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— 519 — Tagesgeschtchte. Dippoldiswalde, den 14. Juli. Es läßt sich nicht leugnen, ist aber auch nicht zu verwundern, daß sich in Dippoldiswalde nach und nach ein gewisser Uebermuth ein genistet hat, der besonders unmittelbar vor festlichen Ver anstaltungen in einem einigermaßen bedenklichen Grade zur Erscheinung zu kommen pflegt. Mag das Wetter sein, wie's will, der Feste vorbereitende Dippoldismaldaer spricht: „Kann uns nicht fehlen, 's wird Kaiserwetter!" — mögen seinen Festintentionen Repertoirstörungen drohen — mit einer nahe zu leichtfertigen Unverfrorenheit schlägt er alle Bedenken in den Wind — und siehe da! er hat*) Recht. So auch Heuer. Mochten die Schläuche des Himmels in den letzten Wochen auch noch so reichlich ihren Segen niedergießen, mochte jeder schüchterne Sonnenblick der letzten Tage durch finstere Nebel ballen im Keime erstickt werden: der gestern anbrechende Festtag, ja schon sein Vorabend, waren gegen ihre Vor gänger nicht wiederzuerkennen, und die Wetterprophezeihung, daß die naß ins Gebirge gegangene Marie trocken wieder kommen werde, und zwar expreß zum Dippoldismaldaer Vogelschießen, war in der That zur Wahrheit geworden. Wenn nun zwar der Dippoldismaldaer diese seine Jn- fallibilität auch noch nicht zum Dogma erklärt hat, wie weiland Pio nono die seinige, so glaubt er doch persönlich steif und fest an diesen seinen Glücksstern und — befindet sich wohl dabei. Das sah man gestern. Ueberall frohe Ge sichter, die den Himmel ebenso anlachten, wie er sich. Und nun noch dazu die heitere Reveille am frühen Morgen, der bunte Flaggenschmuck, die sauber geputzten Häuser, die mit guter Laune redigirte Festzeitung — da durfte man sich nicht wundern, wenn männiglich viel heitere Fest stimmung zum Frühstück auf das Rathhaus kam und sich durch die Heuer beliebte Abwechselung, kalt, anstatt, wie sonst, warm zu speisen, in derselben nicht beeinträchtigen ließ. Trugen doch annehmbare Genüsse an Speis' und Trank, an Red' und Sang wesentlich dazu bei, ein etwa eintretendes Manco der Festlaune rasch wieder auszugleichen. — Um 2 Uhr ordnete sich der Festzug, der diesmal von sehr respectabler Länge war, denn außer den Wackern Schützenbrüdern in Joppe und — Frack, waren auch Sänger, Turner, Militärverein und Feuerwehr, letztere mit eigenem, jetzt ganz nettem Musikcorps, betheiligt; der Stadtobrigkeit und mehrerer Schützenfreunde nicht zu vergessen. Auf der Aue angekommen, erklang das elek- trisirende: Deutsches Land, du schönes Land! vom Gesang verein gut nüancirt vorgetragen, und Hr. Cantor Hellriegel der vorjährige Vogelkönig, hielt eine Ansprache, in welcher er den Charakter des Festes, als eines deutschen Volksfestes, betonte und mit einem Hoch auf Kaiser Wilhelm, König Albert und Königin Carola schloß. — Nun begann das Schießen nach den stattlichen Vögeln, die Schützen mit Pulver und Kugel, die Feuerwehr mit der altehrwürdigen Arm brust. Daß diese nicht wirkungslos gewesen war, bewies der bereits gegen 6 Uhr erfolgte Königsschuß, den Herr Stadtrath Teicher, Commandant der freiwilligen Feuerwehr, errang, während die Schützen noch morgen daran zu thun haben werden, den alten König zu entthronen. — Unter den Veranstaltungen zur Belustigung ragt unter den Ca- roussels, Schießständen, Würfelbuden u. dergl., hervor wie ein Riese unter Zwergen: Circus Malmström mit den un vergleichlichen Leistungen seiner vier- und zweibeinigen Künstler und Künstlerinnen. Die in der Reclame enthaltene Bemerkung, daß Renz und Salomonsky mit dem Circus Malmström durchaus nicht in Vergleich zu stellen seien, be ruht in voller Wahrheit. Einzelheiten anzuführen fehlt uns leider Raum und Zeit und übrigens sind alle Leistungen so außerordentlich unbeschreiblich, daß wir Denjenigen, die ein *) „merschtendeels." Die Redaction. mal etwas in der That noch nicht Dagewesenes sehen möchten, nur rathen können, die sich heute noch bietende Ge legenheit zu benutzen, und der übrigens mit eigenem Orchester versehenen Arena ihren Besuch abzustatten. Wenn massen hafter Besuch und donnernder Applaus der Beweis für die Vortrefflichkeit der Leistungen sind, so hat Circus Malm ström diesen glänzend erbracht. — Ein Weiteres in nächster Nummer. — Leider ist's heute trübe und regnet! — Am 16. v. M. feierte in Chemnitz der Comptoir diener Carl Gottlieb Hartmann aus Dippoldiswalde aus Anlaß 25jähriger treuer Dienste in einem und demselben Geschäft sein Jubiläum. Zur Feier des Tages wurde dem selben vom Rath der Stadt Chemnitz ein Ehrendiplom über mittelt, sowie von Seiten seiner Angehörigen und seines Principals mit vielen Geschenken beehrt. — Aus dem Salzkammergute schreibt man uns: Wer gegenwärtig auf einem der comfortablen Dampfschiffe des idyllischen Salzkammergutes fährt, dem drängt sich die Ueber- zeugung auf, daß die Naturschönheiten dieses wunderbaren Alpenlandes nicht genug gerühmt werden können. Ueber- dies ist die gegenwärtige Jahreszeit ganz dazu geeignet, dm vollen Reiz der bezaubernden Landschaft zu genießen. — Durch die passenden Anschlüsse der Verkehrs-Anstalten sind dem reisenden Publikum alle möglichen Bequemlichkeiten und Vortheile geboten worden. Dafür ist aber auch Alles ge füllt und kann man sich des günstigen Eindruckes nicht ver schließen, daß die Touristenbewegungen im österreichischen Salzkammergute sich jenen der stark frequentirten Schweiz bald an die Seite stellen werden. - In Amerika hat man kürzlich die Entdeckung ge macht, daß diejenige Stärke, welche neuerdings unter dem Namen „Glanz stärke" vielfach in den Handel kommt, einen ziemlichen Zusatz von Arsenik enthält, welche derselbm gerade ihr besonders schönes', glänzendes Aussehen verleiht. Wäsche, die mit solcher Stärke behandelt ist, kann natürlich vergiftend wirken und da dieselbe Stärke auch in Deutsch land bereits eingeführt ist, so ist gerechtfertigt, auf die Ge fahr hinzuweisen. Auch in farbigen Glanzpapieren, wie sie zum Einwickeln von Bonbons, zu Zuckerdiäten und sonstigen Gegenständen des täglichen Gebrauches Verwendung finden, ist in Amerika das Vorhandensein von Arsenik nachgewiesen worden. Dresden. Die für das sächsische Wirtschaftsleben so bedeutsam gewordenen Sparkassen haben ein höchst er freuliches Wachsthum aufzuweisen. Im Jahre 1848 bestanden in Sachsen erst 42 Sparkassen mit 74,144 Conten und 10,086,792 Mark Guthaben, und 1877 168 Sparkassen mit 794,243 Conten und 293,887,679 Mark Guthaben. Die Sparkassen - Einlagen sind mithin im letzten Menschen alter nahezu um das Dreißigfache und die Zahl der Conten um mehr als das Zehnfache gestiegen. Chemnitz. In den hiesigen Jndustriewerkstätten herrscht jetzt rege Thätigkeit; fast alle sind sehr gut mit Auf trägen versehen. So hat die Werkzeugmaschinen-Fabrik Zimmermann in letzter Zeit für ca. 200,000 M. Aufträge für größere Maschinen erhalten. — Auch aus dem Voigt lande wird berichtet, daß in die dortige Handweberei wieder einiges Leben gekommen ist, und scheint es, als wenn für die Weber noch einmal eine bessere Zeit kommen sollte. Von mehreren Geschäfts häusern in Plauen wird Arbeit auf Handstühle ausgegeben, so viel sie nur fertig bringen können. Sayda. Zu Ende August oder Anfang September wird in unserem Städtchen mit der vom hiesigen Gewerbe verein projectirten gewerblichen Ausstellung auch eine Thier-, Producten- und Maschinen-Ausstellung verbunden werden, wodurch der derzeitige Stand der Landwirthschaft des oberen Gebirges zur Anschauung gebracht werden soll.