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kommensteuer, an die eine scharfe Kritik gelegt wurde. Da« Decret wurde der Rechnungsdeputation überwiesen. — Zur Errichtung eine« neuen Schullehrer-Seminar« verlangt die Regierung 426,000 Mark; über den Ort ist sie noch nicht einig, doch soll e« in einen der Bezirke Leipzig oder Zwickau kommen. Zwar würde ein Seminar dem Bedürfnisse an Lehrern nicht genügen; doch sollen finanzielle Rücksichten von weiteren Errichtungen abrathen, die von mehreren Seiten beantragt wurden, so vom Abg. Stauß, der 3 Seminare errichtet haben will. Dessen Antrag wurde auch angenommen und der Finanzdeputation überwiesen. Weitere königl. Decrete, darunter die Errichtung eine« Gymnasiums in Leipzig, wurden derselben Deputation überwiesen, mit dem Wunsche, daß letzteres in eine Mittelstadt deS Landes verlegt werte. — Die I. Kammer Hal den Entwurf des Gesetzes, einige aus Anlaß de« Reichsgesetzes über die Beurkundung deS Personenstandes und Eheschließung vom 6. Februar 1875 nothwendig gewordene Abänderungen des bürgerlichen Gesetzbuches und damit in Verbindung stehende Bestimmungen enthaltend, berathen, und wurde namentlich vom katholischen Dekan Bernert dagegen gesprochen, welcher erklärte: die Katholiken würden sich unterwerfen, „soweit es die Religion gestatte und soweit es nicht durch Vorschriften des katholischen Glauben« verboten sei." Das neugewählte Oberhaupt der katholischen Kirche in Sachsen (Vikar Bernert) stimmte nicht nur gegen die Regierungsvorlage und versagte dadurch einem zu Recht bestehenden Reichsgesetze die Anerkennung, sondern er begründete seine Abstimmung auch noch durch höchst be denkliche Aeußerungen, welche die Souveränetät des Staates der Kirche gegenüber geradezu in Frage stellen. Er will sich den Gesetzen des Staates nur unterwerfen, „soweit es die Religion gestattet," er stellt sich also auf einen Standpunkt mit LedochowSky, Ketteler rc.! Die anwesenden drei Minister erwiderten nicht« auf diese Auslassungen, wohl aber Ober bürgermeister Andree aus Chemnitz, der das Versäumniß der Regierungsvertreter wieder gut machte und die Ehre des Staates wider die hierarchischen Anmulhungen des Herrn Vikar Bernert wahrte. Die Vorlage ward mit allen gegen 2 Stimmen (Vikar Bernert und Abg. Meinhold) an genommen. — Die Kammern des Landtages werden nächsten Monnerstag vertagt werden, um erst im neuen Jahre (An fang Januar) wieder zusammenzutreten. ' — Die Obst-Ausstellung des Landes-Obstbau-VereinS im Locale der „Flora" (Brückenstraße) ist außerordentlich reich beschickt worden; der Naturfreund wird in ihr in sinniger Betrachtung verweilen und die reichen Gaben des Obstbaues bewundern. Man erblickt Tausende von Birnen in sonder baren Gestaltungen, sogar Kirschen, Himbeeren rc. Aus dem Garten des Bankier Frege in Abtnaundorf bei Leipzig sind allein 450 Sorten Obst ausgestellt; Weintrauben in den schönsten Sorten namentlich von O. Geißler in Meißen. Die PreiSvertheilung betreffend, so erhielt Herr Inspektor Lauche aus Abtnaundorf den von Sr. Mas. dem König gestifteten Extraprei« (ein Krystallpokal mit silbernem Deckel und silbernem Untersetzer); den l. Extrapreis Ihrer Mas. der Königin (Fruchtschaale mit Tellern aus Porzellan) erhielt derselbe Herr; den 2. Extrapreis Herr Particulier Schwert für Birnen, und die silberne Vereinsmedaille für Trauben und Aepfel. Den 1. Preis, die vom Ministerium gestiftete Medaille für Verdienste Uly die Landwirthschaft, erhielt der Geschäftsführer des LandeS-Obstbau-Berein«, Hr. HanrelSgärtner Lämmerhirt in Obergorbitz für die beste Sammlung des bewährten Tafel- und WirthschaftSobstes für Plantagen und Chausseen in einer Höhenlage unter 350 Meter. Außerdem wurden noch 12 silberne und 15 bronzene VereinSmedaillen vertheilt; unter den Empfängern befindet sich der landwirthschaftliche Verein Dippoldiswalde, dem dieselbe für ein Collectiv-Obst sortiment verliehen wurde, und Herr Pastor Köhler in JohnSbach, der sie erhielt für gemischte Sammlungen von verschiedenen Obstsorten. Der Schluß der Ausstellung er folgte am Montag, 25. Octbr., Abend«. — In voriger Woche fand auf dem Kaiser-Wilhelms- Platze der alljährliche Meerrettig-Markl statt. Viele Hunderte von Säcken dieser Wurzel, mit der mehr Thrätien entlockt werden können, als mit den meisten Trauerspielen der Jetztzeit, paradirten in Reihe und Glied. Am ersten Tage waren für ca. 10,000 Mark Meerrettig am Platze. Die Verkäufer — biedere Spreewäldler — sollen mit den Geschäften recht zufrieden gewesen sein. Aus dem Elbthale. Seit langen Jahren war der Traubenreichthum nicht so groß als Heuer. Während andere Jahre die Niederlößnitzer Champagnerfabrik von Cos wig bi« Pillnitz Alles aufkaufte, um ihren Bedarf zu decken, hat sie dieses Jahr, trotz deS bei weitem größeren angekauften Quantums, nicht im Entferntesten Alles abnehmen können. Dabei ist von einer Absatznoth jedoch nicht die Rede, da die kleinen Bergbesitzer ihre Trauben an die Champagnerfabriken und an Weinhanrler loSgeworden sind und die Besitzer der großen Berge selbst pressen und den Wein lagern. Thüringen. In Gera hat am 22. October eine Hinrichtung stattgefunden; der dreifache Raubmörder Schlörr wurde mittelst des Beiles vom Leben zum Tode gebracht. Berlin. Die späte Einberufung des Reichstages, verbunden mit der Thalsache, daß von den Vorlagen, die für ihn bestimmt sind, noch keine einzige wichtigere bisher fertig gestellt ist, machen es wünschenSwerth, daß der Reichstag diesmal zu Weihnachten abschließe. In Preußen, Bayern, Sachsen und anderen deutschen Staaten rechnet man darauf, für die Angelegenheiten des eigenen Landes von Beginn de« neuen Jahres an freien Spielraum zu haben. Unter diesen Umständen dürfte es sich empfehlen, die Neichstagssession auf die Berathung deS Etats and einiger kleiner, unauf schiebbarer Vorlagen zu beschränken und alle übrigen Entwürfe zurückzustellen. — Die letzten fünf Franziskaner, die sich in Fulda noch aufgehalten, sind am 20. d. Mts. ausgewiesen worden. Bayern. Der Brief des König« Ludwig an seine Minister, in welchem er seine Zufriedenheit über ihre Amts führung ausspricht, gelangt in allen Städten Bayerns zur weitesten Verbreitung; die Bevölkerung rührt sich auch bereiis, nm dem König auf diese Kundgebung zu antworten, indem in vielen Städten Resolutionen angenommen werden, in welchen dem Gefühl des Dankes und der Freude Ausdruck gegeben wird über die Worte, mit denen der König die Adresse der ultramontanen Kammermajorität und das. Entlassungs gesuch der Minister beantwortete. Die Klerikalen wissen nun, woran sie sind; ihr Führer Jörg saß in der Abgeordneten kammer wie zerbrochen da — er wird keine Mehrheit wieder zusammenbringen, denn die klerikal-patriotische Rückfluth gegen das Jahr 1870 ist auf ihrer Höhe gebrochen worden, jetzt kommt die Ebbe. Und sie wird stark sein. Das erhabene Bild König Ludwigs II. von Bayern aber strahlt im Glanze echt fürstlicher Weisheit und Entichlußkraft und unvergleich licher bayrischer und deutscher Vaterlandsliebe! Italien. Die Festtage in Mailand sind vorüber; der Kaiser Wilhelm ist am Sonnabend Mittag abgereist, be gleitet vom König, den Prinzen, dem Senat, den Behörden und der Kopf an Kopf gedrängten Volksmenge. Alle Be richte vermögen kaum den Jubel zu schildern, mit dem der Kaiser bei den Festtafeln, den Vorstellungen im Theater, bei den Paraden rc. empfangen wurde; zur Deputation der Deutschen äußerte er selbst, daß er kaum Worte finde, seine Freude über Alles auszudrücken; dem Präsidenten der Kam mer sagte er: „Ich habe nie etwas Aehnliches in meinem Leben gesehen. Ich bin glücklich über diesen Beweis sym pathischer und freundschaftlicher Gefühle, die zwischen unfern