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Donnerstag. Nr. 14. 31. Januar 1878. Weißerih-Iettnng. Amts-Matt für die Königs. Amtsyauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königs. Kcrichts-Acmtcr und die Stadträtl-e z« Dippoldiswalde und Israuenstein. Verantwortlicher Redacteur: Cärl Jehnc in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich drei Mal: Dienstags, Donnerstags nnd Sonnabends. — Au beziehen durch alle Post- Anstalten nnd die Agenturen. — Preis vierteljährlich 1 Mark 25 Pfg. — Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit lO Pfg. für die Spalten-Zeile, oder deren Raum, berechnet. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, 30. Jan. Wer nicht ^ugeben wollte, daß die allgemein beobachtete Flauheit und Stockung des Geschäftslebens in noch ungebesserter Weise im Allge meinen fortdauere, der braucht blos sein Augenmerk auf die auffällig große Anzahl Von „armen Reisenden/ wie sich arbeitslose Handwerksburschen beim „Fechten" gewöhnlich vor zustellen pflegen, zu richten, wie sie alltäglich auch bei uns beobachtet werden kann. Es ist nicht zu verwundern, wenn Einem unter diesen „armen Reisenden" nicht selten Individuen aufstoßen, welche man als Vagabunden zu bezeichnen versucht ist, obschon sie dieses ehrenrührige Prädicat nicht im Ge ringsten verdienen. Denn daß bei monatelanger Wanderschaft, in welcher die „armen Reisenden" vergeblich Arbeit suchen, die Garderobe und der Beutel gar bald die Schwindsucht bekommen müssen, ist selbstverständlich. Schlimm ist es, daß diese Mittellosigkeit die üble Folge hat, daß die Gastwirthe in Stadt und Dorf sich gar oft weigern, derartigen Indivi duen Unterkommen, besonders während der Nacht, zu ge währen und die so förmlich Geächteten leider gezwungen sind, entweder im Freien zu nächtigen oder sich einstecken zu lassen. Wer noch nicht in Schmutz und Elend verkommen ist, also Scham und Ehrgefühl eingebüßt hat, wird sich vor diesem Auskunftsmittel gewiß scheuen, zumal dasselbe eine unliebsame Bemerkung in der Reiseleqitimation, ja den SchubtranSport in die Heimath zur Folge haben kann. Ausgehend von dieser bemitleidenswerthen Lage manches braven Arbeiters, der unter der allgemeinen Nothlage unverdient leidet, hat der hiesige Gewerbeverein sich unlängst in einer Vorstellung an den Stadtrath gewendet, und denselben ersucht, eine Einrichtung treffen zu wollen, durch welche nickt nur der Pflicht der Humanität, sondern auch der, nach 8 28 des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz unabweisbaren Pflicht, Hilfsbe dürftigen die unumgänglich uothwendige Unterstützung zu ge währen, genügt werde. Wie wir hören, hat der Stadtralh beschlossen, sich der betreffenden Angelegenheit anzunchmcn, vorerst aber durch eine Deputation die nöthigen Vorbcrathungen pflegen zu lassen. Da jedes Material zur Lösung der Frage: „wie am besten dem vorliegenden Bedürfnisse zu genügen sein werde," dankbar anzunehmen ist, so machen wir unsere Leser auf einen Vortrag aufmerksam, den Herr DiaconuS Zimmermann nächsten Montag auf hiesigem Rathhause über die Frage der Gesellenherbergen zu halten, und zu welchem der Gewerbeverein in nächster Nr. d. Bl. einzuladen gedenkt. Wie wir hören, ist es .der Wunsch des Vortragenden, daß sich an seinen Vortrag eine Debatte knüpfe, um Gelegenheit zu mehrseitiger Aussprache über den, im Interesse der Heran wachsenden Jugend nicht unwichtigen Gegenstand zu geben. — In den gestrigen Abendstunden bot die Mühlstraße das Bild einer sonst nicht gewöhnlichen Belebtheit dar. Groß und Klein pilgerte bei Sternenschein — und der Himmel war bei besonderer Klarheit prachtvoll gestirnt — nach dem großen Teiche, wo der Eisclub sein diesmal glücklicherweise nicht zu Wasser gewordenes, sondern steifgefrorenes Stiftungs fest feierte. Wen bei Lokalunkenntniß nicht die sanften Klänge der Hornmusik an die rechte Stelle geleitet hätten, der würde sicher den Festplatz nicht verfehlt haben, wäre er dem feen haften Lichtschimmer nachgegangen, der durch die entlaubten Baumwipfel weithin winkte und lockte. In der That war diese Illumination bei völlig ruhigem Wetter reizend gelungen. Zwar verbreiteten die rings um die Fahrbahn einzeln und in deren Mitte in weitgezogenen Festons angebrachten bunten Laternen nur ein zweifelhaftes, düsteres Licht; aber gerade das stimmte zu den magischen Kreisen, zu denen sich der Reigen der zahllosen Nixe und Gnomen verschlang, die mit stahlbeflügeltem Fuße über die klingende Fläche huschten. Männlein und Fräulein, beiderseits vom zartesten bis zum gesetzten Alter, Anfänger und Virtuosen, Vorwärtsler und Rückschrittler, die bescheidensten Riemenschuhe, die elegantesten Halifaxe — jedes Caliber war vertreten, und — was die Hauptsache war: Alles amüsirte sich auf der blanken Bahn bei dem erfrischenden, nerven- und muskelstärkenden Vergnü gen. Auch der Scherz machte sein Recht geltend; hier und da huschten Masken auf, und ein improvisirtes Restaurant sorgte für Erneuerung der in der frischen Temperatur um einige Grade sinkenden Lebenswärwe. Schlittschuhläufer und Gaste hat der gestrige Abend gleichmäßig befriedigt, und wir wollen blos wünschen, daß unserm Eisclub noch recht viele frohe Stiftungsfeste bescheert sein mögen! Dippoldiswalde. Wie unsere freiwillige Feuerwehr ihre Helmkasse, so hat unser Männergesangverein seine Flügel kasse, die seiner Zeit zur Beschaffung eines neuen Flügels gegründet wurde; und wie die Feuerwehr von Zeit zu Zeit öffentliche Produclionen zum Besten ihrer erwähnten Kasse veranstaltete, so gedenkt auch der Männergesangverein am nächsten Sonntag ein Eoncert abzuhaltcn, dessen Reinertrag der Flügelkasse zufließen soll. Wie wir hören, hat sich der im Laufe des vorigen Jahres zum Theil auf Actien gekaufte Flügel bisher aufs Glänzendste bewährt, und demgemäß wird das Programm klassische, sowie Salon-Piöcen enthalten, in denen die Schönheiten des Instrumentes zur Geltung kommen können. Außerdem wird der Flügel zur Begleitung mehrerer Chöre und Soli'S zur Verwendung kommen, und so wird das Programm Abwechslungen bieten, welche die bisher stattgefundenen GesangvereinS-Concerte nur bisweilen und in beschränkter Weise bieten konnten. — Den Herren Actionären