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— 502 — Tagesgeschichte. Dippoldiswalde. Wie schon vor Kurzem in diesem Blatte erwähnt wurde, hatte man in einer Versammlung von Wählern des 13. ländlichen Wahlbezirks ein Comitee ernannt, welches, wenn sich Herr Amtshauptmann von Bosse bereit erklären würde, ein Mandat für den bevor stehenden Landtag anzunehmen, die geeigneten Schritte thun sollte, um diese Wahl nach Kräften zu unterstützen. Da jedoch die in oben erwähnter Versammlung erschienenen Wähler nur dem Gerichtsamtsbezirke Dippoldiswalde ange hörten, der 13. ländliche Wahlbezirk aber außerdem noch die Gerichtsämter Frauenstein und Altenberg umfaßt, so setzte sich erwähntes Comitee mit Wählern aus diesen Amts bezirken in Verbindung. Nachdem man nun auch dort Herrn Amtshauptmann von Bosse als die geeignetste Per sönlichkeit erkannt hatte, welche im Stande ist, unfern Be zirk wirksam zu vertreten, wurden noch folgende Personen zu dem schon bestehenden Comitee hinzugewählt: Herr Ge meindevorstand Sohr in Pretzschendorf, Herr Gemeindevor stand Jrmer in Burkersdorf, Herr Gemeindevorstand Reichel in Reichenau, Herr Erbrichter Richter in Ammelsdorf und Herr Kaufmann Donner in Zaunhavs. Nachdem sich nun das Comitee in dieser Weise zusammengesetzt, wählte es Herrn Gemeindevorstand Steyer in Reinholdshain zu seinem Vorsitzenden und Herrn Hauptmann Aster auf Reinhardts grimma zu dessen Vertreter. Dieses Comitee hat nun officiell bei Herrn Amtshauptmann von Bosse angefragt, ob er sich bereit finden würde, ein Mandat für den 13. ländlichen Wahlbezirk anzunehmen. Darauf hin hat derselbe erklärt, daß er, ließe er sich von persönlichen Rücksichten leiten, ab lehnen müsse, daß ihn aber das allgemeine Vertrauen, welches ihm seit seinem Hiersein entgegengebracht worden sei und das Interesse, welches er an dem Gedeihen des Bezirkes nehme, bestimme, eine eventuell auf ihn fallende Wahl an zunehmen. Würde er gewählt, so hoffe er, für den Bezirk als Abgeordneter Manches erwirken zu können, was ihm als Amtshauptmann nicht möglich sei, und die Leitung der Amtshauptmannschaft würde er keinenfalls aus den Händen geben. Auch erklärte er sich bereit, in öffentlichen Versamm lungen sich über die Art und Weise, wie er zu wirken ge denke, auszusprechen, und so dürfte schon im Laufe des nächsten Monats eine derartige Versammlung bevorstehen. Dippoldiswalde, den 25. Juni. Die gestrige Feier deS Johannistages bestand bei uns in fast allgemeiner Bekränzung der Gräber, sowie in einem Abends 6 Uhr in der Nicolaikirche von Hrn. Sup. Opitz gehaltenen, zahlreich besuchten Gottesdienst, bei welchem der Chor einige für die Feier deS Tages passende Gesänge vortrug. — Den Besuchern deS Gottesackers dürfte bei einem Gange durch die geschmückten Gräber in unmittelbarer Nachbarschaft der Gedenktafel der im Kriege 1870—71 gefallenen Parochianen ein Grab monument aufgefallen sein, das man bis vor Kurzem in der Nähe des nördlichen Kirchenportals, neben der noch dort befindlichen Ulbrich'scheu Begräbnißstätte, allerdings in sehr herabgekommenem Zustande, sehen konnte. Es ist das dem hier am 16. October 1762 geborenen und am 21. Juni 1785 gestorbenen Kauf- und Handlungsdiener Friedrich Gottlieb Kühnel gewidmete Monument, durch dessen Restauration der hiesige Kirchenvorstand einen Akt der Pietät erfüllt hat, dem wir an sich, dann aber auch wegen der nicht gewöhn lichen Beschaffenheit des betreffenden Denkmals nur bei stimmen können. Das betreffende Denkmal ist nämlich ein Werk deS später kaiserlich russischen Hofmalers und Bild hauers, des TitularrathS Friedrich August Kühnel, des Bruders des verstorbenen Friedrich Gottlieb Kühnel. Der genannte Künstler aber ist der Wohlthäter unserer Kirchen- und Schulgemeinde, indem dieselbe von ihm zur Universal erbin seines, in ungefähr 4000 Thlrn. bestehenden Nachlasses eingesetzt worden ist. Das aus feinem Sandstein gearbeitete und jetzt recht gut restaurirte Denkmal zeigt oben zwischen Blumengewinden, die einer Urne entquellen, das fein ausgeführte Medaillonporträt des Verstorbenen Friedrich Gottlieb Kühnel. Der Grabstein ist jetzt auf einen Sockel gestellt, welcher die Inschrift trägt: „Zu Ehren deS WohlthäterS unserer Kirchen- und Schulgemeinde Friedrich August Kühnel erneuert 1875." — Die Telegraphen-Station Dippoldiswalde wird wahrscheinlich erst den 16. Juli eröffnet werden. Dresden. Unser Königspaar wird am 25. Juni Abends die beabsichtigte Reise nach Süddeutschland antreten, sich zunächst nach Leipzig begeben und dort im königl. Palais übernachten. Sonnabend früh geht die Reise nach Frankfurt a. M., Darmstadt, Karlsruhe, Baden-Baden und Friedrichs hafen; von hier aus soll noch ein Ausflug in die Schweiz unternommen werden. Dresden. Von dem Senat der Universität Leipzig ist Se. Mas. unser König Albert zum immerwährenden Rector muAlliüeöntissimus ernannt worden und hat die Wahl auch angenommen. Am 22. Juni beqab sich eine Deputation (bestehend aus dem Rootor muAmüou8 und den Decanen der vier Fakultäten) nach Pillnitz, um dem König die bezügliche Urkunde zu überreichen. — Der Persönenzug der neuen Berlin-Dresdner Eisenbahn, der am 22. Abends 11 Uhr in Dresden an kommen sollte traf erst um 3 Uhr 20 Min. ein, da ein Güterzug, der von Dresden Abends 8 Uhr abgegangen war, bei Ukro-Lukau vollständig entgleist war und die Bahn nicht früher frei gemacht werden konnte. Die Locomotive wurde stark beschädigt und ein großer Theil der Wagen zertrümmert. Die Züge mußten einen Tag lang umgeladen werden und die Reisenden aussteigen. — Die mehrerwähnte Petition des Lehrerbezirksvereins zu Dresden an den Landtag, die Einführung eines Bibel auszuges in den Volksschulen betreffend, ist von dem All gemeinen Sächsischen Lehrerverein zu der seinigen gemacht worden. — Die sächsischen Kassenbillets von 1867 haben nur noch bis Ende dieses Jahres Gültigkeit (s. amtl. Theil). Berlin. Die offiziellen Zeitungen enthalten folgenden Friedensartikel: „sowohl die Besuche des Erzherzogs Albrecht bei dem Kaiser von Rußland und bei unserem Kaiser, wie auch die bevorstehende Zusammenkunft der Kaiser von Rußland und Oesterreich, welcher in Kurzem eine neue Be gegnung unseres Kaisers mit dem Kaiser von Oesterreich folgen wird, dürfen als erneute Bewährung und Bestätigung der engen freundschaftlichen Beziehung zwischen den drei kaiserlichen Regierungen gelten, welche seit 1872 die feste Grundlage des europäischen Friedens bilden. Durch die ausdrückliche Entschiedenheit, mit welcher auch von Seiten Oesterreichs in den letzten Wochen das unveränderte Festhalten an jener vertrauensvollen Gemeinschaft einer ernsten Friedens politik auf jede Weise bekundet worden ist, sind die letzten Besorgnisse, welche eine kurze Zeit lang an die europäische Lage geknüpft worden waren, vollends verscheucht worden." — Eine interessante statistische Zusammenstellung über die Armeen Europa's ist erschienen. Sieben von den fünfzehn StaatenEuropa's haben die allgemeineWehrpflicht eingeführt: Deutschland, Rußland, Oesterreich, Frankreich, Italien, Dänemark und die Schweiz. Durch Conscription und freiwilligen Dienst rekrutiren sich die Heere Spaniens, der Türkei, Schwedens und Norwegens, Hollands, Belgiens, Portugals nnd Griechenlands. Nur England allein kann, durch seine Lage geschützt, mit der Anwerbung sich begnügen. Was Schnelligkeit der Mobilisation, Felddienst u. s. w. an betrifft, rangiren Deutschland, Oestereich, Rußland und Frank reich in erster, Italien und England in zweiter und die übrigen neun europäischen Staaten in dritter Reihe. In