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runden Zahlen stellt Europa eine bewaffnete Macht von 7 Millionen Männern und 5 Millionen Soldaten nebst 15,000 Kanonen und 1 ^/i Million Pferde inö Feld. Auf der See besitzt England die erste Macht; ihm reihen sich an: Frank reich, Rußland, die Türkei, Oesterreich, Deutschland, Italien, Spanien, Holland, Dänemark, Schweden und Norwegen und endlich Portugal. Sämmtliche Seemächte verfügen über 2039 Schiffe, darunter 209 Panzerschiffe, die 15,000 Kano nen und 280,000 Mann an Bord führen. Für Heer und Marine hat Europa jährlich die colossale Summe von etwa 750 Millionen Thaler auszugeben. In der Türkei und Griechenland kostet der Soldat am wenigsten, nämlich 200 Thlr. (750 FrcS.) pro Jahr; in England am meisten, näm lich 666 Thlr. (2500 FrcS.); Deutschland liefert das kost spieligste Menschenmaterial und steht in jeder Beziehung an der Spitze der — Militärcivilisation. Bayern. In München starb am 19. Juni der Sub marine-Ingenieur Wilhelm Bauer. Von der Gicht ge lähmt, ist der rastlose Ringer nach langem Leiden endlich von einem hoffnungslosen Dahinleben erlöst worden, im 25. Jubiläumsjahre seines ersten unterseeischen SchifffohrtSver- sucheS. Die Hebung des Dampfschiffes Ludwig aus dem Bodensee und die Schießversuche unter Wasser im Starn berger See sind die zwei ehrenvollste» Triumphe Bauers. Vermischtes. Ein Seitcnstück zum großen Heidelberger Fasse. Ein prächtiges Seitenstück zu dem berühmten Heidelberger Fasse liegt jetzt, seiner Vollendung nahe, in imponirender Gestalt im Gehöfte seines Erbauers, des Faßsabrikanten Ignaz Müller in Eltville im Rheingau. Das Riesenfaß hält einen Durchmesser von 440 Centim. und wird 40 — 42 Stück, das ist circa 65000 Flaschen Wein, in seinem immensen Leibe beherbergen können. Das Holz zu einem so imponirenden und auf eine Dauer von hundert und mehr Jahren berechneten Weinbehälter mußte natürlich etwas ganz besonderes Vor zügliches sein. Dasselbe ist von Sachkennern als solches anerkannt; es befand sich auf der Wiener Weltausstellung und stammt aus den slawonischen Besitzungen der großartigen und weitberühmten Faßholz handlung von Joseph Pfeifer in Wien. Für Sachverständige wird es von besonderm Interesse sein, zu hören, daß das Holz makellos und durchgehends gespaltenes ist. Das Gewicht dieses zu dem Fasse verwendeten Materials beträgt 160 Zollcentner. Die Dauben haben eine Länge von 440 Centim. und eine-Kopsstärke von 15 Centimeter. Sie werden zusammenge halten von 16 eisernen Reifen, welche 10—11 Centimeter breit sind. Die Länge der Bodenstücke beträgt 330—360 Centimeter, die Stärke derselben 15—16 Centimeter. In dem einen Boden ist eine Thür angebracht, groß genug, um dem stärksten Manne behufs künftiger Reinigung des Fasses den Eintritt zu ermöglichen. Selbstverständlich wird cs dem Boden an passender Holzbildhauerverzierung nicht schien. Natürlich ist es keine leichte Arbeit gewesen, die riesigen Holz stücke richtig zu bearbeiten und zu ihrer jetzigen Faßgestalt zusammen- zusügen. Hr. Müller hat jedoch diese Aufgabe in tadelloser und von Sachkundigen allgemein anerkannter Weise erfüllt; das Faß wird ein sicheres und würdiges Reservoir für den edeln Rebensaft des Rheingaues werden und dem Lieferanten des Holzmaterials, dem Erbauer wie dem künftigen Besitzer sicher Ehre machen. Um das Product seines Kunstfleißes von seinem Arbeitsplätze fortschaffen zu können, mußte Hr. Müller einen Theil seiner Hofmauer wegreißen. Das Riesenfaß wird nämlich nach Hattenheim in die Kellereien der rühmlichst bekannten Weingrobhandlung A. Wilhelmy geschafft, welch letztere Bestellerin und künftige Besitzerin des Fasses ist und in dem selben einen stets gleichguten Tischwein aus den Rebengeländen des Rheingaues zur Verfügung halten will. Von dem Keller, in welchem das Faß in Zukunft lagern soll, ist jetzt nur der Boden fertig; überwölbt wird derselbe erst, wenn das Faß an Ort und Stelle geschafft ist. (Briefkasten.) F. B. Auf Ihre Anfrage: ob das „persische Insektenpulver" gut gegen Wanzen sei? ist zu entgegnen: Ja, es ist gut, wenn man's jeder einzelnen Wanze in den Hals bläst. Jndeß, ein noch besseres Mittel ist eine reinliche Hausfrau, die nicht eher nachläßt, die lästigen Nachtgäste zu verfolgen mit kochendem Wasser, mit Erdöl, mit Zerstören ihrer Brutstätten, Reinigen der Bettstellen rc., bis sie keine Herberge mehr finden. Die Müller-Toni. Erzählung von S. von der Horst. (t7. Fortsetzung.) Und wieder einige Tage weiter, da fuhr der Müller mit dem alten Schwarz in die Stadt hinein. Toni begriff nicht, was die Reise bedeuten solle; aber der Vater sagte ihr, daß er Beschäftigung haben müsse, Zerstreuung, daß er ein wenig Leben in das Haus bringen wolle. Die Mühle sei in mancher Beziehung vernachlässigt, das ganze Gewese bedürfe der verbessernden Hand. Zu ihrem neunzehnten Ge burtstage sei Alles fertig. Das Mädchen schüttelte schmerzlich seufzend den Kopf, aber sie antwortete keine Silbe, um nicht dem Vater die Freude zu verderben. Mühlenbauer, Zimmerleute, Maurer und Maler rückten ein. In allen Ecken wurde gehämmert, gesägt und geputzt; sogar der St. Bernhardshund bekam ein neues, glänzend blau angestrichenes Wohnhaus und der Hahn mit seinen zahl reichen Damen ein vergittertes Heimwesen, dessen Zugang den Feinden verschlossen blieb, während er selbst unbehindert sich auf die höchste Spitze desselben schwingen und nach Herzens lust Jedermann herausfordern konnte. Das große Rad wurde von Schilf und Moos gereinigt; der zierliche Kahn, an dessen Steuer mit gelben Buchstaben der Name „Toni" stand, erhielt ein neues braunes Farben gewand, neue Sitzbretter und Ruder. Die Ufer des Flusses wurden eingedämmt, der Teich mit vier stolzen Schwänen ge schmückt, so daß die Entenschaar tagelang schnatternd unter den grünen, auf den Wasserspiegel herabhängenden Weiden zweigen saß und zu keinem Plenarbeschlüsse über das Ver halten gegen die Eindringlinge kommen konnte. Die Leute im Dorfe begriffen nicht, warum der alte Müller Alles so schön herausputzen ließ; riethen hin und her und kamen immer wieder zurück auf die einzig mögliche Ur sache, daß nämlich ein Freier für Toni sich eingefunden; wahrscheinlich ein Stadtherr, vielleicht sogar ein Gelehrter oder Baron, denn es wurde ja schweres Geld ausgegeben, und „für Etwas muß Etwas sein", sagt der Bauer; des Wort „umsonst" ist in seinem Hauslexikon nirgends zu finden. Der alte Schwarz schmunzelte so pfiffig, gab so halbe verlorene Andeutungen auf die vielen Fragen, welche an ihn gestellt wurden, daß man Wohl sah, er wisse mehr, als er sagen dürfe. Die Vermuthung wurde zur Gewißheit und die fabel haftesten Gerüchte pflanzten sich von Mund zu Mund fort; auch Pater Clemens erfuhr die unerwünschte Neuigkeit. Er horchte bei Toni selbst, bei dem alten Müller, aber Beide ließen nichts verlauten; das Mädchen weil es ihr an Muth fehlte, die unvermeidliche Katastrophe einer Weigerung herauf zu beschwören, und auch, weil sie persönlich voch immerhin nichts von einem Bewerber gesehen oder gehört hatte. Noch konnte ja Alles nur eine Grille vom Vater sein, wenn aber wirklich ein Freier im Spiele war, dann freilich mußte der Bruch kommen; sie konnte dem Gotthold entsagen, um des hülflosen Blinden willen, aber ihm zu Gefallen einen Anderen nehmen? — in alle Ewigkeit nicht! Der Müller lachte in'« Fäustchen, al« er den Pfarrer, ohne ihm etwas anvertraut zu haben, wieder fortgehen ließ. „Der könnt' eS ja dem Mädchen nicht verschweigen!" dachte