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— 682 — Ausflüge, Festessen, ein Kellerfest im Waldschlößchen rc. statt, auch eine technische Ausstellung (auf 14 Tage berechnet) im Orangeriehause. Der Ausflug am Dienstag ging auf zwei Dampfschiffen nach Meißen zur Besichtigung der Alb rechtS- burg, deren weit vorgeschrittene Renovirungen das größte Interesse erregten; auch ein Concert im Dome befriedigte alle Theilnehmer, und eine Spende von 100 Flaschen gut gelagertem Wein aus dem Rathskeller zum Dessert war geeignet, die zum Schlüsse stattfindend« prächtige bengalische Beleuchtung der Hoffaxade der Albrechtsburg und Illumination deS Innern deö DomeS als den Höhepunkt des Festes er scheinen zu lassen. — Donnerstag fand ein Ausflug nach der sächsischen Schweiz statt. Berlin. Die Eröffnung des Reichstages am nächsten Montag wird nicht durch den Kronprinzen, sondern durch den Stellvertreter des Reichskanzlers, den Grafen Stolberg, er folgen. Auch Fürst Bismarck wird zur Eröffnung nicht zurückkehrev; dagegen wird als zweifellos bezeichnet, daß er an den Verhandlungen über das Socialistengesetz sich bethei ligen werde, und zwar, wenn es im Plenum zur zweiten Berathung gestellt werden wird. — Es ist im höchsten Grade zweifelhaft, ob Herr v. Forckenbeck sich bereit finden läßt, das Präsidium deS Reichstages wieder zu übernehmen, da er mit Widerstreben einem Reichstage präsidiren würde, von welchem er nur die Minderheit als politische Freunde ansehen kann. — Der Reichskanzler hat den CultuSminifter vr. Falk nach Gastein berufen, und diese Zusammenkunft ist zur Zeit der schwebenden Verhandlungen mit der römischen Curie von hohem Interesse. Ueber das Resultat dieser Besprechungen verlautet zur Zeit poch nichts, da ja auch die ganzen Ver handlungen mit der Curie mit absoluter Verschwiegenheit umgeben wurden; daß diese letzteren aber jetzt in's Stocken gerathen sind, ist sicher anzunehmen. Der Reichskanzler selbst soll sich über den Stand der Verhandlungen mit den römischen Prälgten dahin geäußert haben: „Sie haben ja nichts zu bieten." Dennoch glaubt man die Versuche zur Annäherung noch nicht als abgeschlossen betrachten zu dürfen. Posen. Der hier tagende volkswirthschaftliche Congreß hat u. A. auch die Tabaksfrage berathen. Die Versammlung sprach sich entschieden gegen die Einführung deS Tabakmonopols in Deutschland aus, da dieselbe aus wirthschaftlichen Gründen verwerflich erscheine und insbesondere eine über viele Kreise des deutschen Reiches ausgebreitete, nicht nur für den inländischen Bedarf, sondern auch in erheb lichem Umfange für den Export arbeitende Industrie- und Handelsthätigkeit vernichten würde. Werde indeß die Noth- wendigkeit eines höheren Ertrages aus den indirecten Steuern begründet, so wäre eine Mehrbelastung des Tabak-Consums als zulässig anzusehen. — In Gnesen (Posen) macht der Selbstmord des Stadtrathes und Reichsbank-Agenten Hübner großes Auf sehen. Ein vollendeter Weltmann, war er auch sehr wohl- thätig und beliebt, und nur sein grenzenloser Leichtsinn und sein unglücklicher Hang zum Kartenspiel haben ihn an den Abgrund des Verderbens getrieben. Er hat, nach seinen eigenen Angaben in hinterlassenen Briefen, in einer Woche einmal 20,000 Thaler verloren, und dieser Verlust war die erste Veranlassung für ihn, seine Hand nach fremdem Gute auszustrecken. Am 30. August brach die Katastrophe herein. Um 8 Uhr erschien Herr Bank-Direktor Brochowski im Bankbureau, ließ den noch nicht anwesenden Hübner zu sich bitten und forderte von ihm die Kassenschlüffel; unter dem Vorgeben, diese zu holen, entfernte sich H., ohne die mindeste Aufregung zu verrathen. Vergebens jedoch wartete der Direktor 4 bis 5 Minuten ; er sandte den Boten noch einmal nach Hübner und dieser kehrte mit der Schreckensbotschaft zurück, Hübner liege todt in seinem Gartenhause. Der Direktor eilte sofort hinaus und fand den Unglücklichen noch in den letzten Todeszuckungen. Vor ihm stand ein halbge fülltes Glas Wasser: er hatte sich mit Chankalium vergiftet, das er in Form von Kügelchen stets bei sich geführt haben muß. Dieses furchtbare Gift hatte in wenigen Sekunden gewirkt. Bei der sofortigen Revision der Kasse wurde ein Deficit von 139,000 M. 70 Pf. festgestellt. Außerdem wurde auch noch die Kasse der Schwedter Feuerversicherung, deren Agent der Berstyrbene war, revidirt, und auch hier ein Deficit von circa 7000 Mark entdeckt. Aus Holstein. Ein glückliches Dorf, ein Eldorado für Eheleute, ist jedenfalls das holsteinische Dorf Kollmar in der Abmarsch unweit Glückstadt. Am Sonntag fand dort die diamantene Hochzeit des Franz'schen Ehepaares statt, an welchem Feste das ganze aus 1400 Seelen bestehende Dorf theilnahm. Dies würde nun eben nichts Seltenes sein. Aber außer dieser Hochzeit stehen noch zwei diamantene in der nächsten Zeit bevor und in den letzten vier Jahren haben drei Ehepaare ihre Diamanthochzeit gefeiert. Außer diesen waren im letzten Jahrzehnt 6 Ehepaare vorhanden, welche dies seltene Fest gefeiert hatten. Die Abmarsch gehört zu den gesundesten Distrikten im nördlichen Deutschland. Oesterreich. Der Kaiser hat an den Ministerpräsidenten Fürsten Auersperg An Handschreiben gerichtet, in welchem er über die theilnehmenden Kundgebungen für die tapfer und voll Hingebung kämpfenden Truppen seine hohe Befriedigung und den Wunsch ausspricht, daß die bestehenden patriotischen HülfSvereine auch ferner die thätige Unterstützung der Be völkerung finden möchten. — Die Kaiserin spricht in einem Handschreiben den Wunsch aus, daß möglichst viel Frauen vereine errichtet werden möchten, um die Thätigkeit der patriotischen HülfSvereine zu unterstützen. Schweiz. Der Richtstolln des St. Gotthardttunnels ist gegenwärtig auf 11,211 Meter vorgerückt, oder auf mehr als drei Viertel der Gesammtlänge von 14,920 Meter. Frankreich. Der Trauergottesdienst zum Gedächtniß des Todestages Thiers' am 3. Septbr. in Paris hat unter einem Ungeheuern Menschenzufluß stattgefunden. Die Feierlichkeiten in der Notredame-Kirche dauerten von 12 bis 2 Uhr, worauf man sich zum Kirchhof nach dem Grabe ThierS' begab, das unter Blumen und Kränzen verschwand. Der Präsident der Republik war durch einen Adjutanten und seinen Sohn vertreten. England. Von einer furchtbaren Schiffs katastrophe auf der Themse, unweit London, wird be richtet: Am 3. Septbr. Abends stieß der Dampfer „Princeß Alice," der mit 700 bis 800 Personen eine Lustfahrt nach GraveSend gemacht hatte, auf der Rückkehr von dort mit einem andern Dampfer, einem Kohlenschiff zusammen. „Princeß Alice," sank sofort, und der größte Theil der Passa giere ertrank, auch der Kapitän und die gesammte Mann schaft. Bis jetzt weiß man nur von circa 200 Personen, die gerettet wurden. Amerika. Aus Washington wird gemeldet: Nach dem Berichte des landwirthschaftlichen Bureaus über den gegenwärtigen Stand der Tabaksernte ist eine beträcht lich geringere Ernte als im vergangenen Jahre zu erwarten. Das Durchschnittserträgniß der Tabaksernte wird auf 80 Pro cent geschätzt. Vermischtes. An der Wilhelm-Spende haben sich, nach vorläufiger Zusammenstellung, im gesammten deutschen Reiche über 11,300,000 Personen, also mehr als der 4. Theil der ganzen Bevölkerung, betheiligt. Von diesen sind 1,800,000 Mark gespendet worden. Unter den Transparenten, die man am 2. September in Berlin an den Schaufenstern erblickte, zog unter andern dasjenige des Cotillonordenfabrikanten, Buchbindermeisters W. Hoppenworth, Kurstraße 39, die Ausmerksamkeit aus sich. Derselbe hatte auch