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— 735 — politischen Gemeinde Limbach ein Kapital von 30,000 Mark mit der Bestimmung überwiesen, die jährlichen Zinsen von diesem Kapital zu allgemeinen Schulzwecken, aus« schließlich Schulbauten, nach den spezielleren Bestimmungen des Gemeinderaths zu verwenden. Berlin. Die Manöver in Schlesien haben begonnen; der Kaiser war am 15. Sept, in Kamenz und begab sich von da nach Liegnitz, um am Bahnhofe den König Albert von Sachsen zu empfangen. Der Kaiser geleitete letzteren in sein Quartier und nahm dann mit ihm das Abendbrod ein. Am 16. begannen die gemeinsamen Feldmanöver. — Die Tochter des Fürsten Bismarck (Marie Jo hanne) hat sich mit dem Sprossen eines der angesehensten und reichsten Grafengeschlechter in Preußen verlobt, mit dem Grafen Wend Botho zu Eulenburg (geb. 1845). Der selbe ist Reserve-Lieutenant des I. rhein. Husarenregiments und als Regierungsassessor im Staatsdienst beschäftigt, bei der Behörde, welche den Verkehr des Reichskanzlers mit dem Staatsministerium vermittelt. Graf Wend ist ein Mann von Geist, Talent und sprühender Lebenslust. Gräfin Bis marck, eine schlanke hohe Gestalt von zwar nicht schönen, aber edlen und einnehmenden Zügen, aus denen ein schönes, tiefernstes Auge sieht, wird allgemein als eine Dame von scharfem Geist, feiner Bildung und zartem Gemüth gerühmt. — In diesen Tagen hat in Berlin ein Congreß der Schornsteinfegermeister, in Kassel ein solcher der Klempnern,elfter staltgcfunoen. — Der Cultusminisler vr. Falk hat jetzt eine Rund reise in Schleswig-Holstein gemacht und ist mit einem Enthusiasmus ausgenommen worden, der fast an den Empfang auf der berühmten Reise durch die Rheinprovinz heranreicht. Bedenkt man, daß der Schleswig-Holsteiner von Natur viel schwerfälliger, zurückhaltender und kälter ist, als der bewegliche und muntere Rheinländer, so muß man zugeben, daß der EultuSminister in jener nordischen Provinz eine über Erwarten große Sympathie gefunden hat. Freilich ist diese Provinz ganz protestantisch. Dafür aber gehört die Geistlichkeit in Schleswig-Holstein, ebenso wie in Hannover, überwiegend einer streng lutherischen Richtung an, und die Bevölkerung im Allgemeinen war durch verschiedene Ursachen eine Reihe von Jahren hindurch von einer nichts weniger als preußenfreund lichen Stimmung erfüllt. Es ist höchst erfreulich, gelegentlich der Reise des Cultusminislers zu sehen, wie sehr sich dies geändert hat. Trotz der lutherischen Richtung der Geistlich keit nimmt dies ruhige, bedächtige Volk den lebendigsten Antheil an den kirchlichen Ereignissen der jüngsten Zeit, und aus den kleinsten Orten drängen sich die Bewohner, dem Minister zu zeigen, wie sehr sie seine energische und furchtlose Kampfweise anerkennen. An den naturwüchsigen Aeußerungen einer solchen Volksstimmung mag die römische Propaganda erkennen, wie liefgewurzelt in dem Geist der deulschen Nation der Haß gegen die Priesterherrschaft ist, und wie die Männer, welche eine solche Herrschaft bekämpfen, bei dem einfachen Bürger und Landmaun fast noch populärer werden, als die größten Generäle und Staatsmänner. — Es ist auch ein Zeichen der Zeit, daß, während die französischen Offiziere den deutschen Manövern ganz unbehindert beiwohnen und militärischerseits mit aller Auf merksamkeit behandelt werden, es für einen deutschen Offizier noch immer sehr bedenklich ist, sich in Uniform in Frankreich sehen zu lassen. Aus diesem Grunde hat auch da« Kriegsmtnisterium Abstand davon genommen, Offiziere der deutschen Armee als besondere Vertreter zu den dies jährigen französischen Truppenübungen zu entsenden; nur der Militärbevollmächtigte bei der deutschen Botschaft in Paris, Major von Bülow, wird bei denselben gegenwärtig sein. Die deutsche Regierung giebt der französischen dadurch aber- rnalS einen Beweis ihres Taktgefühl» und ihrer Zurückhaltung. Spanien. Die Zustände im karttstischen Gebiet werden unhaltbar und die Krisis muß auf die eine oder die andere Weise eine Entscheidung gegen die Karlisten herbei führen. Um mit den Rüstungen der Alfonfisten soviel wie möglich Schritt zu halten, hat Don Carlos eine neue Aus hebung „aller" Spanier im Alter von 17—50 Jahren ver ordnet und bereit« mit Einstellung aller verfügbaren Leute begonnen. Man kann sich denken, daß eine solche Maßregel in den karlistischen Provinzen, trotz sonstiger Sympathien, nicht gerade sehr freundlich ausgenommen wurde. DaS Volt ist jetzt sogar so weit gekommen, daß eS sich widersetzt und den Anordnungen der karlistischen Verwaltung nicht mehr Folge leisten will. In BiScaya ist die Stimmung am schlimmsten; die zahlreichen Arbeiter der Berg werke sind seit länger als einem Jahre ohne Arbeit und werden jetzt noch zum Militärdienst herangezogen; die Bauern, die ihre Söhne schickten, um für den Karlismus zu kämpfen, sollen nun selbst diesen folgen und ihre Familie ohne Sub sistenzmittel zurücklassen. Der Handwerker, der nur für die Armee arbeitete und dafür mit BonS auf die Madrider Re gierung entschädigt wurde, muß daS Handwerkszeug bei Seite legen und die Flinte in die Hand nehmen. Jedermann wird einsehen, daß solche Zustände nicht bestehen bleiben können. Vermischtes. Unfehlbares Mittel, um zu erkennen, ob Wein gefälscht ist. Man nimmt ein Fläschchen, das etwa ein Weinglas hält, füllt dasselbe mit der zu untersuchenden Weinsorte, verschließt die Oeffnung mit dem Zeigefinger, dreht die Flasche um, so daß der Boden oben zu liegen kommt, taucht sie in dieser Stellung in ein Gesäß voll Wasser so weit unter, bis sie vollständig vom Wasser bedeckt ist, wartet, bis sich das durch das Untertauchen in Bewegung gesetzte Wasser beruhigt hat, und nimmt dann den die Oeffnung verschließenden Finger behutsam von derselben weg. In dieser Lage hält man die Flasche von oben etwa 10 Minuten fest, wobei man sie so wenig als möglich bewegt. Das Wasser drückt nun zwar von unten gegen den Wein, vermag aber nicht, ihn aus der Flasche zu entfernen, indessen findet doch ein solcher Druck statt, daß es ver möge der Attraktion sich alle fremden Substanzen, die im Wein enthalten sind, durch Ausst.ugen aneignet. Nimmt man nach 10 Minuten die Flasche heraus, wobei man selbstverständlich vor dem Umdrehen wiederum den Zeigefinger vorhalten muß, so wird man finden, daß bei unechtem Wein der herrliche „Chüteau Lafitte" oder „Chambertin" sich in abscheulichen Essig verwandelt hat, weil alle Zusätze, Zucker rc., bei vielen Sorten selbst die Farbe, vom Wasser ausgesogen worden sind, während ein wirklich reiner Wein genau so bleibt, wie er war. Die betreffenden Proben wurden in Ober hessen mit schlechtem nachgemachten Bordeaux, der einen großen Theil der Farbe und den ganzen Geschmack verlor, und in Salzburg mit echtem Ofener, der nach 10 Minuten immer noch so rein und wohl schmeckend war wie zuvor, angestellt. Die Probe hat den Vorzug, daß sie nichts kostet und untrüglich ist. Die Großen unserer Zeit haben sich zwar durch die Spezies der sogenannten Zeitromane daran gewöhnen müssen, solchen Romanen als Helden zu dienen und auch hier, wo der Romantik ja ohnehin in jeder Richtung Thür und Thor geöffnet ist, hat man sich dieß bisher gefallen lassen. Frappirt hat nun aber doch in gewissen hie sigen Kreisen der Roman „Auf dem Throne" von Clarissa Lohde, welcher gegenwärtig in der durch ihre spannenden Romane, ihren enormen Umfang und dabei unglaublich billigen Preis so allgemeines und großes Aussehen erregenden Stuttgarter „Allgemeinen Familien-Zeitung" erscheint. Es werden in dem erwähnten Romane Verhältnisse an das Tageslicht gezogen, die man sich bisher höchstens in ganz vertrauten Kreisen von Ohr zu Ohr zugeflüstert hat, und die in diesem Drama unter verändertem Namen mitspielen den bekannten Persönlichkeiten sehen natürlich theilweise den zu er wartenden weiteren Enthüllungen nicht ohne Unruhe entgegen.