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— 607 — Berlin. Es unterliegt nun keinem Zweifel mehr, daß das Gesetz über die kirchliche Vermögensverwaltung die deutschen Bischöfe zur Nachgiebigkeit bewogen hat. Im Kampfe greift man den Feind gewöhnlich an seiner schwächsten Stelle an und offenbar ist der Klerus in seinem Ver mögen am verwundbarsten. Darum unterwirft er sich in diesem einen Gesetze, während alle anderen Kirchengesetze noch offen bekämpft werden. Doch kommt Zeit, kommt Rath; und diesem ersten Schritte zum Frieden mit dem Staate wird auch der zweite und dritte folgen. Doch glauben wir nicht, daß deshalb die Stimmung der Bischöfe eine ver söhnlichere geworden. Mürber können sie sein, aber ver söhnlicher gewiß nicht. In der Hitze des Kampfes wird der Feind niemals versöhnlich; eS kommt nur darauf an, ihn mürbe zu machen. Und da dieser Erfolg jetzt offenbar ein getreten ist, so müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die Eventualität eines Friedensschlüsse« richten. Daß dieser nicht ohne Konzessionen erfolgen wird, scheint unS ziemlich sicher. Deshalb braucht der Friede noch kein „fauler Friede" zu sein. Unter den Gesetzen, die der Kirchenkampf hervorrief, sind manche, die unter allen Umständen aufrecht erhalten werden müssen, z. B. da« Schulaufsichtsgesetz und die Ordnung des Civilstandes. Andere Gesetze aber, die nur al« Kampf mittel dienten, dürften als Kompensationsobjekt verwcrthet werden, sobald der Kampf auf beiden Seiten völlig einge stellt wird. Würtcmberg. Aus Stuttgart wird gemeldet, daß bereit« am Sonnabend, 31. Juli, zur Theilnahme am 5. deutschen Bundesschießen die bayrischen, sächsischen, pfälzischen, badischen, hessischen und Frankfurter Schützen, sowie die Laibacher und Hannoverischen Schützenvereine, ein getroffen sind und festlich empfangen wurden. Die Stadt ist prachtvoll decorirt. Auch Kaiser Wilhelm hat einen Ehrenpreis anmelden lassen, und beträgt die Zahl der Gaben jetzt über 700. Frankreich. Man hat die Frage wegen Aufhebung des Belagerungszustandes wieder einmal angeregt. Der Minister Buffet erklärte aber darauf, es bestehe in den De partements kein großes Verlangen nach einer solchen Maß regel, und e« sei besser den AtkVnahmezustand bestehen zu lassen, als nirgends ein Mittel zur Repressalien gegen Aus schreitungen in der Hand zu haben. Diese Auslassungen des Ministers haben ihm den Zorn der republikanischen und der bonapartistischen Presse auf den Hals gezogen. Schweiz. Aus Bern wird gemeldet, daß ein Streik von großartiger Dimension und von einer, möglicher Weise für die davon Betroffenen sehr weittragenden Bedeutung unter den Arbeitern ausgebrochen ist, welche bei dem Bau des St. Gotthard-Tunnels beschäftigt sind. An dem Streik haben sich an ra. 2200 Arbeiter betheiligt; sie ver langen höheren Lohn, haben sich aber nicht damit begnügt, die Arbeit zu streichen, sondern sich sogleich auf den Kriegs fuß gestellt. Sie haben sich bewaffnet und versperren den Tunnel von der Seite nach Goeschenen zu. Die Regierung von Uri hat ein Kompagnie Infanterie dorthin gesandt, um die Ordnung wieder herzustellen; sie wurde aber von den Arbeitern mit Steinwürfen empfangen und war genöthigt, Feuer zu geben, wodurch einige Arbeiter getödtet und mehrere verwundet wurden; die anderen zerstreuten sich. Es ist be kannt, daß den Unternehmern zur Fertigstellung des Tunnels und beziehungsweise der Bahn eine knappe Frist gestellt, und hohe Konventionalstrafen für sie festgesetzt sind, wenn die Frist überschritten wird. Vermischtes. Die „Deutsche Zeitung für Brasilien" enthält folgende nett er sonnene Thronrede des Kaisers der Fidschi-Inseln: „Un- cultivirte Völker! Getreue Unterthanen! Diebisches Gesindel! Ich habe euch hierher besohlen, um euch die Mittheilung zu machen, daß ich mich bis auf einige Unverdaulichkeiten, die ich mir durch den Genuß des alten europäischen Schiffers zugezogen, ganz wohl befinde. Ihr habt in meiner Abwesenheit, um euerm Namen „Freundschafts-In sulaner" Ehre zu machen, die Nachbarn geplündert und eure Schatz kammer gefüllt, was mir bei der nächsten Steuererhebung zugute kommen soll. Nicht gemuckst! Ich lebe mit aller Welt in Frieden und mit allen Groß- und Kleinmächten im innigsten Einvernehmen und brauch» daher 10000 n?ue Wurfspieße, 1000 Gros vergiftete Pfeile, ebenso viele Steinbeile und Gurgelmesfer. „Wer den Frieden haben will, muß auf den Krieg gerüstet sein", sagen die deutschen Skalpirminister. Meine Haare lasse ich mir sämmtlich abschneiden, bis auf drei, denn darin liegt jetzt die ganze Regierungskunst. Einige neue Gesetze, die ich gemacht, würde ich euch vorlegen; da ihr aber Geschriebenes nicht lesen könnt, so werde ich sie euch durch den Bam bus einbläuen lasten. Ruhe im Glied! Um auch von den Finanzen des Landes zu reden, so sind dieselben durch meine Reise nach Eng land sehr derangirt, was sich aber bald ausgleichen wird, da ich meine Insel» und sämmtliche Einwohner nebst Zubehör an England zu verkaufen gedenke, um mich in London zur Ruhe zu setzen. Nun wißt ihr Alles, und wer jetzt nur eine Miene verzieht, wird von unten nach oben ausgeschnitten, womit ich bis auf Weiteres verbleibe euer wohlaffectionirter König und Gebieter; und nun scheert euch augen blicklich aus die Jagd und den Fischfang! Mich hungert!" Was macht ein junges Mädchen glücklich? Man gebe ihm zwei Kanarienvögel, ein halbes Dutzend Mondscheinstrahlen, 12 Ellen seidenes Zeug, eine Portion Fruchteis, verschiedene Rosen knospen, einen blaffen Gymnasiasten zum Quälen, eine Kabinetphoto- graphie von Romeo und Julia und das Versprechen eines neuen Hutes — und wenn sie dann nicht zerschmilzt vor Seligkeit, so kann sie es überhaupt nicht. Den vielen berechtigten Klagen über unverschämtes Benehmen der Dienstboten gegen ihre Herrschaften stellen wir gern ein Licht bild, einen Zug rührender Gutmüthigkeit gegenüber. Dienstmädchen: „Frau Baronin, werden Sie heut' Nachmittag ausgehen?" — Baronin: „Ich glaube nicht, Marie!" — Dienstmädchen: „Wenn Sie wollen, können Sie immerhin ausgehen, ich mag heut' nicht." Lan-wirthschaftliches. Ms gesündestes und bestes Getränk für Feldarbeiter in der Hitze wird folgendes bezeichnet: Psd. oder 8 Neuloth Kaffee werden möglichst fein gemahlch und mit 1 Liter Master 10 Minuten gekocht. Den so gewonnenen Extract läßt man durch einen Beutel lausen und vermischt ihn " mit 5 Liter kaltem Master, versüßt das Getränk mit etwas Zucker, setzt eine Obertaffe voll Branntwein oder Rum hinzu, füllt es in einen Krug und gräbt ihn verkorkt in die Erde ein; das Loch wird mit Heu oder Stroh zugedeckt. Dieses kalte Getränk stärkt die Muskeln und vermindert, im Gegensätze zu allen andern Getränken, die Transspiration und ist daher beim Mähen und Gatbenbinden besonders zu empfehlen. Termine, an welchen das bisher von deutschen Regie rungen und Banken eingerufene Papiergeld werthlos wird: Am 5. August 1875 Weimarische Banknoten k 10 Thlr; am 15. Sept. 1875 Noten der Würtembergischen Bank si 10 fl.; am 1. October 1875 Noten der Badischen Bank in Mannheim ü, 10 und 50 fl.; am 15. December 1875 Noten der Würtem bergischen Bank si 35 fl.; am 31. December 1875 Noten der Anhalt-Destauischen Landesbank L 1 und 5 Thlr. von 1864 und si 10 und 50 Thlr. von 1855; am 31. December 1875 bayrische Kastenanweisungen ü 2, 5 und 50 fl. von 1866; am 31. Dcbr.. Noten der Hypotheken- und Wechselbank si 10 und 100 fl.; am 31. December 1875 Noten der Homburger Landesbank si 5 und 10 fl. von 1855; am 31. December 1875 kurhessische Kaffenscheine si 1, 5 und 20 Thlr.; am 31. December 1875 Noten der Nassau ischen Landesbank d, 1, 5, 10, 25 und 50 fl.; am 31. December 1875 Kastenscheine der Nassauischen Landeskredit-Kaste si 1, 5 und