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— 519 — bei Landestrauer im einzelnen Falle durch Verordnung be kanntzugeben sei, und zwar bei dem Tode des Königs in Dauer von nicht über zehn Tagen, bei dem Tode der Königin, einer Königin-Wittwe und des Kronprinzen, wenn er das 21. Jahr zurückgelegt hat, in Dauer von nicht über fünf Tagen, unter der Voraussetzung, daß Musik und öffentliche Lustbarkeiten erst am zweiten Tage nach der feierlichen Bei setzung der Leiche wieder ihren Anfang nehmen dürfen. — Die sächsischen Bäder waren bis zu den ersten Tagen des Monats Juli wie folgt besucht: Augustusbad b. Radeberg 61 Parteien mit 75 Personen; Elster 1200 Parteien mit 1814 Personen; Liegau b. Radeberg 100 Par teien mit 154 Personen; Schandau 126 Parteien mit 317 Personen; Schweizermühle im Bielagrunde 61 Par teien mit 135 Personen; Warmbad bei Wolkenstein 141 Parteien mit 233 Personen; Weißer Hirsch mit Ober- loschwitz (klimatischer Curort) 249 Parteien mit 591 Personen. Roßwein. DaS Oberappellationsgericht zu Dresden hat den, über den hiesigen Vorschußverein verhängten Concurs bestätigt. Leipzig. Das ehemalige Direktorium der Leipzig- Dresdner Eisenbahn hat dem Gründer derselben, Gustav Harkort, in der Nähe des Bahnhofes ein Denkmal er richtet, das in diesen Tagen von der Stadt übernommen worden ist. Die beiden andern, noch lebenden Mitbegründer der Bahn, Bankier Sehfferth und vr. Lampe, sind zu Ehrenbürgern der Stadt Leipzig ernannt worden. Weimar. Zur Feier des 25jährigen Regierungs- Jubiläums sind hier eingetroffen: König Wilhelm von Holland, Prinz Heinrich der Niederlande, Prinz Carl von Preußen, König Albert von Sachsen, drei Prinzen von Weimar, Prinz Albrecht von Mecklenburg und mehrere Fürsten und Fürstinnen. Am ersten Festtage, 9. Juli, begab sich der Großherzog nebst Gemahlin im offenen Wagen durch die reichgeschmückten Straßen zum Festgottesdienst; hierauf war Parade, dann große Cour und Galatafel. Der König von Sacksen brachte den Trinkspruch auf den Großherzog aus, welcher mit einem Hoch auf den Kaiser, die fürstlichen Gäste und das Land antwortete. Nachmittags nahm das Volksfest seinen Anfang. Berlin. Das Befinden des Kaisers ist sehr befrie digend und hat auch in den letzten Tagen keine Unterbrechung erlitten. — Die öffentliche Verhandlung gegen den Attentäter Hövel begann am 10. Juli. Schon am frühen Morgen war der Platz vor dem Kammergerichtsgebäude von dichten Menschenmassen umlagert. Unter Eskorte reitender Schutz männer traf der Zellenwagen mit dem Meuchelmörder ein, der, an Händen und Füßen gefesselt, unter Verwünschungen der an den Wagen sich herandrängenden Menge nach dem Innern des Gebäudes geschafft wurde. Bei der Verhand lung erklärte Hödel, der durchweg eine äußerst steche Haltung beobachtete, er sei „nicht schuldig" und habe einen Selbst mordversuch gemacht. Gegen 30 Zeugen sprachen aber gegen ihn, und der Gerichtshof erkannte auf Schuldig und ver- urtheilte Hödel zum Tode. Der Verbrecher erschien bei Verkündigung des Urtheils fast vergnügter, als bisher und machte, als ihm die Hände wieder gefesselt wurden und er in die Zelle abgeführt wurde, noch ungehörige Bemerkungen. Der Congreß hat am 10. Juli die letzte Plenarsitzung gehalten und damit die eigentlichen materiellen Geschäfte be endet. Am Sonnabend wird die formelle Schlußsitzung stattfinden und das Resultat unter dem Namen „Friede zu Berlin" verkündigt werden. Europa wird in demselben den Abschluß der jüngsten Aera des Krieges und der zeither noch drohenden Kriegsgefahr und damit, so Gott wist, den Aus gangspunkt einer neuen Zeit sriMchÄ Entiöickelung und friedliche« Aufschwunges freudig begrüßen. Frankfurt a. M. Im Stcköttheater ist am Mitt woch, 10. Juli, kurz vor Beginn der Vorstellung durch Mit glieder der Meininger Hofbühne, ein Feuer ausgebrochen, das glücklicher Weise auf den Dachstuhl beschränkt blieb. Das Publikum konnte das Theater ohne Unfall verlassen. Oesterreich. Unmittelbar nach der Rückkehr des Grafen Andrassy vom Berliner Congreß nach Wien — also zu An fang nächster Woche — wird der österreichische Einmarsch in Bosnien und der Herzegowina seinen Anfang nehmen; die Mobilisirung von 5 Infanterie-Divisionen sammt den er forderlichen Hilfstruppen ist bereits vollkommen beendigt. — Den österreichischen Congreß-Delegirten stehen hohe Auszeichnungen bevor; so soll Andrassy zum Fürsten er hoben werden, Karolyi und Andere werden Orden erhalten. Die Insel Cypern. Der zwischen England und der Türkei abgeschlossene Vertrag bezweckt die Aufrechterhaltung der Unverletzlichkeit des türkischen Reiches in Asien. Für diesen Schutz des klein astatischen Besitzes ist England das Recht zugesprochen, Cypern zu besetzen, oder vielmehr die Insel an Eng land abzutreten. Wie Alles bestrebt ist, seinen Theil von der Türkei zu schnappen, so hat England einen fetten Bissen weg, und so mit seine vielgepriesene Freundschaft für die Türkei bewiesen. Cypern liegt etwa 15 Meilen von der Küste Klein asiens entfernt. Der Flächeninhalt der Insel beträgt 173 Quadrat-Meilen oder 9536 Quadrat-Kilometer. Ihrer Fruchtbarkeit, ihres Erzreichthums, ihrer wichtigen Lage und trefflichen Häfen wegen war sie seit der frühesten Zeit ein Gegenstand immerwährenden Kampfes. Die älteste Geschichte der Insel verliert sich in die sagenhafte Vorzeit. Die Phö nizier sollen die ersten Bewohner gewesen sein, zu denen nach den trojanischen Kriegen auch Griechen, später Egypter sich gesellten. Die an der Küste gelegenen vorzüglichsten Städte: Salamis, Kition, AmathuS, Paphos rc. bildeten ursprünglich unter einzelnen Fürsten ebenso viele kleine Staaten. Seit 1571 gehört die Insel zum türkischen Reiche. Das Klima ist mild und gesund, die Vegetation des Bodens reich und üppig, der Anbau desselben aber sehr ver nachlässigt und die Insel ein Land voll Trümmer. Erdbeben, Kriege, verheerende Krankheiten und die barbarische Türken herrschaft haben dazu beigetragen, die Insel zu entvölkern. Die Zahl ihrer Bewohner — noch im Mittelalter über eine Million — beträgt höchstens 150,000 bis 200,000, wovon der fünfte Theil Mohammedaner und unter diesen 5000 von Egypten eingeführte Negersklaven sind. Unter den 80—90,000 Christen gehören gegen 1000 der römisch-katholischen Kirche an und die Hälfte davon wieder zu den Maroniten. Die herrschende Sprache ist die griechische, die auch von allen Türken gesprochen oder doch verstanden wird. Die Einwohner treiben etwas Getreide-, Gemüse- und Gartenbau, gewinnen Baumwolle, Hanf, Krapp, Oelsamen, Tabak, Oliven, Südfrüchte, Johannisbrot und Gewürzkräuter. Auch ist Cypern das Vaterland deS Blumenkohls. Die Waldungen, welche aus Cedern, Pinien und Cypressen neben Eichen und Buchen bestehen, liefern ausgezeichnetes Bau- und Nutzholz. Die Viehzucht ist unbedeutend, ebenso die Bienen- und Seidenzucht. Hohen Werth haben die Cyperweine, von denen der Commanderia der vorzüglichste ist. Man sagt, daß die Insel deshalb unter türkische Herrschaft gekommen, weil den Großherrn nach dem köstlichen Wein gelüstete. Bisher zerfiel Cypern in drei Gandschakate: Lefkoscha, Kerina und Baffa. Die Hauptstadt irn Innern, Nikosia, zählt 20,000 Einwohner. Die wichtigsten Küstenstädti üiw Handelsplätze sind im Süden Larnaka und iw Osten Fama gusta. Zwei Gebirgsreihen durchziehen die Insel von Osten nach Westen; die höchste Spitze, der Olymp, erreicht eine Höhe von 6000 Fuß. Zwischen den beiden HaÄptgebirgS- ketten brAW sich Vie Centralebene Meffaria aus.