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empörte sich die männliche Ehrenhaftigkeit de« älteren auf das Alleräußerste gegen die Dieberei im anständigen Gewände, fürchtete; er, die Geliebt» seine» Herzen» mit hineingrzogen zu sehen in den Strudel de« Verhängnisses, obgleich sie alle Unredlichkeit eben so glühend, so entschieden verabscheute, al« er selbst e« that. > „ Bringen Sie mir Cigarren und einige Hamburger Blätter!" befahl Georg, um den Kellner zu entfernen. „Gut, daß die Spitzbüberei endlich entdeckt ist!" „Da« weiß Gott, mein Herr!" rief davoneilend der An» gAdete, während sich Georg zu seinem Bruder wandte und ihn flüsternd bat, sich doch ein wenig zu beherrschen. Adolph stqich auf und raunte ihm eben so leise zu, daß er in einer Stunde wieder hier sein werde, bat ihn flehentlich, um GotteS- tWeri, nicht vor seiner Rückkehr fortzugehen — er wolle ihm Mer Alle« sagen. „Geh nur; mir ist'« wahrhaftig lieber!" gab Georg zurück, „du hast gar keine Welterfahrung, wie e« scheint; Alles spiegelt sich in deinen Zügen. Ich bleibe hier und wäre e« bi« an den jüngsten Tag." Und der juüge Trotzkopf, dem da« Leben noch ein weiche« Wachsgebilde schien, da«, mit fester Hand erfaßt, sich biegen lässen mußte, wie es feine Laune btfahl — dieser warme thörichte Schwärmer, setzte sich bequemer, um rauchend zu lösen und Wein zu schlürfen, während doch der Boden unter seinen Füßen brannte, während ein einziges Wort seine« ge- fangeilen Genossen die Polizisten hierher zurückführen konnte. Der Ingenieur ging schnellen Schritte« nach Hause, um Valeska aufzusuchen, sie rechtzeitig zu warnen. Er trat kodtenbleich in ihr Zimmer, bebend vor Aufregung, so daß sie ihn erschreckt ansah. „Um Gotteswillen, du bist krank, mein Adolph!" rief sie. Er schloß sie fest mjt beiden Armen an die Brust. „O BaleSka, vergieb, daß ich manchen Gedanken de« Zweifels, de« GewissenSvorwarf« nicht unterdrücken konnte," flüsterte er leidenschaftlich — „ich bin bestraft, ich erkenne jetzt, daß ich ohne dich nicht mehr leben könnte und müßte ich deinet wegen noch viel größere« Unrecht begehen, al« es eine verbotene Liebe ist. Meine Valeska, mein Alles!" Er küßte die erstaunte Frau, al« fürchte er, sie unmittel bar verlieren zu müssen, als sei er lange schwere Tage von ihr getrennt gewesen; dann erst berichtete er ihr möglichst schönend, wa« sie längst mehr al« halb ahnte und endlich die Verhaftung ihre« unwürdigen Mannes. Er bat sie dringend, jetzt gleich da« HauS zu verlassen und die nächsten Stunden für einen Spaziergang außerhalb der Stadt zu benutzen, da ja doch immerhin eine Verhaftung möglich sei und wenigsten« ihre persönliche Freiheit sehr beschränkt werden würde. „Komm bei Anbruch der Dunkelheit an jene Stelle, wo wir un« kennen lernten," schloß er, „da triffst du mich und meinen Bruder. — Versprichst du mir da« bei'Allem, wa« dir heilig ist?" „Bei unsrer Liebe, Adolph!" lächelte sie. „O ich brauchte also nie mehr zu fürchten, daß du meiner bereits überdrüssig wärest, daß mich da« gewohnte Schicksal Derer, welche mehr aufrichtig als klug sind, jetzt schon ereilt hätte?" „Nie — nie kann dich das ereilen! Aber ich habe deinen Schwur, daß du an die bezeichnete Stelle kommst- so bald e« dunkelt?" „Wenn ich bi« dahin nicht gestorben bin — ja!"' „O sprich nicht vom Sterben, sprich nicht von Trennung!" bat er. „Mir ist das Herz schwer, wie noch niemals!" „Dann bleib hier bei mir, Adolph, und lege Deinen Kopf an meine Brust!" schmeichelte ValeSka; „ich will dich trösten, dich, curiren. Wenn Gerichtsdiener kommen, so lasse ich mich verleugnen!" „Nein,'um de« Himmelswillen nein!" rief er erschreckt. „ES könnte Wache in da« HauS gelegt werden! Zieh dich warm an und rechne darauf, nicht wieder hierher zurückzu kommen. Ich bringe deinen Koffer mit dem meinigen, wenn e« angeht, sonst mußt du eben die Unbequemlichkeit bi« Nech- Avrk ertragen." , „Ich gehe jetzt, um meinen Bruder aufzusuchen, der dich schon heute an da« Schiff bringen wird — nimm keine Papiere mit, laß alle« baare Geld zurück und laß nicht« verrathen, daß du auf immer gegangen." „Ich will Alle« thun, waS.du befiehlst, mein Adolph!" flüsterte zärtlich die junge Frau. . „So leb wohl bi« dahin — e« sind nur drei Stunden!" Er hielt sie fest an sich gepreßt, er küßte sie und gab ihr alle Schmeichelnamen, welche zärtliche Liebe erfinden kann. „Es sind ja nur drei Stunden!" wiederholte er, wie um sich selbst zu trösten. Erst al« die Uhr de« kleinen traulichen Zimmer«, von dem er nun scheiden sollte auf ewig, vier schnelle Schläge vernehmlich ertönen ließ, riß er sich lo«, halb widerstrebend, halb magnetisch festgehalten — gewaltsam der Stimme der Klugheit gehorchend. „Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen!" flüsterte er, noch in der halbgeöffneten Thür, mit einem letzten Blick leidenschaftlicher Zärtlichkeit die schöne lächelnde Frau ansehend. — „Geh nur — ich komme gewiß!" Er zog unwillkührlich seufzend die Thür in« Schloß und eilte fort, um Georg zu bitten, daß er nicht zürnen möge, da anstatt der erbetenen einen Stunde, deren fast dritteyalb vergangen. Dann erzählte er dem jungen Menschen, welcher ihn stumm anhörte, mit einem engerischen verzweifelten Entschluß, die ganze Geschichte seiner Liebe, erzählte ihm, daß Valeska die Frau jenes verhafteten Herrn v. Lei Srink sei und stand nun, das Urtheil des jüngeren Mannes erwartend, vor dem, dessen erste schwankende Schrite er dereinst behütet hatte. „Georg, nun verdamme mich, wie ich es verdiene", sagte er, „aber rette BaleSka!" Die hübschen Züge Georg'S waren sehr ernst geworden. „Wir scheinen zu vielem Unglück bestimmt zu sein, Bruder", antwortete er, „und ich fürchte, das deine ist noch größer al« jenes, welches ich trage. Em Eid ist immer ein Eid, Adolph!" „Du willst uns also nicht helfen?" fragte traurig der Ingenieur. „Du der Einzige, dem ich mein Geheimniß an vertrauen kann?" „Doch, Adolph — jener Herr v. LeiSrink ist ein Edelmann, ein Officier, ein Schurke, der das Volk verachtet, er ist endlich mein eigener Todfeind! — ihm geschieht Recht, wenn er bestraft wird. Nur für deinen Frieden fürchte ich, Bruder; das Weib, welches wir lieben, muß so rein, so un tadelig wie die Sonne sein, sonst ist unser bestes heiligste« Empfinden entweiht!" „O die Arme — sie ist ganz Herz, ganz nur weiches schutzbedürftiges Weib!" flüsterte Adolph, „und so harte Worte sagst du!" Georg stand auf. „Ich will zu Gott hoffen, daß ich Unrecht habe, Bruder", antwortete er, „ich wünsche dir alle» Erdenglück, alle« Gute — aber jetzt muß ich nach Travemünde eilen, um mit Gottfried da« Boot zu jener Stelle zu bringen, wenn e« bei dem furchtbaren Sturm überhaupt möglich ist. Da treffe ich also die Dame und dich?" „Unbedingt, und du geleitest mir Valeska sicher an da« Schiff, nicht wahr? Sie hat allerdings Papiere, welche sie al« unsere Schwester legitimiren, aber di« hiesige Polizei könnte an Bord kommen — Georg, wa« machen wir dabei?" „Dafür laß mich sorgen!" versetzte der Jüngere. „Ich sagte dir ja von einem Freund, den ich an Bord habe, und wo überdies Geld genug vorhanden ist — " Er machte eine verächtliche Handbewegung, al« wolle er sagen: da giebt e« gar keine Gefahr! — Dann verabschiedete er sich von Adolph und fuhr so schnell al« nur möglich hinaus nach Travemünde, obwohl er selbst nicht glaubte, daß bei einem solchen Sturme, wie der vom zwölften November, ein Boot dem Wasser anvertraut werden könne. — (Schluß folgt.)