Volltext Seite (XML)
schwarzen Schnurrbarte, dunkelblondem, theilweise schon grauem Haare und bekleidet mit einer böhmischen Mütze, einem blauen, kurzen Tuchrock und schwarz-grauen Stoffhosen. Alle Criminal- und Polizeibehörden werden ersucht, auf diesen Unbekannten zu fahnden, ihn im Betretungsfalle festzunehmen und hierüber Nachricht anher zu geben. Frauenstein, am 21 Juli 1877. Königliches Gerichtsamt. Küchler. Tagesgefehichte. Dippoldiswalde. In den letzten Tagen vergangener Woche hat der Kornschnitt auf den Feldern unserer Um gebung begonnen; in vielen Ortschaften des Bezirkes wird es heute Montag und in den nächsten Tagen geschehen. Dresden. Die sächsische Regierung wird als eine der ersten Vorlagen den sächsischen Kammern einen Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung der akademischen Gerichts barkeit, unterbreiten, und soll die Aufhebung des Univer- sitätSgerichteS noch vor dem Inkrafttreten der neuen Justiz gesetze (1. Octbr. 1879) erfolgen. — Der Kammerzahlmeister I. M. der Königin Carola ist mit Hinterlassung eines KassendeficitS von 8000 Thlr. verschwunden. Er hatte für einige Tage Urlaub genommen und ist am Sonnabend im „großen Gehege" hier erschossen aufgefunden worden. — Das übliche Feuerwerk beim Dresdner Vogel schießen wird Heuer nicht stattfinden, weil der Verfertiger — keine Stelle findet, wo er arbeiten kann. Die Behörden sind nach dem Steinmüller'schen Fall eben streng geworden in der Ertheilung der Erlaubniß. Wurzen. Die Massenvergiftung durch milzbran diges Fleisch hat in der Bürgerschaft eine Erbitterung hervor gerufen, wie sie kaum jemals dazewesen ist, und sie ist auch sehr gerechtfertigt. Als die Fleischer Richter und Schubert nach Oschatz tranSportirt werden sollten, entstand ein großer Menschenauflauf, und die Behörden hatten alle Mühe, die Jnculpaten vor der Selbstjustiz des Volkes zu schützen. Es sind jetzt über 100 Personen in ärztlicher Behandlung, neuer lich auch wieder 3 gestorben, im Ganzen jetzt 12. Die Ent rüstung ist so begründet, weil die Wurzener Fleischer stets auf Preise hielten, wie sie in Großstädten bestehen und weil die dortige Innung in Folge eines alten bischöflichen Ver mächtnisses im Besitz einer bedeutenden Strecke von Acker, Feld und Wiesen sich befindet, „damit (wie es in der Urkunde heißt) die Stadt Wurzen immer gutes und billiges Fletsch haben möge." — Der traurige Fall wird hoffentlich die Ein führung einer obligatorischen Fleischbeschau veranlassen, und es wird dringende Aufgabe des Landtages sein, nach dieser Richtung hin reformirend in die Gesetzgebung einzugreifen. Berlin. Der Kaiser erfreut sich in Gastein des besten Wohlseins und setzt seine Badekur und täglichen Spaziergänge auch bei weniger günstiger Witterung fort. — Prinz Wilhelm, der Sohn des Kronprinzen des Deutsches Reiches, der jetzt in Potsdam als Premierlieutenant des 1. Garderegiments lebt, führt, was bei einem Enkel eines jetzigen Kaisers, dem Sohne eines künftigen Kaisers und dem dereinstigen Träger einer Kaiserkrone wohl hervorgehoben zu werden verdient, das bescheidenste Leben, das sich unter den bestehenden Verhältnissen eben denken läßt. Jedenfalls ist dasselbe ein einfacheres, als das sehr vieler der hiesigen adeligen Offiziere, die sich an dem zurückgezogenen und be scheidenen Leben des Prinzen füglich ein Muster nehmen könnten. Derselbe ißt täglich — und zwar für den Preis von 1 M. 25 Pf. — an dem Mittagstische des hiesigen Offiziercasinos. Nur einmal in der Woche sieht er regelmäßig Kameraden zu Tische bei sich. — Aus Potsdam wird geschrieben, daß die, am Ein gänge zum Park von Sanssouci gelegene Villa, welche das erste Enkelkind des Kaisers, das in den Stand der Ehe treten wird, Prinzessin Charlotte, mit ihrem Gemahl, dem Erz herzoge Georg von Meiningen, beziehen wird, in den baulichen Veränderungen ziemlich beendet ist. Die Villa ist nur etwas größer, als eine Privatbesitzung Potsdams, hat einen sehr schönen Garten; sonst erinnert nichts daran, daß in dieselbe ein junges fürstliches Paar nach seiner, wahrscheinlich schon in einigen Monaten stattfindenden Hochzeit seinen Einzug halten soll. Elsaß. In Straßburg hat sich die Nothwendigkeit herausgestellt, außer den von Anfang an projectirten detachirten Forts noch ein Fort an dem rechten Rheinufer zu errichten, da es sich herausgestellt hat, daß der Fluß von dem Fort Nr. 10 nicht genügend unter Feuer genommen werden kann. Dieses Fort wird seine Lage zwischen letzterem Werke und dem Rhein in der Nähe der Altenheimer Mühle erhalten und die Zahl solcher Werke dadurch auf 14 erhöht werden. Mit dem Bau soll demnächst begonnen werden. Von der böhm. Grenze. Aus Komotau wird be richtet, daß längs des Erzgebirges Heuer ein solcher Reich- thum an Obst zu erwarten stände, wie dies seit Jahren nicht der Fall gewesen, und daß für den Herbst ein reger Verkehr mit dem benachbarten Sachsen in Folge dessen statt finden würde. — In Dux in Böhmen hat man eine Einbrecher- Bande verhaftet, welche an der sächsisch-böhmischen Grenze vielfache Diebstähle verübt haben soll; auch mehrere Hehler bei denselben wurden feftgefahren. Oesterreich-Ungarn. Die Frage, ob die durch den Balkanübergang der Russen geschaffene Situation derjenige Moment sei, in welchem Oesterreich-Ungarn sich berufen finden müsse, aus seiner bisherigen Haltung herauszutreten und activ einzugreisen, wird lebhaft verhandelt. Von ungari scher Seite wird die Frage bejaht; in Wien ist man ruhiger darüber, da ein eigentlich entscheidendes Ereigniß auf dem Kriegsschauplätze noch nicht vorliegt. Zur Wahrung seiner eigenen Interessen wird daher Oesterreich-Ungarn kaum früher Veranlassung finden, als bis der Kampf entschieden ist und es sich um die Friedensfrage handelt. — Die Aussichten auf das Zustandekommen eines Handelsvertrages zwischen Oesterreich und Deutsch land sind immer noch sehr unklar. Von einer Seite wird gesagt: daß der Abbruch der Verhandlungen zur Zeit nicht erfolgt und eine Verständigung nicht ausgeschlossen sei; von anderer heißt es: daß die österreichische Regierung keineswegs zu den Concesstonen geneigt sei, welche von der deutschen Regierung hinsichtlich der Vereinbarung des Zolltarifs durch aus verlangt werden. , Türkei. In Konstantinopel ist eine allgemeine Ministerkrisis ausgebrochen, deren Bedeutung sich erst abschätzen läßt, wenn die neuen Ernennungen werden erfolgt sein. Eine Palast-Clique in der türkischen Hauptstadt leitet nämlich den Gang der politischen Dinge; nur ihre Berichte vom Kriegsschauplätze gehen dem Sultan zu; sie sind die leitenden Factoren und der Sultan ist vollständig von ihr abhängig. Eine Katastrophe wie im vorigen Jahre ist gar nicht unmöglich. — Der Großwesir Edhem Pascha wird zu rücktreten; ebenso der Minister des Aeußern, Savfet Pascha und der Kriegsminister Redif Pascha. Zu diesem Allen kommt, daß der Obercommandire der türkischen Armee, Abdul Kerim Pascha, abgesetzt und an seiner Stelle Achmed Ejub Pascha ernannt wurde; auch zum Schutze AdrianopelS wurde ein Anderer, Suleiman Pascha, erwählt. Es wäre wirklich