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Donnerstag. Rr. 73. 27. Juni 1878. WePerih-Ieitung. Amts-Matt für die Königs. Amtshauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königs. Gerichts-Aemter und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Redacteur: Cärl Ikhne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich drei Mal: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Au beziehen durch alle Post- Austalten und die Agenturen. — Preis vierteljährlich 1 Mark 25 Pfg- — Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. für die Spalten-Zei!e, oder deren Nanni, berechnet. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde. Wie ganz natürlich, ist in den letzten heißen Tagen unsere Kaltwasser-Bade-Anstalt sehr gut benutzt worden; Jung und Alt sucht sich durch ein Bad zu erquicken. — Wir erwähnen hier aber einen oft vor kommenden Fehler beim Baden, der die gute Wirkung ab schwächt oder hinfällig macht: es ist das zu lange an dauernde Baden, wie es namentlich von Kindern geübt wird, die Stunden lang im Wasser bleiben, dann entkleidet in der Anstalt umhergehen, wieder baden und dann erst, ohne sich gut abzutrocknen, sich ankleiden. Die Eltern möchten daher ihren Kindern hierauf bezügliche Anordnungen vor dem Baden gehen ertheilen. — Es sei unsere schöne Badeanstalt, um die uns manche andere Stadt beneidet, der fleißigen Benutzung sehr empfohlen. Die Wasserwärme in der Badeanstalt war in den letzten Tagen 17 Grad R. — Der seit 1844 in der Familie Mauckisch in Dippoldiswalde dienenden Wilhelmine Schmidt, jetzt in Freiberg, ist vom Ministerium die große silberne Me daille für langjährige treue Dienste verliehen worden. Dresden. Die von der Regierung im Landtage ein gebrachte Vorlage über den Ankauf verschiedener Privat bahnen durch den Staat, normirt den Kaufpreis für die Muldenthalbahn auf 18,000,000 Mk. nominal in sächs. 3proc. Rente, für die Ehemnitz-WürschnitzerBahn auf 2,600,000 Mk., für die Gößnitz-Geraer Bahn auf 5,050,000 Mk., für die Bahn Annaberg-Weipert 2,222,000 Mk., und für die Mehl- theuer-Weidaer Bahn auf 450,000 Mk. — Als freudiges Ereigniß erzählt man sich, daß unsere Prinzessin Mathilde (geb. 1863) im Stillen mit dem Kronprinzen Rudolph von Oesterreich verlobt sei. — Der seit Kurzem aus Neustadt a. O. hierher gezogene frühere Eonditor Raab, 32 Jahr alt, hat in der Nacht zum Montag in seiner Wohnung (Dürerstraße) seine 26jährige Frau und dann sich selbst erschossen. Als Morgens die Thür verschlossen blieb und sich nichts regte, erinnerte man sich eines in der Nacht gefallenen Schusses; ein Beamter fand Einlaß durch die zwei Kinder der Tobten (Mädchen von 4 und 6 Jahren), die vollständig in Unwissenheit von dem Geschehenen waren. Ueber die Ursache der Thal weiß man gar nichts. — Das königl. Hoftheater in Altstadt ist jetzt und bis mit 26. Juli geschlossen. — Die für Sonntag Nachmittag (vom Feldschlößchen aus) projertirte Luftschifffahrt der französischen Aeronautin Fanny Godard mußte zum Leidwesen der zahlreichen Zuschauer unterbleiben, da der 29 Meter hohe Riesenballon, mit besten Füllung man früh 9 Uhr schon begonnen hatte, sich durchaus nicht von der Stelle heben wollte und ruhig auf der Erde blieb. Wie der Geschäftsführer sagte, hatte die GaSfabrik „Luft" geliefert, aber kein Gas, und soll dies dem Frl. Go dard während ihrer 25jährigen Thätigkeit auf dem Gebiete der Aeronautik noch nicht passirt sein; sie hat ziemlich 2000 Mal den Lüften sich anvertraut, auch schon zu Pferde. Man ist gespannt, wie die GaSfabrik auf die erhobene Klage ant worten wird. Falls besseres Gas zu beschaffen ist, soll dem Publikum nächsten Sonntag Entschädigung geboten werden. — Wie der Vormarkt, so ist auch der Jahrmarkt selbst an beiden Tagen mehr als schlecht gewesen: von Käufern und Verkäufern ganz wenig besucht; letztere verließen zum großen Theil schon Dienstag Mittag Dresden wieder, da sie nicht die Spesen verdient hatten. Potschappel. Einem hiesigen Einwohner, der sein todt- geborenes Kind in einer Schachtel auf den Friedhof tragen und der sich an einem kühlen Orte ein wenig auSruhen wollte und dabei eingeschlafen war, ist die Schachtel gestohlen worden, jedenfalls in der Annahme, daß sie werthvolle Sachen enthalte. Die Sache ist bei der Polizei zur Anzeige gelangt. Leipzig. Die Frequenz der hiesigen Universität beträgt in diesem Semester 2948, darunter 2861 inscribirte und 87 nicht immatrikulirte Hörer; von ersterer Zahl sind 1805 Nichtsachsen und 1056 Sachsen. Theologen zählt man 366, Juristen 938, Mediciner 335, Philosophen 1222. Berlin. Das Befinden des Kaisers bessert sich, namentlich nimmt die Anschwellung des rechten Armes stetig ab ; auch die Stimmung des Kaisers ist, sobald die Schmerzen am Arme ihn verlassen, eine gute und zu Heiterkeit geneigte. Bei dem ersten Versuche, vom Bett zum Lehnstuhl zu ge langen, pausirte er, und sich selbst musternd, bemerkte er zu den ihn Führenden über sein Gehen: „Nun, Paradeschritt ist das noch nicht!" Die Aerzle sind sehr erfreut, daß sie an dem Kaiser einen so ruhigen und geduldigen Patienten haben; kein bitteres Wort kommt über des edlen Monarchen Lippen um des ihm zugefügten Leides willen; er dankt für alle Theilnahme, freut sich über die Blumenpracht in seinem Zimmer, die täglich neu beschafft wird zur Bereitung von Ueber- raschungen. Bis der Kaiser im Stande sein wird, eine Reise behufs der Uebersiedelung zu machen, können wohl noch vier Wochen vergehen. — Der Congreß hielt am Montag und Dienstag, je von 1—4 Uhr Nachmittags, Sitzungen und beschäftigte sich mit der bulgarischen Frage, welche wohl noch mehrere Sitzungen beanspruchen wird. Der an der Gicht erkrankte Fürst Gort- schakoff nahm nicht Theil an den Berathungen.