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— 938 Berlin. Der Reichstag setzte die Berathungen über daS Budget fort. Die neuen Steuerprojecte, die nach Allem eine unbedingte Ablehnung, sowohl der Börsensteuer, als der erhöhten Brausteuer, erfahren dürften, standen mit auf der Tagesordnung. Am Montag erschien Fürst BiSmarcl (in Kürassier-Uniform) im Reichstage. Seine äußere Er scheinung war höchst befriedigend, seine Gesundheit scheint wesentlich gekräftigt; er begrüßte mehrere Reichstags- und BundeSrathsmitglieder, auch Delbrück und Moltke, und be teiligte sich an den Debatten über die Steuerprojecte, indem er für dieselben sprach. Würden dieselben jetzt abgelehnt, so müßten sie im nächsten Jahre erneuert werden; er bäte, zunächst das Brausteuergesetz anzunehmen. Der Reichstag verwies dann beide Vorlagen an die Budget Commission. Baden. In Karlsruhe ist der Landtag vom Groß herzog mit einer Thronrede eröffnet worden. In derselben wird zunächst die Befriedigung des Großherzogs darüber ausgedrückt, daß unter den zum Landtag versammelten Volks vertretern zum ersten Male auch der volljährig gewordene Erbgroßherzog erschienen sei, eS wird sodann hervorgehoben, daß der Ausbau der Reichsinstitutionen stetigen Fortgang nehme und die Hoffnung ausgesprochen, daß die auf dem religiösen Gebiete hervorgetretenen Beunruhigungen sich wieder in Vertrauen verwandeln würden. Oesterreich. Herzog Franz von Modena, Erz herzog von Oesterreich, der letzte männliche Sproß des Hauses Este, ist, wie in vor. Nr. d. Bl. gemeldet, in Wien ge storben. Mit ihm, der durch dreizehn Jahre über Modena geherrscht und seitdem seinen Aufenthalt in Oesterreich ge nommen hat, erlischt eine Familie, deren Name voll Glanz auf mancher Seite dir Geschichte Italiens sich bemerkbar macht. Das Haus Este hat nunmehr nur noch Vertreter weiblichen Geschlechts, es lebt aber Niemand mehr, der das Recht hätte, sich Herzog von Este nennen; den Ruhm ge meinsamer Abstammung von einer Reihe großer Ahnen theilten allerdings mit dem Verstorbenen die Fürstenhäuser von Groß britannien, Hannover und Braunschweig, die Welsen. Herzog Franz V. war am 1. Juli 1819 geboren, erreichte also ein Alter von 56 Jahren. Sein Vater war der Herzog Franz IV., seine Mutter die Herzogin Maria Beatrix, Tochter des Königs Victor Emanuel I. von Sardinien. Er wurde von den Jesuiten erzogen und vermählte sich 1842 mit der Prinzessin Adelgunde von Bayern, Tochter Ludwigs I. Kurz nach seiner Thronbesteigung wurde sein Land durch die Annexion von Guastalla und einiger Striche am mittelländi schen Meere vergrößert. DaS Jahr 1848 brach herein, und am 28. März mußte er sein Land verlassen, kehrte aber am 10. August nach der Kapitulation von Mailand wieder dorthin zurück, jedoch nur, um am 14. März 1849 wieder fliehen zu müssen. Nach der Schlacht bei Novara kehrte er mit einem österreichischen Armeekorps zurück. Am II. Juni 1859 mußte er in Folge der Schlacht bei Magenta sein Land abermals, und diesmal definitiv, verlassen; ihm folgte seine kleine Armee nach Mantua. Nach dem Frieden scheiterten alle Versuche zur Wiedergewinnung des verlorenen Thrones. Luigi Farini berief eine Nationalversammlung ein, die den Herzog für „regierungsunfähig" erklärte und ihn auf „ewige Zeiten" aus dem Herzogthum verwies. Ein Plebiszit be stätigte diesen Beschluß, und durch Dekret vom 18. März 1860 verfügte König Victor Emanuel die Annexion an Sardinien, wogegen der Herzog von Modena unter dem 22. März förmlich Protest erhob. Herzog Franz von Modena ist seit 1859 eigentlich von der politischen Bühne verschwunden, speziell seit 1862, als er seine kleine Armee, die ihm nach Oesterreich gefolgt war, aufgelöst hatte, tauchte sein Name nur sporadisch auf. Er gehörte seit jenem Zeitpunkt mehr dem sozialen Leben Wiens als der Politik an. Doch wirkte er hinter den Coulissen politisch mit, man versichert, daß er sowohl mit dem Grafen von Chambord, als auch mit Don Carlos besonders intime Beziehungen unterhalten habe. Zur Volks- und Gewerbe-Zählung. Um über die Wichtigkeit, wie über die Methode der Volks- und Gewcrbezählmig die rechten Anschauungen zu verbreiten, hat der Director des königl. sächs. statistischen Büreaus, Herr Regierungs rath Prof. I)r. Böhmert, sich angelegen sein lassen, in Kreisen von Lehrern, Kaufleuten und Gewerbtreibendcn Vorträge zu halten, welche nächst ihrem besondere» wissenschastlichen Inhalte auch durch die «»geschlossenen Darlegungen über die bevorstehende Zählung Inter esse gewannen. Ebenso sprach derselbe kürzlich in der „Ökonomischen Gesellschaft im Königreiche Sachsen" zu Dresden über die Bedeu tung der allgemeinen Wirthschafts lehre und Statistik für die Landwirthschaft, welchen gehaltreichen Vortrag die ge nannte Gesellschaft soeben im Druck erscheinen ließ (G. Schönfeld's Verlag, Preis 50 Pfg.). Gegen den Schluß der wirthschaflswissen- schastlichen Entwickelungen betont der Verfasser, daß namentlich auch der Landwirth die Mittel kennen müsse, um mit der geringsten Ar beit und dem geringsten Kapitale die höchsten Erträge zu erzielen. Insbesondere bedürfe es in Ländern, wie Sachsen, mit einer so dichten Bevölkerung, mit einem so hoch entwickelten industriellen und commer- ciellen Betriebe und mit einem so theuren Boden, auch für den Landmann der sorgfältigsten Beobachtung aller wirthschastlichen Er scheinungen. Ebenso müsse an der Statistik, der Hilfswissenschaft zur Erforschung der eigentlichen Zustände des Erwerbs- und Volks lebens, jeder Landwirth Interesse haben, um zuerst für sich selbst Statistik zu treiben, dann, um statistische Beiträge zu liefern für seine Gemeinde, für sein Vaterland und für die Wissenschaft über haupt. Eine ausführliche Darlegung über die bevorstehende Zählung beschließt das an Anregungen reiche Schriftchen. Die Oekonomische Gesellschaft hat sich durch Versendung desselben an die etwa 360 landwirthschaftlichen Vereine Sachsens verdient gemacht. Sparkasse in Reinhardtsgrimma. Nächster Erpeditions-Tag: Sonnabend, den 27. November, Nachmiltags von 4—7 Nhr. Sparkasse in Schmiedeberg. Nächster Erpeditions-Tag: Sonntag, den 28. November, Mittags von I I—1 Uhr und 'Nachmittags von 3—5 Uhr. Kirchliche Nachrichten. Dippoldiswalde. Freitag, den 26. Novbr., Vrrmitt. 9 Uhr, Wochencommunion Herr Tiac. Gersdorf. Vcrhavdluugcn der Stadtverordneten zu Dippoldiswalde. 21. Sitzung am 5. November 1875. Anwesend die Stadtverordneten: Wendler, Vorsteher, L. Schmidt, Buse, Walter, G. Teicher, Müller, Henke, Lommatzsch und Ersatzmann O. Näser. 1) Das Collegium verwilligte aus der Sparcasse 3600 Mark, 2400 Mark, 4800 Mark und 6000 Mark Darlehn an verschiedene Grundstücksbesitzer. 2) Hierauf nahm man Kenntniß von dein Antwortschreiben der Königl. Amtshauplmannschast hier vom 18./23. vor. Monats, wonach dieselbe der hiesigen Stadtgemeinde gegen Verzichtleistung aus die von der Bezirksvertretung zugestandene Entschädigung des durch die Verbreiterung des Dippoldiswalde - Glashütter Communi- cationsweges künftig entstehenden Unterhaltungs-Aufwandes das Recht der Anpflanzung von Obstbäumen aus beiden Seiten des gedachten Weges, bez. der Ergänzung dieser Baumbestände und der Inanspruch nahme der gesammten Nutzungen derselben zugesteht.