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— 800 — noch so flehende«, dringende« Bitten die Ursache seine« Kummers entlocken konnte. Und doch mußte Oswald seinen Schmerz in einem unbewachten Augenblicke verrathen haben, diesen nagenden fressenden Schmerz, der ihn allmälig ausrieb I Eine« Morgen« trat Ludwig rasch und freudig in Oswald« Zimmer, und auf den Freund, der melancholisch am Fenster saß und die grauen Herbstwollen vorllberziehen sah, zueilend, rief er: „Du kannst mir gratuliren, Bruder herz, denn seit gestern Abend bin ich glücklich verlobter Bräutigam und in acht Wochen, gleich nach Weihnachten, ist die Hochzeit! Hier hast du eine Verlobungskarte!" Bei diesen Worten ward Oswald todtenbleich und warf einen verstörten Blick auf die Karte. Aber was ist das? Purpurröthe schießt ihm plötzlich in die bleichen Wan gen; daS noch eben starrblickende Auge verklärt sich, eine warme Thräne zittert an seinen Wimpern und mit jauch zendem Aufschrei stürzt er an deS Freundes Brust. Lautlos hielten sich Beide umschlungen, kein Wort wurde zwischen ihnen gewechselt, aber ihre Seelen verstanden sich auch ohne die Sprache de« Munde«. Ihre Freundschaft erhielt in diesem Moment die Weihe für das ganze Leben. Die Karte enthielt die Verlobungsanzeige des Fabrik besitzers Ludwig Elbert mit Mathilde Leuschner, der Tochter eines angesehenen Beamten; wenige Tage darauf folgte in demselben Blatte die Verlobungsanzeige deS zum Rath ernannten Assessors Oswald Mörner mit Fanny Lammers. Beide Nachrichten setzen verschiedene Thee- und Kaffee kränzchen in nicht geringe Aufregung, da keine der ehren« werthen Damen bis zu dem letzten Augenblicke auch nur die leiseste Ahnung von diesen neuen Bündnissen gehabt hatte. Konnten sich doch selbst die, welche die Angelegenheit am nächsten berührte, nicht Alles erklären! Der alte Lammers selbst wußte noch nicht, was Elbert veranlaßt haben mochte, ihm plötzlich brieflich mitzutheilen, daß er zu seinem tiefsten Bedauern den Gedanken an eine Verlobung mit Fanny aufgeben müsse und deshalb Herrn Lammers seines Wortes entbinde. Oswald aber glaubte seinen Augen nicht trauen zu dürfen, als er an demselben Morgen, an dem ihm Lud wig die Nachricht seiner Verlobung mit Fräulein Mathilde mitgetheilt, einen Brief von dem alten Herrn Lammers empfing, worin ihm dieser die vor Kurzem verweigerte Hand seiner Tochter Fanny selbst antrug. Eben so unerwartet, wie dem alten Lammers der Ab sagebrief Elberts, war dem RegierungSrath Leuschner die Bewerbung de« jungen Fabrikherrn Ludwig Elbert um die Hand seiner Tochter Mathilde gekommen. Der Rath kannte wohl den Fabrikanten; auch hatte Ludwig auf Bällen wohl zwei bis drei Mal mit Mathilde getanzt, doch bei alledem war diese Bekanntschaft eine so flüchtige, daß der alle Herr durch die plötzliche Werbung Ludwigs höchlichst, wenn auch freudig überrascht wurde. Denn er achtete Elbert al« einen tüchtigen Geschäftsmann, dessen Charakter schon deshalb ehrenhaft sein mußte, weil er der intimste Freund MörnerS, dieses allgemein geachteten Be amten, war. Mathildens Ueberraschung, die dem jungen lebenslustigen Manne nicht abgeneigt — auch sie war noch sehr jung — und noch durch kein anderweitiges HerzenS- bündniß gefesselt, war gleichfalls eine frohe, und gern reichte sie Elbert die Hand zum Bunde für's Leben. Elbert durfte sich übrigens über seinen raschen edelmuthigen Ent schluß, zu Gunsten seine« Freundes einer schönen Braut zu entsagen und eine Andere, vielleicht weniger schöne, zur Gattin zu wählen, nicht beklagen. ES fragt sich sogar, ob er mit Fanny so glücklich gewesen wäre, al« er e« mit Mathilde war. Es war nicht zu leugnen, Fanny'S Schönheit war blendender, verführerischer, berauschender beim ersten Eindrücke, als Mathilden« zarte, blonde, hübsche Erscheinung. Da für aber besaß die junge Frau Rathin, Fanny Mörner, eine Neigung zur Koketterie, welche Oswald, der seine junge Frau leidenschaftlich liebte, manche trübe Stunde be reitete. Fanny'« Zuneigung zu Oswald war nicht tieferer Natur. Dabei wußte sie, daß sie schön und reizend war, sie hörte gern die Bewunderung der Männer, und ihr leicht blütiger, flatterhafter Sinn verleitete sie oft zu Unbesonnen heiten, die mehr au« Unüberlegtheit, als au« innerer Natur entsprangen. Wir meinen damit jene« Kokettiren, welches in dem Herzen mancher, besonders eitler eingebilceter Männer Hoffnungen erweckt, die zu erfüllen oft durchaus nicht die Absicht derjenigen ist, welche sie hervorgerufen haben, ein gefährliches Spiel, welches schon viel Unheil angestiftet hat und denen, die es treiben, oft den Frieden ihres ganzen Lebens kostete. Zu diesen Frauen gehörte Fanny. Oftmals hatte ihr Oswald in zarter Weise leise Vorwürfe darüber gemacht, weniger aus eifersüchtigen Anwandlungen, denn da zu war er zu stolz, sondern weil er fürchtete, daß Fanny'S Ruf dadurch getrübt werden könnte. Und dieser Ruf war ihm so theuer und werth, daß er ihn auch nicht durch einen argwöhnischen Hauch verdunkelt sehen mochte. Nach diesem zum weiteren Verständniß nöthigen Rück blicke fahren wir in der Erzählung fort. (Fortsetzung folgt.) Kirchliche Nachrichten. Dippoldiswalde. Ain 20. Sonntage nach Trinitatis (10. Ociober) predigt Herr Diac. Gcrsdorf. Vorher Commnnion Derselbe. Nachmittags Bibclstunde. Ashememer Anzeiger. Frauensteiner Diöcesan-Versammlung in Sayda. Die bereits durch Ephoralmission vom 26. August dieses Jahres an die Herren Vorsitzenden der Kirchenvorstände hiesigen Sprengels auf den 14. dieses Monats in Sahda anberaumte Diöcesan-Versammlung derselben wird als eine öffentliche hierdurch mit dem Bemerken bekannt gemacht, daß sie auch diesmal mit einer kurzen liturgischen Andacht in dortiger Stadtkirche, Vormittags 10 Uhr eröffnet und darnach im Saale des dortigen Gasthofs zum Löwen abgehalten werden wird. Eine gedruckte Gottesdienstordnung wird am Haupteingang der Kirche, die Tagesordnung für die Verhandlungen im Saale ausgegeben. Inhalts der dazu bis jetzt eingegangenen Unterlagen werden sich dieselben nach einem kurzen ein leitenden Vortrage des Vorsitzenden und nach Mittheilung der hohen Resolutionen auf den diesseitigen Bericht über die vor jährige Versammlung, namentlich über Wünsche der Kirchgemeinden und Anträge im Interesse derselben gegenüber den neuen, beziehentlich nächstbevorstehenden Verfassungsformen zu verbreiten haben. Königliche Superintendur zu Frauenffein, am 5. October 1875. Lio. vr. Haffe.