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Uebrigen als sehr wünschenswerth fortwährend im Auge behalten werden müsse. Die beabsichtigte Uebertragung des Melde wesens des Ritterguts Reichstädt auf den dasigen Gemeindevorstand wurde genehmigt. Ebenso wurde 4 Gesuchen um dispen sationsweise Genehmigung zu Grundstücksdismembrationen bedingungsweise stattgegeben. Hierauf wurden 17 Gesuche um Schankconcession, bez. um Concession zum Branntweinkleinhandel, erledigt, wobei zum 1. Mal das Reichsgesetz vom 23. Juli d. I. und namentlich die hierzu ergangene sächsische Ausführungs verordnung vom 31. Juli d. I., wonach nunmehr auch bei Beschlußfassung auf Gesuche um Concession zum blosen Bierschank, Weinschank u. s. w. die Bedürfnißfrage maß gebend zu sein hat, mit zur Anwendung gelangt. Von jenen Gesuchen wurden 6, bei welchen es sich nur um Ueber tragung zeitheriger Concessionen handelte und von denen nur 2 auf volle Schankconcessionen sich bezogen, genehmigt, die übrigen wegen des Mangels eines Bedürfnisses rc. ab gewiesen. Einem Gesuche des angeblich amtlich geprüften Fleisch beschauers Happach in Dresden, wonach derselbe um offizielle Empfehlung für den hiesigen Bezirk bittet, soll im Falle der Beibringung der nöthigen Nachweise entsprochen werden. Nachdem schließlich noch auf 3 die Bezirksvermögensver waltung bezügliche Gegenstände erledigt worden waren, wurde die Sitzung, welche Vormittag 9 Uhr begonnen, Nachmittag nach 2 Uhr geschlossen. Die neuesten Vorgänge in Afghanistan. Ueber die Erfolge der Beaconfield'schen Politik waren von seinen Freunden Jubellieder angestimmt worden, in welche bald ein schriller Mißton hineinfuhr: die Hiobspost aus Indien. Kabul ist in vollem Aufruhr, das afghanische Militär in offener Meuterei, der Major Cavagnari*) und das ganze Personal der englischen Gesandtschaft ist ermordet. Die Früchte des letzten Kriegszuges nach Afghanistan, die Erfolge, welche in dem Friedensdokumente von Gundamak festgesetzt wurden, sind vernichtet, der vielgepriesene Triumph über den russischen Mitwerber um die Oberherrschaft in Centralasien ist verblaßt und zur Niederlage geworden. England steht jetzt eigentlich an der Schwelle des wahren afghanischen Krieges, der bitterer Emst zu werden verspricht, während die letzten militärischen Operationen kaum den Namen eines Krieges verdienten. Die Aussichten, welche sich dort für das britische Reich nunmehr eröffnen, sind wirklich besorgniß- erregende, und die Zeit ist vielleicht nicht fern, wo der von Lord Beaconsfield in Bezug auf die centralasiatische Politik begangene Fehler, in feiner ganzen Größe sich offenbaren wird. Gerade so,' wie in Südafrika, so war auch der Krieg in Afghanistan unter den nichtigsten Vorwänden eröffnet worden. Die Eifersucht gegen Rußland, die verletzte Eitel keit, führte zu Feindseligkeiten. Zum Theil mag auch da zu beigetragen haben, daß Rußland nach den russischen Waffenerfolgen auf der Balkanhalbinsel gleichfalls bekunden *) Der unglückliche Major Cavagnari ist der dritte britische Ge sandte, der der Bevölkerung Kabuls zum Opfer gefallen ist. Etwa 38 Jahre ist es her, daß die Ermordung Sir Alexander Burne's nach der -ersten Eroberung des Landes durch die Engländer bewies, daß die Afghanen im Begriffe standen, sich gegen die Fremden zu erheben. Die «englischen Befehlshaber ließen sich die Warnung indeß nicht gedient sein, und sieben Wochen später erlitt Sir William Magnaghtcn das nämliche Schicksal wie sein Vorgänger. Bei beiden Gelegenheiten fielen drei britische Offiziere an der Seite ihrer Vorgesetzten. Jetzt ist auch Sir Pierre Louis Napoleon Cavagnari dem Versuche zum Opfer ge fallen, die Afghanen an Ort und Stelle durch einen britischen Residen ten beaufsichtigen zu lassen. An Warnungen, daß solche- Schicksal ihn erwarte, haben es die dem afghanischen Kriege entgegengesetzten Politiker, darunter viele mit afghanischen Verhältnissen vertraute indische Beamte und Offiziere, nicht fehlen lassen. wollte, daß es großer Waffenthaten fähig ist, und so ent stand der Krieg, dessen Abschluß der Friede von Gundamak bildete. Was verlangte damals England von Schir Ali? Eine „wissenschaftliche Grenze" und die Bewilligung, in Kabul und einigen anderen Städten des Afghanenreiches Residenten unterhalten zu dürfen. Schir Ali war damals vollständig geneigt, den Engländern die wissenschaftliche Grenze im Khuberpafse zu verwilligen, verweigerte dagegen die Nieder lassung von Residenten in Afghanistan, und warum? Weil er, wie er sagte, bei dem leidenschaftlichen Charakter mü) der Voreingenommenheit seines Volkes gegen europäische Residenten nie und nimmer für die Sicherheit derselben ein stehen könnte. Schir Ali führte zum Beweise die früheren Ereignisse an, welche mehr als einen Gesandtenmord auf weisen, und sagte voraus, daß eine Wiederholung dieser Vorkommnisse trotz des besten und ehrlichsten Wollens des Herrschers nahezu unvermeidlich sei. Man schenke dem Emir keinen Glauben und überzog sein Land mit Krieg. Was weiter folgte, ist bekannt. Schir Ali starb als Flücht ling auf fremdem Boden, sein Sohn Aakub Khan folgte ihm aus dem Throne nach, und was sein Vater im Inter esse des Landes verweigerte, gestand er zu. England zahlte dafür so gut, daß es keinem Zweifel unterliegt, Schir Mi hätte sich um diesen Preis ohne Krieg kaufen lassen, wie sich sein Sohn kaufen ließ. So brachte das englische Geld den Feldzug zum vermeintlichen Ende, und Niemand mochte im Geheimen froher sein, wie die englische Regierung selbst, daß der Friede von Gundamak geschlossen wurde, denn die Jnvasionsarmee war zu diesem Zeitpunkt in einem Zustande, welcher bei einem entschiedeneren feindlichen Anstoße mit dem gänzlichen Ruine des englischen Heeres hätte enden können. Seitdem wurde die englische Armee in Afghanistan durch die Rückberufuug verschiedener Contingente und anderer Abgänge nur noch mehr geschwächt, und man sieht sich heute der Nothwendigkeit gegenüber, den Krieg von Neuem aufzu nehmen und diesmal mit einem Feinde, der besser wie bis her seine Waffen zu gebrauchen verspricht. Und der Krieg muß geführt werden, denn die Hinschlachtung britischer Re sidenten und Unterthanen darf nicht unbestraft, Aakub Khan, der Schützling Englands, nicht unbeschützt bleiben, wenn das Ansehen der Macht Britanniens in Centralasien nicht einen Todesstoß erhalten soll, dessen verderbliche Schwingungen sich unbekümmert um die wissenschaftliche Grenze nach Indien sortpflanzen und dort die schlimmste Wirkung üben könnten. Volk und Regierung England's sind daher in diesem Augen blicke, wenn auch aus verschiedenen Ursachen, fest entschlossen, die geübte Frevelthat zu strafen. Kabul muß vernichtet werden: das ist der Refrain. Wir wünschen viel Glück zur Lösung dieser Aufgabe, die so leicht auszusprechen und schwer durchzuführen ist. Es kann sehr leicht geschehen, daß Kabul nicht erreicht und nichts von Alldem aüsgeführt wird, was man jetzt in der ersten Hitze als demnächst bevorstehend in Aussicht stellt. Es ist vielmehr die Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß Afghanistan wieder zum Schauplatze von Niederlagen Englands wird, wie sie sich bereits im Jahre 1840 nach der Ermordung des damaligen Residenten ereigneten. Eine endlose Kette von Verlegenheiten, ein kostspieliger, zweifelhafter Krieg sind nun in unmittelbarer Aussicht, unge heuere Opfer an Blut und Geld find unvermeidlich zu einer Zeit, wo England unter dem Drucke einer wirthschastlichen Krise leidet und der vielgepriesene Triumph Beaconsfield'- scher Staatskunst, der im Frieden von Gundamak seinen Abschluß fand, und aus welchem die Conservativen ihr Hauptkapital zu schlagen gedachten, ist verblaßt und hat sich als ein schimmerndes Trugbild erwiesen.