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Donnerstag. Rr. 4V. 18. April 1878. Weißerih-Ieitmrg. Amts-Matt für die Königs. Amtsßauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königs Kerichts-Aemter und die Stadträti-e zu Dippoldiswalde und Krauenstcin. Verantwortlicher Redacteur: Cät't Ichne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich drei Mal: Dienstags, Donnerstags nnd Sonnabends. — Au beziehen durch alle Post- Anstalteu und die Agenturen. — Preis vierteljährlich 1 Mark 23 Pfg. — Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. für die Spalten-Zeite, oder deren Raum, berechnet. Amtlicher Theis. Bekanntmachung. Nachdem von der Königs Amtshauptmannschaft unter Mitwirkung des ihr beigeordneten Bezirksausschusses und des Königlichen Bezirksarztes zum Zwecke der Negulirung des Ziehkinderwesens ein Regulativ aufgestellt worden ist, so wird solches in Nachstehendem andurch mit der Aufforderung an die OrtSpolizeibehörden, sich die Aufsichtsführung über die Zieh kinder nach Maßgabe des Regulatives angelegen sein zu lassen, und mit dem Bemerken andurch bekannt gemacht, daß jeder Ortsbehörde ein Druckexemplar dieses Regulatives unentgeltlich zugefertigt werden wird, für die gleichzeitig zugehende Be lehrung über Kinderpflege mit den beigefügten Erlaubnißscheiuen aber eine Gebühr von 10 Pf. zu entrichten ist. Dippoldiswalde, am 10 April 1878 Königliche Amtshauptmannfchaft. von Kessinger. Regulativ, das Ziehkinderwesen im Bezirke der königl. Amtshauptmannfchaft Dippoldiswalde mit Ausnahme der Stadt Dippoldiswalde betreffend. H 1. Wer ein noch nicht 7 Jahre altes Kind gegen Entgeld oder gegen eine sonstige Vergütung zur Pflege und Erziehung bei sich ausnehmen will, bedarf hierzu der Genehmigung der Ortspolizei behörde — Bürgermeister, Gemeindevorstand, Gutsvorsteher —, welche in der Regel vor der Aufnahme des Kindes, spätestens aber binnen 84 Stunden nach der Ausnahme desselben, nachzusuchen ist. H 2. Die Genehmigung zur Ausnahme von Zieh- oder Pflegekindern darf stets nur auf Widerruf und lediglich solchen Per sonen ertheilt werden, die gut beleumundet sind, die in geordneten häuslichen Verhältnissen leben, und sich im Besitze gesunder Woh nungen befinden und von welchen vorausgesetzt werden darf, daß sie ihre Ziehkinder gewissenhaft abwarten, beaufsichtigen und erziehen werden. Als gesund für Ziehkinder können Souterrainwohnungen in der Regel nicht angesehen werden. § 3. Erscheint diese Genehmigung zulässig, so hat die Orts polizeibehörde den Zieheltern einen Erlaubnißschein nach dem angesügten Schema sud <Z auszufertigen und kostensrei einzuhän digen, andernfalls aber herbeizuführen, daß das Ziehkind aus seiner Pflege alsbald wieder entnommen und anderweit untergebracht wird. K 4. Von jedem Erlaubnißschein ist von der Ortspolizeibehörde alsbald ein Duplicat an den königlichen Bezirksarzt einzusenden, welcher unter Mithilfe der im Bezirke wohnhaften Aerzte, eventuell auch der Hebammen, in sanitärer Hinsicht die Ziehkinder zu beauf sichtigen freiwillig übernommen hat. 8 5. Wenn Ziehkinder mit ihren Zieh- oder Pflegeeltern die Wohnung wechseln, wenn sie aus ihrer bisherigen Pflege entnommen werden oder versterben, so ist hierüber von den Zieh- oder Pflege eltern längstens binnen 24 Stunden nach der stattgefundenen Ver änderung oder nach dem Eintritte des Todes, unter Rückgabe des in § 3 gedachten Erlaubnißscheines, bei der Ortspolizeibehörde An zeige zu erstatten. H 6. Zieh- oder Pflegeeltern haben bei der Erziehung und Pflege der ihnen anvertrauten Kinder, deren Zahl in der Regel nicht mehr als 3 zu gleicher Zeit betragen soll, nach einer zu diesem Zwecke ausgestellten Instruction und Belehrung über Kinderpflege, von welcher ihnen ein Exemplar mit der Ertheilung des in Z 3 erwähnten Erlaubnißscheines zugestellt werden soll, sich zu richten, dabei auch den Rath und die Anordnungen der zur Aufsichtsführung über das Ziehkinderwesen von der Behörde berufenen Personen ent gegenzunehmen und zu befolgen. 8 7. Die Controle über das Ziehkinderwesen übt zunächst die Ortspolizeibehörde, bez. unter Benutzung der ihr zur Verfügung stehenden Gemeinde- und Ortsdiener aus. Hierbei hat sie jedoch je nach der Größe der Gemeinde und der Zahl der nach gegen wärtigem Regulative zu beurtheilenden Ziehkinder, Einrichtungen zu treffen, welche die regelmäßige und genaue Uebcrwachung eines jeden Ziehkindes möglich machen. Insbesondere ist Seiten der Ortspolizeibehörde thunlichst darauf hinzuwirken, daß entweder bestehende oder »och zu bildende Frauen- Vereine durch ihre Mitglieder sich der Milüberwachung der Behand lungsweise der Ziehkinder unterziehen. Die bei der Beaufsichtigung der Zieh- oder Pflegeeltern sich etwa ergebenden Ungehörigkeiten und sonstigen Wahrnehmungen sind der Ortspolizeibehörde auch unaufgefordert mitzutheilen, welcher ob liegt, durch Vorkehrung geeigneter Maßregeln, nach Befinden durch Entnahme der Ziehkinder von den Zieh-' und Pflegeeltern, die be fundenen Uebelstände abzustellen. ( § 8. Für den Fall der Erkrankung eines Ziehkindes sind die Zieh- oder Pflegeellern verpflichtet, sofort einen Arzt Herbeizurusen.