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)luer Tageblatt /lnZeigLr für Sas Erzgebirge Nr. 7S Mittwoch, äen 2S. März IS22 17. Jahrgang MM- Anzeiger für Sas Erzgebirge MW ternfprrch. ^nfthluS Nr. «. n.»«n. Lrtrgramm»! «asibiatt ftu-mowgo. Eathaltra- -1, amkNchrv Sr-anatmachongen -es Kates -er Stadt «n- -es Amtsgericht» -we. poflschrck.xonto, ftmk Leipzig n». Das Wichtigste vom Tage. Die gestrige Regi«runtz»«rklärun» de» Reichskanzler» im Reichstag« fetzte den unmög lichen Bedingungen und Zumutungen der Reparation»not, ein Unannehmbar entgegen. O Graf B«Ihlen entwickelt» da» Programm der neuen ungarischen Regt«rung»part«i', da» tn der Zusammenfassung aller vaterländi schen Kräfte gipfelt. Professor Gin sie in ist gestern in Part» «in- getrof fen. » Exkaiser Karl ist in Funchal an einer schw«. ren Lungenentzündung erkrankt. Demokratie unä Irauenpolitik. Don Frau Ministerialrat Dr. Gertrud Vänmer, M. d R. Tie Demokratie ist eine von den Schwachen ge- 'o'derte Siacnsiorm. deren eigentlicher Sinn darin be geht, den Mißbrauch der politischen Macht gegen die Schwaben zu verhüten. Vie au» irgendwelchen Grün- den Mächtigen brauchen di« Demokratie nicht und be- kämpten sie. Denn Demokratie ist «in Mittel, durch Der tetlung der politischen Rechte Gerechtigkeit zu schaffen. Unrecht leiden nur, die sich nicht wehren können. In dielen wenigen Sähen ist schon grundsätzlich alle» ent- Halren, wa» die grauen mit der Temokratte verbindet Sre ist die einzige Staat-form, die ihnen Nusstch gibt, im Bolksganzen zu ihrem Recht zu komnien. Viele Frauen sind der Meinung, daß sie solche po litischen Mittel nicht brauchen, damit ihnen Gerechtig keit werde. Da- sind meist di« Frauen, die versönlic! in vollem Umfange im Schutz der Familie stehen, al- Ehefrauen oder Töchter. Sie rümpfen die Nase übe die Frauenrechtlerinnen — die Frauen, die für si<t und ander« (meist viel mehr für andere al» für stä- selbst) um Gerechtigkeit gekämpft haben. G» ist psycho logisch begreiflich, datz Frauen, die irgendwie im Schul; der Liebe ihrer Angehörigen geborgen sind, den Rechts kEpf nicht verstehen und ein Widerstreben dagegen füh len. Sie erleben di« Ungerechtigkeit nicht unmittel bar Es liegt in der Natur der Sache, daß im persön lichen Verhältnis von Mann und Frau der Macht- und RcchtSgedanke zurücktritt. Wo aber Mann und Frar einander als Geschlecht, gewissermaßen al» soziale Klas> sen gegenüberstehen, da gilt in hohem Maße — und- ganz besonder» heute! — da» Machtprinziv. Der Stärkere schlägt die Schwächer« in der beruflichen Kon kurrenz; Gesetze tragen dem Interesse oe» ^stärkeren Rechnung, die von ihm beeinflußte Rechtsordnung ist in vielen Punkten ungerecht gegen die Frauen. Da» Fa- mtlienrecht, dq» Strafgesetz, die gesetzliche Regelung der Prostitution sind einseitig durch dq» Interesse de» Man ne» geprägt. Dq» ist heut« ziemlich allgemein anerkannt, auch von Leuten, di« Jahrzehnt« lang d«n allen Rechte zustand verteidigt haben. G» ist fabelhaft, welche Fort schritte in dieser Beziehung z. v- da» Zentrum ge macht hat. Seit der Nationalversammlung ist in raschem Fortschritt ein Stück Unrecht gegen di« grauen nach dem andern au» dem bestehenden Recht herauSgebro- chen: mrs der Grundlage der allgemeinen staatsbürger lichen Gleichberechtigung ist in zahlreichen Gesetzen be stehendes Unrecht gegen di« Frauen beseitigt r bei den. Berufswahlgesehen, in dem Gesetz für die religiös« Kindererziehung, (in dem da» Recht der Mutier er weitert wurde), in der Besoldungsordnung, in der Rechtsstellung der Beamtinnen usw. usw. Diese Umge staltung der gesamten Rechtsstellung der Frau ist nicht* andere» al» der Sieg de» demokratischen StaarSgedan- ken». Niemand ander» al» di« demokratisch« Ide« war di« siegreich« Vorkämpferin der Frquenrecht«. Die Frauen selbst waren ei« zu gertng« Macht, di« Män ner, Gegner von gestern und vorgestern, beschritten den Weg Mm groben Teil nur, well st» meinten, nicht an ders zu können. Vies« Unterwerfung widerstrebender durch den politischen Gerechttgk«tt»gedank«n geht ja bi» wett in die Rechtspartei»« himst». «per di» Frau,» sollen sich nicht täuschen. Schon regt sich im deutsch, nationalen Sager ein» kräftig« Reaktion gegen di» Er rungenschaften der Frauen in den letzten Jahren. Wan braucht nur die konservative Presse zu verfolgen. Mi» mündet in der Stellungnahme zu den Frauenrechten wieder in die alten Gleis». Schützer de» Errungenen für die Frau«,» werden nur klar« demokratische U«b«rz«ugungen sein, Partei», die Mr die «erechttgkeit schlechthin kämpfen, viel« Frauen behaupten, daß ihnen an Rechten nicht» liegt. Sie sind gleichgültig gegen die GleichperaPtHung der Ivanen. Da» dauert so lange, bi» ihnen selbst Unrecht geschieht. Dann verstehen sie den Sinn de» Kampfe». Wir wollen un» nüchtern sagen, daß die wirtschaftliche Not unsere» Volkes einen immer rücksichtsloseren Daseinskampf brin gen wird, in dem die Frauen e» sehr schwer haben wer den. Sie werden den Schutz der Gerechtigkeit brau chen, w«tl st» di« Schwächeren sind. Darum sollten sie ihren Einfluß al» Bürgerinnen dafür etnsehen, datz der demokratische Gedanke sein« Kraft behäli und stärkt. Sie haben nur zu verlieren, wenn er durch den Klas sengedanken von rechts oder von link» abgelöst wird. Ter oberflächlichen Betrachtung ist da» vielleicht nicht klar; aber dis Frauen sollten so weit denken um dw» einzusehen. > Die Reparationsnote im Reichstage. Das Unannehmbar -es Reichskanzlers. Um 2.20 Uh» eröffnet« Reichstagspräsident Löb« die gestrig« Sitzung d«A Reichstage». Ter Sitzungssaal weist nur wenige Lücken i»uf, auch» di« Tribünen sind, wie immer an großen Tagen. ÜberMllt. Während der Schriftführer die Eingänge verliest, betritt Reichskanz ler Tr. Wirth den Saal und nimmt den pewyhnren Platz auf der Regierungsbank vtn, neben ihm Vize kanzler Bauer. Darauf folgt Außenminister Dr. Ar th« n au, der zum ersten Male seit seiner Ernennung den Beratungen de» Hauses auf der RegterungSbanll beiwohnt. Nach einigen Minuten erteilt der Präsiden' dem Reichskanzler datz Wort. Lieser spricht von de- Tribüne au» unter atemloser Mill« de» Hause». E knüpft an di« Beratungen de» Steuerkompromisse» ar di« in den letzten Tagen di« Verhandlungen de» Reichl tage» aüsgefüllt haben. Di« vierzig Steuergesetze, di durch da» Steuerkompromiß verbunden waren, seien unter Würdigung der inneren und äußeren Lage vm der Regierung eingebracht worden. Die Parteien, di da» Kompromiß von links und recht» stützten, haben die unter Zurückstellung ihrer politischen und teilweise am ihrer wirtschaftlichen Interessen getan. Durch die Ein beziehung der ZwangSanleih« in da» Kompromiß ist der Regierung «in« Einnahme im Werte von eine.' Goldmilltard« geschaffen worden. Di» ReichSrsgierun;, und die vier Parteien, die da» Kompromiß schlossen, haben die» in der Hoffnung getan, dadurch di« aus wärtig« Politik zu stützen und di« Repqrationsfrage so zu lösen, dqß -wischen der wirtschaftlichen Leistungs fähigkeit des Reiches und den astferlegten Lasten ein vernünftiger Ausgleich gefunden werde. In diesem Zu sammenhänge hat man in Deutschland da» Steuerkom - promttz und die neuen Steuern betrachtet. Die» allen war das treibende Element, da» die widerstrebender Parteien zusammengebracht hat. Da» Steuerkompromiß wurde dadurch zu einem integrierende: Teil der auswärtigen Politik, und man mutz da die Folgerung ziehen, datz wenn ec von innen oder außen gestört würde, damit die aus, wärtige Politik der Regierung in Frage gestellt würde Diese Störung, di« von innen nicht mehr zu besürch t«n war. nachdem die Tteuervoriagen in zweiier Lesum vom Reichstag angenommen worden waren, ist in de: Tat von außen erfolgt durch di« Not«, die di ReparattonSkommisston am 21. März an di« Regierun, -«richtet hat, und durch da» Schreiben von demselbei Tag« an den Reichskanzler. Diese beiden Mttteilungei sind e», di« di« Regierung veranlaßten, heut« mit einer Erklärung vor da» Parlament zu treten- Der Kanzler gab dann einen Rückblick auf die bis herigen Verhandlungen über die ZaWungSerletchteruns und hob u. a. hervor: Unser Stundung» ge such vom 14. Dezember wa di« Folge jene» Schrittes, den wir bei der Bank von England unternommen batten, um für die Barzahlung für Januar und Februar, die wir nicht au» eigenen Mitteln leisten konn ten, Kredite zu erhalten, und der erfolglos blieb, weil di? Bank von England erklärte, sie könne Deutschland keinen Kre dit gewähren, solange e» unter den unerfüllbaren Zahlungs bedingungen de» Londoner Ultimatum» stehe. Ueber Rathenau» Verhandlungen in London und Tanne» kam er dann auf den Amtsantritt PotncareS zu sprechen, ein Ereignt», dessen ganz« Bedeutung für diese ganz« tragische Epoche niemand ermessen kann. Di« un- mittelbckre Folg« war di« Verweisung unsere» Stun dungsgesuche» an die ReparattonSkommlsston deren -lot« jetzt vvrllegt. Di« Entscheidung wär« endgültig, penn di« un» zugemuteten neuen Verpflichtungen erfüllt and di« Fristen eingehakten worden konnten. Da diese Bedingungen aber nicht zu treffen, muß sie noch «in- mall überprüft werden. E» folgt die Inhaltsangabe der beiden Sntentenoten. Der Kanzler zählt ein« Reihe von Bestimmungen auf, di« an sich nicht zu einer aktuellen politischen Verwick lung geführt hätten, alber die Frist de» 81. Mat zeig«, daß di« bi» dahin skizzierten Forderungen nur vorläu- stg« G«ltvna halben und an »in» Reih« von schweren Bedingungen geknüpft sind. Der Reichskanzler fährt fort; Ich kann in dem Verfahren der Reparation»- kommifston «ine pWätttztze Lyll nicht m-rutzm. Vsu. wir Deutschen auf Grund stach gewiesener, LetstungSUn- sähtgkeit ein Moratorium erbeten haben, la ist «B un logisch,, am 31. Mat über diese anerkannte Tatsache unserer Zahlungunfähigkeit einfach hinwegzugehen und neue Forderungen zu steh len, die nicht erfüllt werden können, Aber ich will mich bei diesem inneren Widersprach nicht lang« aufhalterz, sondern mich dem Shreiben an den Reichskanzler -u- wenden, in dem die Bedingungen festgestellt werden, in denen die Tatsache der neuen Erschwerung liegt. In diesem Brief, der überaus schroff gehalten ist. stellt di» Neparationskommtsston zwei Bedingungen, di« in «rster Reihe erwähnt werden sollen; nach der, einen soll «ine neu« Steuerbelastung von 60 Milliarden auferlegt werden, nach der anderen sollen bi» -um 81. Viat die Steuergesetze eingebrachit sein, und au» dies«» sollen bis Ende dieses Jahve» 40 Milliarden fließen^ Vor allen weiteren Betrachtungen mutz ich im Namen der Regierung kurz, bestimmt und eindeutig sagen, datz die» eine völlig unmögliche Bedingung und ein» unmögliche Zu mutung ist. (Beifall im ganzen Hause.) Rein sachlich, sagt« der Reichskanzler, möchte ich sepstellen, baß e» niemand dr diesem Hause geben dürfte, der im Ernst die Erfüllung sol cher Bedingungen für möglich hält. Da» direkte Steuer system in Deutschland ist ausgebaut wie in keinem anderen Lande der Welt. Auch die indirekte Steuerbelastung ist außer ordentlich hoch. Ich bin gerne bereit, in eine sachliche Aus- einandersetzung über die Steuerbelastung de» deutschen Vol ke» im Vergleich mit den anderen Staaten einzutreten. Dvr Reichskanzler wie» dann auf di« Unsichtbare Belastung de» deutschen Volle» hin. die weder der Reichskasse noch der Reparation zu gute komme: Dq» sei die Valutaverschlechterung und die damit verbundene Verschleuderung deutscher Waren ins Ausland, die zum völligen Ruin der deut schen Wirtschaft führen müsse. ES ist so gänzlich un möglich, Quellen zu finden, au» denen 60 Milliarden neuer Steuern geschöpft werden könnten. Wenn von der anderen Sette darauf bingewiesen wird, datz wir unser Steuersystem elastischer gestalten sollen, so sei dem entgegenzuhalten, daß das deutsch« Steuersystem bereits elastisch genug gestaltet sei und fetzt nach.dem Stande de» Geldwertes auch normale Gelderträge nicht bringen könne. Nur sei damit freilich wenig gewönne«. Tie Note der RepqrattonSkommisston habe all« Ziffer« unseres Haushalte» wieder in Frage gestellt. Sie habe sofort die Wirkung gehabt, daß her Geldwert voer neuem außerordentlich gesunken und dement sprechend dies Defizit de» Reiche» gestiegen sei. Dip Gewaltpolitik schlage auch in der ReparationSfrage und gerade in ihr zum Schaden der ganzen Welt, also auch zum eigenen Nachteil der Entente au». Gewiß muß unser Steuersystem einmal abgeändert und auch ergänzt werden. Aber e» ist doch unmöglich!, in dem Augenblick, wo ein komplizierte» Steuersystem d«n augenblicklichen Wirtschaftsstand« Deutsch land» angepaßt worden ist, alte» wieder aus dem Gleichgewicht zu wer fen, indem man neue Steuern von ungeheuerlicher Höh« etnführt. Der mit den Kontrollmaßnahmen un» zugemutete Eingriff in die deutschen HoheitSrrcht» ist /in Eingriff in da» Selbstbestimmung-recht uns««» Volke», gegen den wir di« schärfst« Verwahrung «in- legen. (Lebhafter Beifall.) Wir haben schon genug trübe Wahrnehmungen mit den Kontrollkommissionen gemacht. (Gehr wahr!) Wir können nicht damit Ein verstanden sein, datz diese» schikanöse, zänzlich unpro duktive Kontrollsystem noch Wetter ausgedehnt wird. (Lebhafter Beifall.) Da» ist ein« Zumutung, der sich keine deutsch« Regierung im Interesse unsere» verarm ten und notleidenden Volke» unterwerfen kann. (Etär- mtscher Beifall.) Eine Steuerkontroller di« kdev die bisherige Aufsicht tn der Reparationskommtsston htnauSgeht, und die Bedingung, Steuern in bestimmter Höhe zu erlassen, können wir ntemal-an erkennen. (Lebhafter Beifall.) G» ist unmöglich, für «inen demo kratisch«« Staat, die Sätze und v«rordnung«n zu ey» lassen, di» sie, «ine fremd« Kommission, jeweil» von ihm verlangt. Di« Staalßgcundlag« würde dadurch er» schütter« uad unsvä-en worden. Gtetzh noch de»