Glaube» an eine neue deutsche 'Zukunft. Wir ehren ! unsere Väter, indem wir die Aufgaben der neuen, de mokratischen Zeit erfüllen! Hoch das deutsche Vaterland! Hoch das einige Deutsche Reich! Hoch die deutsche Republik! Deutsche Demokratische Partei Die Parteileitung. Die bayerische Derhanälungs- grunälage. Ter bayrische Ministerpräsident Gras Lerchen- seid hat sich für die heutigen Verhandlungen in Berlin von seinem Kabinett Richtlinien mitgeben lassen, die in Bayern als NLindestf'orderunaen bezeich ne« werden. Natürlich erschtvert eine solche Bindung auf bestimmte Forderungen die Verständigung, die ohtre- dies sehr schwer sein wird, noch« mehr.- Daß das 'Ziel der Berliner Aussprache die Beseitigung der verfas sungsrechtlich und juristisch unhaltbaren bayrischen Per- ordnung sein muß, wird nachgerade auch in Bayern all- .mählich cingesehen. Aber Graf Lerchenfeld soll für dieses Zugeständnis ganz bestimmt« Zusagen der Reichs? regierung ctnhanoeln und mit zurückdringen- Mau glaubt allen Ernstes in Bayern folgendes herausschlagen zu können: eine Erklärung des Oberreichsanwaltes, daß er die Strafverfolgung der in Bayern begangenen De likte gegen das Reichsschutzgesetz ausnahmslos den bay rischen ordentlichen Gerichten überweisen zu wollen bin dend zusagt; daß der ReichÄmtnister des Innern bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Reichs- und Landes regierung nicht den Staatsgerichtshdf anzurufen, son dern sich bet der Entscheidung der Landesregierung zu beruhigen verspricht? daß die Vollzugsbeamten -des Retchrkriminalpolizeiamtcs nicht unmittelbar sondern nur nach besonderer Vereinbarung in Bayern tätig tver- den; daß die Retchsregierung eine Vcrfafsulzgsänderung im Sinne eines erhöhten Schutzes der Länder gegen Be einträchtigung ihrer staatlichen Rechte etwa dahin zu sag!, daß VersassungSändernirgen künftig erschwert, und daß Schmälerungen der Hvheitsrechte dec Länder nur mit deren Zustimmung beschlossen, werden dürfen. Wenn dies, wie »vir anzunehmen Grund haben, die Verhandlungsgrundlage der bayrischen Delegation in Berlin darstellt, so wird man kaum annehmen dürfen, daß alle Forderungen durchgesetzt werden. Tenn man darf trotz des 'zweifellos vorhandenen guten Ver stört d i g nn g sw i l l e n S beim Rcichspräsidenten und der Neich'sregierung nicht vergessen daß hier auch eine Mitwirkung des Reichstages verlangt wird, die sich bet der einmal vorhandenen Parteieln-' stell» ng kaum finden wird. Ucker manche Einzelheiten der bayrischen Richtlinien wird sich« reden lassen, aber» die restlose Bewilligung ist undenkbar. Bayern hat öS sich selbst zuzuschreiben, wenn infolge seines überstürz ten rücksichtslosen Vorgehens jetzt eine so ernste Lage geschaffen ist. Vielleicht hätte auch di« Reichsregierung selbst nach Verabschiedung der Schutzgcsetze praktisch iwch einiges tun können, um den 'scharfen Konflikt 'zu ver meiden. Tie bayrischen Demokraten haben die Wege dazu unermüdlich gewiesen. Run mutz man durch 'bei derseitiges Nachbeben die verfahrene Lage wieder zu recht rücken. Dabei wird sich Herausstellen, daß schließ lich tte Vorschläge der bayrischen Teinokraien auch jetzt noch leichter zur Einigung führen als die verfassungs rechtliche Politik, die die bayrische Volkspartei und,die dcutschnationale bayrische Mittelpartei verfolgen. Wenn deren Lraane jetzt schon triumphierend darauf Hinweisen, daß ihre Politik der Stärks gesiegt hab«, so eilen sie nicht nur den Tatsacken bedenklich dvrauS, sondern sie