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^uer Tageblatt 17. Jahrgang Mittwoch, äen S. Juli ISS2 Nr. 1S4 -------- AnHeiaer für öas Erzgebirge MZZZ v^E^r°g?dl"'>E,s,b^ Enthalten- -le amtlichen Sekanntmachungen -es Notes -er Sta-t un- -e» -lmt-gerlcht, 5«». pestw'-.-me, stm, e„„i, n». i«, Das Wichtigste vom Tage. Bet den gestrigen Kundgebungen kam es itmmcherort» zu Zusammenstößen, zu sehr schwe ren z. B. in Zwickau, wo man von 15 Toten und »8 Verletzten spricht. ! In Berlin lagen wieder Gerüchte von einer AusvufuUg der Monarch-ie in Bapcrn vor. An amtlicher Steile wird sestgestelit. das, diese Ge rüchte auf Erfindungen beruhen. In München herrscht Rühe. L Der Berliner Vertreter des Tatst) Telegraph teilt < mit, das, die Garantiekomtnisston mit der deut« ! sch en Regierung in allen Fragen, die sich mit den Garantien gegen die Kapitalflucht befas sen, eine Verständigung erzielt habe i ° Nach dem jetzt veröffentlichten fr a n z ü s i l.ch - t sch e-' chischen Gehetmvertrag übernimmt eine sran-^ zösische Militär Mission auf 10 Jahre diej gesamte Leitung der tschechoslowakischen^ Wehrmacht. > Vor schweren Cntscheillungen. (Informationen unseres parlamentarischen Mitarbeiters.) Die innerpolitische Lage war auch am gestrigen i Dienstag andauernd gespannt. Für die Reichshaupt-! stadt wurde die Spannung noch erheblich gesteigert durch! das Nichterscheinen der gesamten Berliner Presse. Tolle Gerüchte wurden immer aufs neue aufgebracht und ver- > breitet. In Bayern soll die Monarchie auoqerufen, in Mannheim das Gewerkschaftshaus in die Luft gesprengt, ' in Berlin der Reichswehrminister Geßler zucüügetreten sein. In ernsthaften politischen Kreisen begegneten alle diese Gerüchte von vornherein einem gefunden Miß trauen. Immerhin gab man sich über den Ernst der augenblicklichen Lage keiner Täuschung hin. Zwar sah man dem Verlauf der sozialistischen Strei kdemon- strationen zum Schutze der Republikvon vorn herein insofern vertrauensvoll entgegen, als- gröbliche Ausschreitungen angesichts der getroffenen Vorsichtsmaß--! regeln der Veranstalter und der Polizei nicht befürchtet wurden. Trotzdem wurde diese leere, zwecklose Demon stration in allen nichtsozialistischen Kreisen stark ver-' urteilt. Wie wenig sie positiv zur Sicherung und! Stärkung der Republik beiträgt, erlebte man an einem kleinen, aber sehr bezeichnenden Vorgang. Zur Stunde des Beginns trat der Betriebsrat der Retchsdruckerei schleunigst zusammen, um Beschluß darüber zu fassen, ob man sich an der Demonstration pünktlich und programm mäßig beteiligen oder vorher noch den Muck des Gesetz entwurfes zum Schutz der Republik fertigste llen solle, damit er rechtzeitig am Tic ns lüg. abend im Reichstag m st geteilt und am Mittwoch zur, Beratung.gestellt wer den Mntel Mi« großer Spannung sieht man dem Ergebnis der Verhandlungen über den Eintritt der U.S.P.D. in die Regierung entgegen. EL ist klar, daß die ser Eintritt, wenn er zur Tatsache werden sollte, aüf die wettere innenpolitische und außenpolitische Entwick lung Deutschlands von größter Bedeutung.sein müßte. Einstweilen liegt der Abschluß dieser Verhandlungen aber noch nicht greifbar vor. Man weiß nur, daß zwi schen den Mehrheitssozialdemokraten, den Unabhängigen und den Gewerkschaften sozialistischer Richtung die Ein zelheiten einer Einigung lebhaft und ernstlich besprochen werden. Die Sache wird erst spruchreif, wenn man die Bedingungen kennt, auf die sich diese drei Linkögruppeni geeinigt haben sollten.' Me MehrheitSsoztaldemokraten haben ja bekanntlich den Eintritt der Deutschen Volks partei in die RegterungSkoalition an eine ganze Reitze von Voraussetzungen geknüpft. Man kann nicht anneh men, daß sie jetzt den «Eintritt der U.S.P.Tt. in die Regierung bedingungslos zugestehen würden. Aber selbst wenn auf der Linken volle Einigkeit erzielt würde, müß ten erst die Verhandlungen mit den n ich tspkta.lt sti- schsn Regierungsparteien beginnen. Diese kön nen vorher naturgemäß überhaupt keine Stellung zu der hochpolitischen Frage nehmen. Die Demokraten insbesondere haben alle Ursache, al» kleinste der Regie rungsparteien Zurückhaltung, zu üben, Zuerst wird Äso das Zentrum vor die Entscheidung gestellt werden. Daneben dürste aber auch die Deutsche Bolk » par - tet, ausgefordert oder unaufgefordert, alle Ursache ha ben. sich bei der Gelegenheit wieder einmal klar zu ma chen ob sie bei einer so erheblichen Verstärkung der Linken, wie es die Einbeziehung!. der U.S.P.D«. in diel RegierungSkoalttion bedeuten würde, in ihrer bisherigen PolM der Halbheiten beharren kann. Da- vaterländi- schr Interesse und der von der Deutschen Volkspartei ver tretene Wähler erfordert gleichmäßig die ernste Prüfung der Frage, ob die einseitige Verstärkung der Linken durch die U.S.P.M mit verstärkte« Abneigung .gegen einen Wiedereintritt der Volkspartei beantwortet werden kann. Natürlich hängt mit diesen Entscheidungen die Aus gestaltung und das Schicksal des, Ge se tze n tw urfes zum Schutz der Republik aufs engste zusammen. Schon die Tatsache, daß die Abstimmung über diesen Gesetzentwurf eine Zweibrittel-Mehvhett erfordert, be weist rein äußerlich diesen Zusammenhang. Auch hier kommt, man also vorläufig nicht schnell vorwärts. Um so weniger, als der lebhafte Wtderspruch.Bayerns und einer nicht unbeträchtlichen Zahl von preußischen Provinzvertretern im Reichsrat gegen das Gesetz große Schwierigkeiten für seine endgültige Verabschiedung vor aussehen läßt. Die Stellungnahme der Demokraten zu dem Gesetzentwurf ist aus den verschiedensten Erklä rungen der Parleileitung, der Fraktion und der berufe nen deinokra ischen Organisationen im Lande gegeben: Alles für den Schutz und die Sicherung der Republik! Aber keine Republik der Linken, sondern deS gesam ten Volkes! Und deshalb kein Gesetz, das sich ein seitig nur gegen rechts oder nur gegen links richtev, sondern das gleichmäßig jede Bedrohung dec Republik, woher sie auch immer komme, unter Strafe stellt. Tas entspricht nicht nur demokratischer Auffassung, sondern auch den primitivsten Rechtsgrundsätzen. Daß im übri gen das Gesetz mit größter Sorgfalt in allen Einzelhei ten ausgearbeitet werden muß, und daß eine zeitliche Begrenzung eines solchen Gesetzes, wie sie auch .im Reichsrai beschlossen worden ist, wünschenswert rst, er scheint selbstverständlich. Aus alledem ergibt sich..daß dis nächsten Tage noch voll, angefüllt sein werden mit parteipolitischen und interfraktionellen Besprechungen und mii eingehenden AuSschußverhandlungen über das Schutzgesctz. Alan kann nur wünschen, daß diese Ver handlungen in demokratischem Geist geführt wer den, damit sie ihrem Zweck Ehre machen und zu dem Ziel führen, das die republikanisch gesinnte Mehrheit deS deutschen Volkes für notwendig und unerläßlich hält. französische Uebergrisse in Oberschlesien. Wilde Schiebereien der abfahrendey Truppen. Wie bereits gemeldet, entstand am Sonntag abend im Gleiwitzer Stadtteil Petersdorf eine Schießerei. Tie ab fahrenden Franzosen gaben Feuer aus Gewehren und Maschinengewehren. Dabei wurden ein Lokomotivfüh rer, ein Schlosser und ein Arbeiter schwer verletzt, .so wie ein Arbeiter getütet. Ein Trauerzug wurde von Franzosen beschossen, wobei dec Leichenwagen und der Sarg schwer beschädigt wurden. Auf der Strecke Laband wurden zwei Schaffner tot aufgesunden. Sie waren von Franzosen erschossen und aus dem Zuge ge worfen worden. Während der Sonntag .im allgemei nen ruhig verlaufen ist, kam es am Abend des Montags an der Verladerampe beim Abzug der Franzosen im Stadtteil Petersdorf zu einigen Schießereien der Franzosen, bet denen einzelne Personen'verletzt wur-j den. Ter über Gletwitz verhängte Belagerungszustand und die Zensur werden nicht mehr aufrechrerbalten. Flaggenwechsel in Beuthen und Gleirvitz- Montag vormittag 10 Uhr holten die Engländer die drei Fahnen der Alliierten nieder, wobei eine englische Kompagnie Präsentierte. Darauf wurde die schwarzrot goldene Reichsflagge gehißt. Auch.hierbei präsentierten die Engländer, während die ausländischen Offiziere div Ehrenbezeugung erwiesen. Tie nach vielen Tausenden zählende Menge brach in begeisterte Hochrufe aus. Ober- bürgermeister M. Stephan richtete an die Bevölkerung eine kurze Ansprache, die ,m ein Hoch auf das deutsche Vaterland ausklang. Nach dem Gesang des Liedes: Deutschland, Deutschland über alle» - grüßte der Ver- troter de» Landkreise» Beuchen die Fahne und brachte ein dreifaches Hoch auf die oberschlestsche Heimat und da» deutsche Vaterland ans. Nasch der Feier verließen die Vertreter der Interalliierten Kommission Nnd der Nest der englischen BesatzungStruPpen die Stadt. Me Bevölkerung ist in gehobener Stimmung. Me Häuser tragen reichen Flaggenschimuck. In Gletwitz fand der Fiaggenwechsel tn schltchter Wetse statt. Inter- «.liierte Truppen waren nicht aufgeboten. An der Feier nahmen giur Vertreter der städtischen Behörden und Mitglieder der Interalliierten Kommission teil. Die letzten B«satzung»trüppen verließen nach der Uebergab« die Stadt. Unter der Bevölkerung herrscht Jubel. Verbotene Verbänäe unä geitungen. Der Preußische Minister des Innern hat auf Grund der Verordnung zum Schutze der Republik den Bund der Aufrechten mit allen seinen Landesverbänden, Bezirks, und Ortsgruppen aufgelöst, ebenso sämtliche in Preußen bestehenden Gruppen des Teutschvülkischen Schutz« und Trutzbundes, Sitz Hamburg. Eben falls aufgelöst wurde für den Bereich der Provinz Nic- derschlesien der Tvutschvölkische Schutz- und Trutzbund, ferner dessen Jugendgruppe, die Teutschsoziale Partei mit allen Untergruppen, und der Hochschulring deutscher Art. Die. Auflösung des HochschuIrinaeS erfolgte auf Grund polizeilicher Ermittlungen, die ergaben, daß er zur Teilnahme an militärischen Geheimorgantsationcn aufforderte. Ter Auflösung verfielen ferner im Bereich der Provinz Sachsen die Organisationen Stahlhelm und Bund der Frontsoldaten. — Gegen Polizei rat M e n g in Mannheim, der beschuldigt wird, im Dienst die Reichs sah ne als Judenfahne bezeichnet zu haben, ist xin Disziplinarverfahren eingelettet worden. Meng ist jn.zwischen des Tienstes enthoben. Ferner wurden drei Studenten wegen ihren Verhaltens-am Tau/ der Ermordung Rathenaus verhckstet. s Ter Kreis an zeiger in Gardelegen ist vom 4. bis 24. Juli verboten worden, desgleichen die Mit teldeutsche Presse in Stuttgart. Die Ausgabe der Frankfurter Nachrichten vom 1. Juli ist wegen ' eines Artikels mit der. Ueberschrift: Darmstädter Vor- gänge — verboten worden. Me Hamburger Warte ist auf sechs Monate verboten worden; sie hat dagegen Beschwerde e'.ngereicht. Grobe politische Debatte im sächsischen Lanätag. Ter gestrigen Sitzung, die vor allen Dingen der Besprechung der RegierungSerklärung.galt, wohnte auch der aus dem Urlaub zurückgekehrtS Mini sterpräsident Bück bei. Präsident Fräßdorf schlug vor, mit der Regierungserklärung zugleich auch die An frage der Teutschnationalen und der Volkspartei wegen de? Terrorakte in der Lausitz sowie einige kommunistische Anfragen zu behandeln. Weiter teilt er mit, daß wegen der Demonstrationen die Landtagssitzung von 2 bi» 4 Uhr ausgesetzt werden solle. Abg. Wirth (Soz.) gab darauf namens seiner Fraktion die Erklärung ab daß sie mit der Erklärung Und den Maßnahmen der sächsi schen und Reichsregierung einverstanden sei. Diese Maßnahmen dürften aber nicht «nur auf dem Papier stehen bleiben, sondern sie müßten aüch durch geführt wer. den. Abg. Beutler (Deutsch«.) Seine Partei verur teile den Nathenau-Mord ohne jeden Vorbehalt. ESj könne aber nicht scharf genug verurteilt werden, daß man die Mordtat heute zu einer Hetze gegen attis benutz«!, das sich national nennt. Zur Erklärung des Ministers Lipinski stellt der Redner« fest, daß Beweise, für die in der Erklärung aufgestellten Behauptungen nicht erbracht seien. Abg. Dr. Niethammer (D. BP.) verurteilte den Mord an Rachenaü nicht nur an- Potttischen, son dern aus sittlichen und religiösen Gründen. Sejine Partei sei bereit, mitzuarbeiten, solche Untaten für die Zukunft unmöglich zu machen. Aber die Niederhaltung der poliischen Bewegungsfreiheit müßte sie verwerfen, ebenso die Unterdrückung der Presse. Tie Demonstra tionen und ihre Ausschreitungen müsse man entschieden verurteilen. Die kommunistischen Anträge lehne seine Partei ab. Ministerpräsident Bnck bezeichnete die Maßnahmen der Regierung al» eine Staat sn otwendigtett. Die Rebe tzelsferich» habe bei kleinen Leuten die Ueberzeugung geweckt, daß einzelne Personen in der Regierung Schuld an unserem Elend tragen. Ter Ministerpräsident sprach dann über die Folgen des Krieges und erklärte, daß e» den Ortza-, nisationen, die die Demonstrationen arrangieren, zu danken sei, daß sie diese in so ruhigen Bahnen gehal ten haben, gegenüber den Leuten von recht» sei die Re gierung zu nachsichtig gewesen, weil sie habe moralische Erleich.erungen machen wollen. Wir müßten a>-r Welt zeigen, daß wir da- friedliebende deutsche Volk sind, dann würden auch einmal die Reparationen vermindert werden. l i >« ' i . > j , I l,' Abg. Müller (Unabh.) erklärte, daß die Maßnah. nahmen der Regierung seiner Partei nicht wetr genug gingen.-Hierauf wurde die Sitzung auf zwei Stunden unterbrochen. Nach Wiedereröffnung der Sitzung sprach Abg, Sievert» <Kom ). Er behauptet, daß nicht nur der.Mord an Rathenaü, sondern auch die Mord« an