Volltext Seite (XML)
Donnerstag. Nr. 17. 7. Februar 1878. Weißenh-Heilung. Amts-Matt für die Königs. Amtsljauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königs. Gerichts-Aemter und die Stadträtl-e zu Dippoldiswalde und Aranenstein. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich drei Mal: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Zu beziehen durch alle Post- Anstalten und die Agenturen. — Preis vierteljährlich 1 Mark 23 Pfg- — Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. für die Spalten-Zeile, oder deren Raum, berechnet. Amtlicher Theis. Bekanntmachung. Mit Rücksicht darauf, daß hier einwandernde Fremde vielseitig in den hiesigen Gasthöfen das gesuchte Nachtquartier nicht gewährt erhalten, sowie mit Rücksicht darauf, daß auch in hiesiger Stadt das Betteln einwandernder Fremder zur Belästigung der hiesigen Einwohnerschaft in erschreckender Weise zugenommen, hat der unterzeichnete Stadtrath im Einver- ständniß mit dem Stadtverordneten-Collegium beschlossen, eine Herberge, wo dieselben Nahrung und Nachtquartier finden können, zu schaffen, auch denselben ein Geschenk in einer Marke von 20 Pfennig Werth zu geben, für welche in jener Herberge Nahrung und Nachtquartier gewährt wird. Da sich hiernach eine Unterstützung der armen Reisenden mit Geld nicht mehr nöthig macht, so richten wir an die hiesige Einwohnerschaft die dringende Bitte: an Bettler ja nichts mehr zu verabreichen, dieselben vielmehr an die betreffende Stelle zur Empfangnahme der Marke zu weisen. Nur wenn die Behörde vom Publikum in dieser Weise kräftig unterstützt wird, wird es ihr möglich werden, dem so um sich gegriffenen Bettelwesen in hiesiger Stadt mit Erfolg entgegen zu arbeiten. Als Stelle zur Empfangnahme der Marken ist für jetzt bestimmt das Geschäft des Herrn Kaufmann Louis Schmidt (am OberthorplaH), woselbst auch Auskunft darüber, wo sich die Herberge befindet, gegeben werden wird. Man bittet nochmals, Bettlern Geldgeschenke nicht zu geben, dieselben vielmehr zur Empfangnahme der Marke an die betreffende Stelle zu weisen. Dippoldiswalde, am 5. Februar 1878. Der Stadtrath. Voigt, Brgrmstr. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, den 6. Februar. Der am Montage im hiesigen Gewerbevereine gehaltene Vortrag des Herrn Diak. Zimmermann hatte eine zahlreiche Zuhörerschaft, be stehend aus Vereinsmitgliedern und Gästen, herbeigezogen. Unter letzteren bemerkten wir auch die Herren Amtshauptmann von Kessinger, Superintendent Opitz von hier, Pastor Ficker aus Reichstädt, Rittergutsbesitzer Aster auf Reinhardtsgrimma, Otto auf Naundorf u. A. Nach einigen gewerblichen Mit theilungen, in welchen der Vorsitzende, Herr Gustav Tcicher, vor dem neuerdings auch hier beobachteten betrügerischen Verfahren reisender Lebensversicherungsagenten warnte, sowie bei Anknüpfung von Geschäftsverbindungen mit neuen, unbe kannten Firmen zur Vorsicht mahnte, da erst kürzlich wieder 2 hiesige Geschäftsleute durch verfälschte Waare (Lederfett) arg geschädigt worden seien, gab derselbe Herrn Diakonus Zimmermann das Wort zu seinem Vortrage über „Ein richtung von Heimstätten, namentlich für reisende Handwerksgesellen." Er (Redner) anerkenne mit Freuden, was der Stadtrath von seinem Standpunkte aus zur Abhilfe des namentlich die reisenden Handwerker hart betreffenden Nothstandes unserer Tage zu thun beschlossen habe; trotzdem wolle er aber Wit weitergehenden Vorschlägen herantreten. Es handle sich um ein ganz neues Project, nämlich um Errichtung einer selbst ständigen Gesellenherberge, wie sie unter dem Namen „Herbergen zur Heimath" schon in vielen größeren und mittleren Städten eingerichtet worden seien. Dieselbe solle zunächst nicht Wohlthätigkeitsanstalt, sondern eine Einkehrstätte sein, wo vor Allem reisende Handwerker zu den denkbar nie drigsten Preisen, für ihr eigenes Geld, Kost und Schlasstätte finden, und wo zugleich dem notorisch ganz mittellosen, aber nur diesem, geschenksweise gegeben werden müsse, was er eben augenblicklich braucht. Eine derartige Herberge solle herauswachsen aus einer freien Vereinigung von Personen, die ein Herz für die Sache haben; sie werde durch einen Vorstand beaufsichtigt und durch einen Herbergsvater, der Handwerker sein und sein Geschäft fortbetreiben solle, geleitet. Die freie Vereinigung bilde sich aus Solchen, die, anstatt den „Fechtenden" einzeln zu geben, sich verpflichten, ihren Beitrag, beispielsweise 20—30 Pfennige monatlich, an die Herbergskasse zu zahlen, eine Ablösung, bei der Jeder besser wegkomme, als bisher. Diese allgemeinen Grundzüge führte der Redner nun in seinem mit großer Liebe zur Sache und mit Sachkenntniß entworfenen Vortrage weiter aus, namentlich betonend, daß