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Mer Tageblatt Anzeiger für öas Erzgebirge 17. Jahrgang Nr. SS Dienstag, cken 7. März 1S22 P-UO-II« für »«z«I,»n au, H«, ««» ..hm.« .1. M-M «W ^L^ULII/^F «KW«' Hk L'^LL^I^LL UM L5 umo.a.n»,.»» m°„, a«.»,r.„. ß»rnfpk»ch - ftnschlu» Nr. LZ. schMss.n .«tspr.».«»..«-»,». L»l«s»amm«, «ag.biatt ^Uttrzo.bikg,. Enthalten- -le amtlichen vekanntmachungen -es Nates -er Sta-t UN- -es Amtsgerichts Aue. poflschrck.gonto r Nmt L.ipzig Nr. 1»»» Das Wichtigste vom Tage. DK Reich'S regier ung hat die für den 8. M ä r z fällige Ratenzahlung von 31 Millionen Goldmark gestern der Reparatjonskoinmiiston zur VerfAguNg stellen lassen. Auch für die a m 1 8. März zu Zahlende siebente 'Rate ist die Reichs- regierung bereits im Besitze deverforder- tichen Devisenbeträge. Ter Reichskanzler.'Hai den Führern der Re gierungsparteien Richtlinien für die ,! mang Sa n le i h e überreicht. Diese Richtlinien wer- hon nunmehr in den 'Fraktionell, besprochen und anrchbe raten werden. Am heutigen Dienstag weiden anher dem Reichs präsidenten Ebert auch die Relchsniinister Küster, Schmidt, Grüner, Bauer und vielleicht auch Ra- Henau die Leipziger Messe besuchen. Kapp will sich angeblich selbst den, Reichs gericht stellen, wenn ihm freies Geleit und Befreiung von der Untersuchungshaft ge währleistet wird. Marschall Foch hat mit dem Ministerpräsidenten IPoincare eine Bespre ch u n g über die K v n > r o ll- uahnahmen in Deittschland gehabt. Dor neuen schweren Entscheidungen. (v»n «nsrrml parlam«M«stchen Mitnrbeiter.) Nichts kennzeichnet die verzwetselte onstenpolitischr und innenpolitische Notlage, In der sich Deutschland an- dauernd befindet, deutlicher und schärfer, als dle immer ailfö neue anftauchenden Krisen und schwerwiegenden Entscheidungen, vor die sich ReichSregieruug und Reichs- ag gestellt sehen. In dieser Woche soll auf dringenden Wunsch des Reichskanzlers das 'S t e u e r k o m pro in i ß endlich unter Dach und 'Fach gebracht werden. Lbwvbj bet den einzelnen Steuergesetzeu noch recht schwierige Beratungen notwendig sind, um 'in allen Punkten eine vollkommene Einigung der Parteien der Mitte zu er- üelen, soll also wieder einmal unter Hochdruck, mit der ilhr in der Hand, gearbeitet werden. Gew in kann man eö verstehen, dast der Reichskanzler vor den bedeutsamen Konscreuzen der Finanzminister der Entente, vor den Entscheidungen der Reparativnskoininission über die Zahlungen Deutschland« im lausenden Ialr nud vor den Vorbesprechungen der verschiedenen Ministerpräsidenten des Auslandes über Gennü möglichst schnell Klarheit und Nebersichllichkeit über den deutschen ReichshanSt al: schaf fen will. Aber bei der ungeheuren Bedeutung, die die neue Tteuerbelastung sür die Gegenwart und Zukunft des deutschen Volkes in sich trägt, ist im gegenwänigra Augenblick auch dringend notwendig, dost mit ruhiger Sachlichkeit und reiflicher Ueberleguug eine restlose Ver ftändizzuiig unter den Parteien der Mitte des Retchstachs zustande kommt, die allein eine haltbare, dauernde vü- stiug der Schwierigkeiten sichert. Rnn haben zwar die Steuerauöschüsse des Reichstags durch den Ausfall der Plenarverhandlungen eine halbe Woche ungestörte Ar beitszeit zupemessen erhalten; indessen bleibt es fraglich, ob in diesen drei kurzen Sitzungstngen wirklich alle noch ich webenden Streitfragen gründlich werden geschlichtet werden können. ' TuS Schwergewicht liegt bei dem Problem der Zwang San lei he. Sie ist durch 'das Steuerkonipro. miss zwar an sich gesichert. Aber die praktische Ausge staltung des Zwangsanleihegesetzes macht große Schwie rigkeiten. Mail weist, hast nach den Plänen der Regie rung die Grundlage für die Veranlagung der Zwangs anlethe der Vermögensstand vom 31. Dezember Nw'i! sein soll, und das» die Belastung des Vermögens durch schnittlich ungefähr 6 Prozent 'betragen wird. Der Ta rif soll von 1 bis 10 Prozent gestaffelt werden; 10 Prozent werden bei Vermögen von 5 Millionen Mark und mehr erhoben. Frei 'lassen will man die Vermögen btt» etwa LbOOOO Mark und die Einkommen, die went. ger al» »0 000 Mark betragen. Ueber alle diese Vor schläge wird sich reden und verhältnismäßig leicht eine Verständigung erzielen lassen. Tag egen wird die Sache schon schwieriger, wenn es sich darum handel«, die Zwangsanleihe noch im Lause dieses Jah.reS e intzuheban. Die Sozialdemokratie verlangt bekannt lich auf» nachdrücklichste, daß noch im laufenden Jahre 1SSL di« Zwangsanleihe etngezogen wird. Natürlich kann dann nicht der BermvgenAstand vom »1. Dezember 1VLS -ugrundegel«gt werden. Da e» aber an feder alten Grundlage für die Veranlagung fehlt, wird setzt er, wog«n, dosnndo« Vorschriften kür ein« teilweise Vorauszahlung nach Selbste in sch ätzung zu erlassen. Um dabei beschleunigte Einzahlung zu errei chen. soll mit Prämien gearbeitet werden, so dast Schnellzahlungen bis 1. Juli d. I. besondere Vorteile davontragen würden. Man hofft, durch dieses Ver fahren die Finanzämicr vor neuen Ueberlastungen zu bewahren und doch gleichzeitig 'dein Reichssäckel schnell Geld zu gewinnen. Die 'genauere Durchberatung dieses Vorschlages wird ja wohl bald ergeben, ob er besser und Praktischer ist, als der 'von demokratischer Seite nnge- deutete Ausweg der vorläufigen Einzahlung auf Grund der Reichsnotopservernutagung. Aus jeden 'Fall bleib! aber noch die schwierige Frage zu tosen, zu welchem il ni r ech n nn g slu rS die Goldmilliarde in 'Pavier milliarden zu zahlen wäre. ES war ursprünglich in Aussicht genommen, dast als Kurs für die limrechnuna der Dvltarkurs desjenigen Tages 'zugrundegelegt werde, an dem die endgültige Einigung über die Zwangsanleibe erreich! sei. Aber gerade das rapide Steigen des Dollars in den letzten Tagen 'zeigt, wie unzuverlässig die Fest setzung eines solchen Stichtages 'ist, ganz abgesehen da von, dast eine derartige Fixierung des Verhältnisses zwischen Goldmcirk und Papiermark ja keineswegs nur jür die Zwangsanleihe mastgebend sein, sonder«: auch eine ganze Reihe anderer finanzieller Folgeerscheinun gen zeitigen würde. Bis fetzt hat sich die Reichsreaie- rnng und das Reichsfinanzmtiiisteriuin über diese ver zwickte Frage noch nicht geäußert. Vorläufig liegt die vorbereitende. Arbeit noch in den SlenerauSschussen. Aber selbstverständlich lausen pa rallel mit ihr bereits 'Verhandlungen mit den Partei sührern und mit Finanzsachverständigen aus der Bank welt. der Industrie und der Landwirtschaft. Diese Ver handlungen müssen ebenso beschleunigt werden, wie die Beratungen der Steue>auSschüsse, «venu mau Ende der Woche mit der Stenergesetzardung wirklich fertig werden will. Tust dabei noch manche Harle Rust zu knaäeu und manche drohende Klippe zu Umschiffen sein wird, ist selbstverständlich. Vaterländischer Opiersiun und viel guter Wille nuj allen Seiten wird nötig sein, nm über dem Streit in steuertechnischen Eiuzelsragen nicht den Blich sür die Gesannmirtschaft und siir das Gesanvwvhl ,M verlieren, ohne den eine finanzielle Gesundung DenischlandS.'uninvglich ist. Rapp stellt sich äem Reichsgericht. Zur Entlastung ^agows. In einer von Schweden ans an die Dresdner Nachrichten gerichteten man l. März datierten Zuschrift erklärt Kapp, ». Ingo»» sek nach seiner Nebcrzeugnng zu Unrecht verurteilt worden; Ehre und Gewissen geböten ihm daher, als den« politischen Haupte de« März Unternehmens, vor dem Reschs- gcricht für Herrn ». Iagom einzutreten. Auch in einer Zn schrift an die Augsburger Abendzeitung teilt Kapp mit, dast er dein Reichsgericht seine Bereitwilligkeit erklärt habe, sich unter Leistung einer Sicherheit non >00 000 Mark, gegen Gewährung freien Geleits und Verschonung non der Unter- suchlmgsyast zu stellen, v. Iagow sei nach feiner lieber zengnng mit Unrecht zu langjähriger Freiheitsstrafe vernrteilt worden. Da ihm <Kapp> aber aus derselben Veranlassung eine gleiche Handlung zur Last gelegt werde wie Zagvw, so übe eln neues gegen ihn durchgeführt«» Verfahren tatsächlich dieselbe Nechtswirkung aus, al« ob eine Revision de» Iagowprozesses stattsände. In der Inschrift ersucht Kapp gleichzeitig alle am März-Unternehmen Aeteiligten, ihm al« positive» Haupt de« Unternehmen« in diesem Falle den Vortritt zn lassen. Sie könnten sich dann später immer noch stellen, falls sie die« dann nach kür geboten erachten. * Man möchte dtrse. Zuschriften für cinr. nrttr Erfin dung halten, wenn nicht der plötzliche Entschlnst des früheren OV'nerallandschoflsdireklvrs zrapp ko ganz sei ner Wesensart entsprechen würde. Ter Oberreichöanwülk hat zwar noch kein Angebot von Kapp erhalten, aber auch dos will nichts sagen; denn wer Kapp kennt, der weist auch, dost die richtige Anfmachnng seines Märthrer- ruhms ihm wichtiger ist als die Seibstslellitng au sich Das, Kapp .vvrglbt. für v. Iogow elnzulrete», und das; er sür Ehre nud Gewissen ein so lches Gebp« annimmt, ist erfrenltch. Nnr must «nun es chls absolut unerfindlich bezeichnen, wieso er glaubt, dast,seine Selbstbezichtigung v Jagvw entlasten könnte, v. Iogow hat ministe rielle A in l ü'h audi u uge n vorgenommen, und düs Reichsgericht hat ihn daraufhin al? einen Führer des KaPP-Putsches angesehen. Ist die Ehre Kapps nun da durch berührt, 'dast es auch noch einige andere Führer im Kapp-Putsch gegeben hüt, 'oder schlägt nur sein Ge wissen. wett er sich mehr als Verführer fühlt, dem v. Jagow zum Opfer fiel? Man braucht die Frage nicht -u entscheiden. Kapp lebt In RechtsvorsteUungeu die sost den Verdacht nahelegen 'könnten, al.» wollte «r die Anwendung des 8 51 des Strafgesetzbuches (verminderte Zurechnungsfähigkeit) für sich herausfordern 'Er nennt sich in den Unterschriften der Briefe noch stolz einen königlich preustischen Wirklichen Geheimen Oberregie- rungsral, er leugnet die nicht zu leugnende Tatsache, dast die gegenwärtige Regierung durchaus verfassungsmäßig ist. er stellt Bedingungen und er entwirft für seine Mit schuldigen, Lüttwitz und Genossen, VerhaltungSmastre- gcln. Das alles deutet gewiß auf einen krankhaften Größenwahn, ober es dürfte dennoch kein Gericht in der Annahme beirren, daß Kapp sich der Strafbarkeit sei ner orrbrccherischen Handlungsweise voll bewußt gewe sen ist. Eln Schreiben Kapps auch an di« Oberr«lch«anwattschaft? Wie die Sächsische Korrespondenz an zuständiger Stelle erfahren haben will, fei gestern nachmittag gegen 3 Uhr ein Schreiben Kapps bei der Oberreichson- watischost etngegangen, in dein dieser seinen Ent- schliist kuudgibt, sich unter Leistung einer Sicherheit von 100 000 Mark dem höchsten Gerichtshof zu stellen, wenn ihm freies Geleit und Verschonung mit der Untersu- chnngshafl zngesichert wird. Bei 'der RetchSregte- r u u g lag bis gestern mittag noch keine Mitteilung über das Anerbieten Kapps vor, sich unter gewissen Bedin gungen dein Reichsgericht zu stellen. Das Reichsrmetengeslch. Die wichtigsten Bestimmungen des Reichsmietenge- setzes sind die folgenden: 'An Stelle der bisher vertrag, lich vereinbarten Mieke kann vom Vermieter, wie vorn Mieter die Festsetzung einer sogen, gesetzlichen Miete geivrderi werden. Diese besteht vus der G rnndmiete vom I. Inti toll (ohne Betriebs- und JnstandsetzunaS- koste») und ans Zuschlägen für Betriebskosten (Semra und Abgaben, Versicherung, Verwalkung und ähnliche Unkosten) und sür'die laufenden InstandsetzungS- > rbeilen. Neben dieser gesetzlichen Miete ist von den Mietern für große InstondsetzungSarbeiten eln weite rer Beitrag zu leisten, den der Vermteter ans ein be sonderes Hanstonlv anznzühlen hat. lieber dieses HauS- kontv darf der Vermieter vur mit Zustimmung der Mieter, eventuell mit Zustimmung ver von der obersten Londcsbehördc dafür zu bestimmenden Stelle verfügen. Außerdem können Gemeinden und Gemetndeverbände durch eiueu besonderen Zuschlag aus Grund des Gesetzes über die Erhebung einer 'Abgabe zur Förderung des Wohnung baue? einen AusgleichsfoudS jür große In standsetzung arbeiten errichten, aus dem Beihilfen an wirtschaftlich Schwache nach billigem 'Ermessen gewährt werden sollen. Tiefen Pflichten ver Mieter trewn nun sehr weitgehende Rechte gegenüber. Sie können sür jedes Hand eine Mieier- «.ertretnng etusetzeu, die das Einvernehmen zwischen Ver mieter und Mietern fördern soll. Diese Vertretung soll nur Anrninng des Mteteinignugsomtes zn schlichten su chen Dazu kommen mehrere Schntzvvrs.hrifien. Die Verwendung der Gelder sür 'laufende Iiistandsetzuno». arbeiten hat der Vermieter der Mietervertrekuug noch, zuweiseu. Große Instoudst'tzuugsarbeilen kann Vie Ge meindebehörde für Rechnung des'Hauskomvö selbst vor nehmen lassen, wenn der Vermieter tzen dafür erhobenen Beitrag nicht augnbegemäst verwendet. Auch die an ge werbliche Betriebe vermieteten Räume sind trotz schar fen Widerspruchs der Hausbesitzer bem Gesetz unterstellt worden. Es kann bet derartigen Räumen zu der ge setzlichen Miete noch ein besonderer Zuschlag erhoben werden. Für die Hausbesitzer kommt hinzu, daß durch Er höhung der Einkünfte einem weiteren Verfall ihrer Häu ser vvigebengl wird, während andererseits die Mieter die Sicherheit haben, düst 'die von ihnen zu zahlenden Mehrbeträge wenigstens, soweit sie laufende und ein malige Instandsetzungsnrbettcn betreffen, tatsächlich für diese Zwecke verwendet werden Rüssen. Das Mitbesttm- mnngsrechi wird geregelt durch Vic Mletervertretung. Die durch das neue Gesetz geschaffenen erhöhten Kont- plikollonsmvglichkeiteu werden über ohne 'Zweifel eine noch größere Inanspruchnahme der MtetetntgungSärnter und damit eine Erweiterung bes BeaintenapparateS zur Folge haben. Als Ganze» bedeutet bas Gesetz eine Fort dauer der Zwangswirtschaft tm Wohnungswesen. Gegen dlest'Z Punkt war der Widerstand der bürgerlichen Par teien besonder« groß, und Vie dafür stimmenden bttm- zierlichen 'Abgeordneten konnten nur dadurch kür da» Ge setz gewonnen werden, daß seine Aufhebung nicht dem! freien Ermessen dcx Regierung überlassen wurde, son dern vast es nur bi» zum 1. Juli 1926, also auf vier Jahre Gültigkeit haben soll.