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Tagesgeschichte. Dippoldiswalde. Die letzte Versammlung des Erz- gebirgs-Vereins am 18. September war von Mitglie dern recht gut besucht und hatte man auch das Vergnügen, einige Gäste begrüßen zu können. Nach Eröffnung der Ver sammlung trat man sofort in den geschäftlichen Theil ein und erledigte zunächst die zur Berathung stehende Tages ordnung für die Generalversammlung des Erzgebirgs-Ver eins, die am 28. September in Wolkenstein abgehalten werden soll, beschloß auch Hrn. Kfm. Reichel als Detegirten zu derselben abzuordnen. — Hierauf referirte Hr. Lehrer Schröer in sehr eingehender Weise über den Vortrag des Hrn. Pfarrer Bock in Maxen, gehalten am 14. September auf der Schmorsdorfer Höhe, der die Kriegsereignisse im November 1759 behandelte. Friedrich der Große beabsich tigte, durch den General Fink die Oesterreicher zum Rückzug nach Böhmen zwingen zu lassen, und beorderte diesen nach der Gegend von Maxen. Vorstellungen Finks wurden ziem lich grob abgewiesen. Darauf hin marschirte der General und am 20. November kam es zu einer mörderischen Schlacht, in der Fink von den Oesterreichern und den Reichstruppen so eingeschloffen wurde, daß Durchbruchsversuche nach Burk- hardtswalde und Dippoldiswalde zu, sich als unmöglich er wiesen. Mit dem 18 mal stärkeren Feind wurde am 21. November früh 8 Uhr zu Bloschwitz die Capitulation abge schlossen. Es ergaben sich 9 Generäle, 549 Offiziere und ca. 11,000 Mann, Fußvolk und Reiter; alle Geschütze, Fahnen und Standarten fielen in die Hände der triumphi- renden Feinde. Nach dem Kriege wurde Fink von einem Kriegsgericht, dem der alte Ziethen präsidirte, zu 1 Jahr Festung verurtheilt, nach Verbüßung desselben in der Festung Spandau begab er sich in dänische Dienste, in denen er 1766 starb. — Hr. Lehrer Schröer erläuterte seinen Plan durch einen auf einer Tafel gezeichneten Plan. Der Verein erhielt auch von einem Mitglieds eine Karte, mit Angabe der Stel lungen der beiderseitigen Feinde, zur Vereinsbibliothek ge schenkt. Nachdem man noch beschlossen, in diesem Jahre womöglich noch eine Exkursion auszuführen, ward die Ver sammlung geschloffen. Dippoldiswalde. Bei-dem Gewitter am gestrigen Sonntag Nachmittag in der 3. Stunde hat der Blitz in Ober-Reichstädt die Gebäude des Gutsbesitzers Carl August Reichel in Brand gesetzt, wodurch Wohnhaus und Scheune total eingeäschert wurden. Der Besitzer war leider abwesend und fand Abends beim Heimkehren nur die rau chenden Trümmer vor. Es war ihm nur wenig gerettet worden; auch hatte er das Mobiliar nicht versichert. . — Durch dasselbe Gewitter ist von einem kalten Blitz schlag das neuerbaute Seitengebäude des Gutsbesitzers Carl Gottlob Bellmann in Hennersdorf stark demolirt worden. /X Frauenstein, den 21. September. Das anhaltend prächtige Wetter hat die Getreideernte in hiesiger Gegend ungemein gefördert, so daß der Abschluß derselben sehr bald erfolgen wird. Man ist über das Resultat im Allgemeinen wohl befriedigt. Dagegen wird die Kartoffelernte als eine sehr ungünstige zu bezeichnen sein, da ?/, bis »/i des Er trags schwarz sind. Die ärmeren Bewohner des Gebirges, für welche die Kartoffel eines der Hauptnahrungsmittel ist, blicken deshalb mit bangem Herzen dem kommenden Winter entgegen. — Am vergangenen Freitag fand hier die Probe zum hiesigen Rectorat zwischen dem Herrn Cantor Rößler von hier und Herrn Lehrer Schäfer aus Altenberg statt. Letzterer wurde zum neuen Rector gewählt. — Am 6. d. Mon. wurde die von Dippoldiswalde zurückkehrende Wittwe Richter aus Frauenstein in der Nähe der Steinbrückmühle, am sogenannten „Ochsenbusch," von einem aus dem Walde hervorspringenden Strolch festgehalten. welcher ihr einen Schlag vor die Brust gab, sie in den Straßengraben warf und unter Androhung des Erstechens aufs Empörendste und Unsittlichste mißhandelte. Ein der That verdächtiges Subject, Namens Böhme aus Nassau, welches sich Abends vor und nach der That dort Herum getrieben und durch seine widersprechenden Aussagen dringend verdächtig machte, wurde am 11. d. Mon. vom hiesigen Gensdarm Kröner im Bahnhof Freiberg verhaftet und be findet sich vor der kgl. Staatsanwaltschaft. Möge die nähere Untersuchung in dieser Angelegenheit Aufklärung bringen. Den Unmenschen treffe für seine Unthat eine tüchtige ge rechte Strafe. Dresden. Die Ergänzungswahlen für den Landtag haben der 2. Kammer nunmehr folgende politische Physiog nomie gegeben: die Kammer wird vertreten sein durch 40 Conservative, 2 Conservativ-Liberale, 19 National-Liberale, 16 Mitglieder der Fortschrittspartei und 3 Socialisten. Die nothwendige nochmalige Wahl im 24. städtischen Wahl kreis wird hierin noch eine kleine Aenderung bringen. Was bezüglich der Wahlen die Vertheilung der Abgeordneten auf Stadt und Land betrifft, so sind in den Städten ge wählt: 3 Conservative, 9 National-Liberale, 1 Fortschritts mann, und auf dem flachen Lande 13 Conservative, kein National-Liberaler, 1 Fortschrittsmann und 2 Socialisten. Elsaß-Lothringen. Die gegenwärtigen Tage sind eine neue Probe auf den Erfolg der seit 8 Jahren aufgewendeten Bemühungen, die neue deutsche Grenzmark mit dem alten Mutterland zu versöhnen. Kaiser Wilhelm stattet zum zweiten Male der Bevölkerung des Neichslandes einen Besuch ab, und der Empfang in Straßburg war ein großartiger, der Fahnenschmuck überraschend stark, die Illumination glän zend und bei dem fast lebensgefährlichen Gewühl in den Straßen die Ordnung eine musterhafte. Das Corps-Manöver am 20. September, dem der Kaiser, die Kaiserin und die Prinzen beiwohnten, verlief glänzend; auch auf der Heim fahrt wurden die kaiserlichen Wagen mit einem förmlichen Blumenhügel beladen, und der Kaiser selbst mochte so viel Beweise der Anhänglichkeit kaum erwartet haben. — Zu einem großen Diner, das der Kaiser gab, waren alle Be hörden geladen. Der Kaiser trank dabei auf das Wohl der Reichslande und sagte: der herzliche Empfang habe ihn über rascht ; er wisse wohl, wie ungern sich das Land in die Ver hältnisse geschickt habe, aber dieselben seien eine Nothwendig- keit gewesen. Das Land verdanke den Fortschritt in seiner Entwickelung den hohen Verdiensten des Oberpräsidenten Herrn v. Möller; der Kaiser hoffe, daß das Land auf der glücklich betretenen Bahn fortschreiten werde. — Für Sonn tag war Gottesdienst in der Thomaskirche angesetzt, sowie ein Festzug von elsässischen Landleuten. Vermischtes. Aus Berlin wird gemeldet: „Am 14. Sepetmber ist der, hauptsächlich in Militärkreisen wohlbekannte „Civilschuster" eines hiesigen Garderegiments, eine der populärsten Figuren Berlins, zur ewigen Ruhe bestattet worden. Der alte B . . ., der sich durch rastlose Thätigkeit ein bedeutendes Vermögen erworben hatte und als Bescher dreier Häuser verstorben ist, war bei allen Offizieren und Feldwebeln, bis zum Gemeinen herab, der das Geld hatte, sich „Extrastiesel" leisten zu können, wohlgelitten. Es ist verbürgt, daß er, als die Truppen aus dem böhmischen Feldzuge siegreich heim kehrten, allen seinen Schuldnern aus Freude über die bewiesene Bravour die „quittirten" Rechnungen zuschickte, eine Anerkennung, die er auch nach dem französischen Kriege wiederholte, und wird man staunen, wenn man hört, daß sich die Opferwilligkeit des sonderbaren Kautzes im letzteren Falle auf nahe an 5000 Mark belief. Derartige curiose Rechnungen, deren Unterschrift lautet: „Zum Dank für tapfere Errettung aus Feindeshand, quittirt er- gebenst der Leibschuhmacher des . . . Garderegiments", werden noch jetzt häufig gezeigt."