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Ml — erst überall Bahnen habe, daß auch dies Dorf einer bedeutende» Zukunft enlgegengehe, wenn erst die Linie in ihrer völligen Ausdehnung hergestellt; daß sie berufen wären zur Hebung des Handels, der Industrie intirect beträchtlich mitzuwirken. Alles vergebens, man ließ ihn schwatzen und antwortete schließlich wieder das stereotype: „Nein wir verkaufen nicht!" „So recht! so recht!" hetzte innerlich vergnügt der Müller, „nicht nachgeben, um keinen Preis! Laßt ihn nur zu mir herauskommen, ich will ihm Heimleuchten!" Und der höfliche, verbindliche Mann kam. Des alten Müllers Augen funkelten vor Kampflust, während ihm der Herr Commerzienralh die Sache plausibel zu machen suchte; er that ganz unschuldig, wußte von nichts, hatte wohl die Vermessungen bemerkt, aber gar nicht weiter darüber nachge dacht, ihn ging das ja in keiner Weise an. „O doch, mein werthgeschätzler Herr Steffen, Sie sind eigentlich der Hauptträger des ganzen Unternehmend; man kennt Ihren bedeutenden Einfluß auf die ungebildeten Bauern, Sie werden diese begriffsstutzigen Menschen durch Ihren überwiegenden Geist zur Nachgiebigkeit bestimmen, mit uns Hand in Hand zu gehen!" „So, meinen Sie?" fragte mit einigen verlorenen Einzeltacten von „Lützow's wilder verwegener Jagd" der Müller; „meinen Sie wirklich?" „Natürlich, bester Freund, natürlich, zumal Ihnen riesige, unberechenbare Vortheile aus der ganzen Angelegenheit erwachsen sollen! Der Platz hier, eben diese Stelle, worauf die Mühle steht, wird — ja staunen Sie, Sie Glückspilz! wird — Bahnhof werden!" „Oh, oh! wenn das nur nicht ein Jrrthum ist, mein lieber Herr; was für ein Rath nur gleich! Guter Rath wird für Sie jedenfalls lheuer sein! Wie sollte denn eine Mühle plötzlich einen Bahnhof vorstellen können?" Der Abgesandte warf einen schnellen Blick auf den blinzelnden Müller; er mochte im Schafskleide den Wolf ahnen und mit verminderter Sicherheit sagte er: „Wir bieten Ihnen eine so ansehnliche Summe, daß Sie aus dem reinen Ueber- schusse etwas weiter den Fluß herab die Mühle neu wieder aufslellen können! Das hatten Sie nicht erwartet, wie?" „Da müßte ich verkaufen, nicht wahr? Das lasse ich aber bleiben, mein guter Herr!" „Sachte, sachte, bester Herr Steffen, Sie haben sich das Ding noch nicht recht überlegt! Fordern Sie einmal ganz dreist, außerordentlich dreist sogar!" „Thut mir leid, aber ich verkaufe nicht." „Aber der immense Vörtheil, Herr Steffen!" „Brauche kein Gelb. Kann mir ein halbes Dutzend Stadtherren kaufen, wenn ich will, bin ein ganz ungebildeter, begriffsstutziger Bauer, wissen Sie!" „O weh!" dachte der Commerzienralh. „Aber Müller chen, Müllerchen, wie Sie gleich Alles schief auffassen! Wir müssen uns ja doch einigen, das hier muß Bahnhof werden, so oder so." Der Müller lachte. „Prosit, da hat eine Eule gesessen!" „Na, alter Freund, nur nicht grob werden! wollen Sie es denn auf das Expropriationsgesetz ankommen lassen?" „Gewiß will ich!" Die Pfeifenspitze war bereits halb abgenagt, die Stirn mit dunkler Röthe bedeckt und die Fensterscheiben in klirrender Bewegung unter den hornigen Fingern des Cholerikers. „So, so! wie mir scheint, handeln hier alle Eingesessene nach einem vorher verabredeten Plane!" sagte ärgerlich der Commerzienralh. „Sieh' Einer, was für ein Schlaukopf Sie sind!" lachte der Müller; „ha, ha, ha!" Nun wußte der Abgesandte genug. „So nehmen Sir die Folgen hin, Herr Steffen!" versetzte er erbittert. „Die ganze Strecke wird expropriirt; von der Mühle bleibt kein Stein auf dem anderen. Gott befohlen!" „Ha, ha, ha! das ist aber ein Tausendspaß!" „Der bittere Ernst kommt nach, denken Sie an mich!" rief der Commerzienralh noch vom Flur aus in'S Zimmer hinein; jetzt ohne eine Spur seines verbindlichen Wesens, heftig erzürnt, weil aller Honig verschwendet, alle glatten Worte in den Wind geredet waren. „Ha, ha, ha!" hörte er es noch schallen, als er über die Brücke ging, und die Schlußtacte von der „verwegenen Jagd" mischten sich in die Anfänge eine« Monologs, der ebenso menschenfeindliche blutdürstige Absichten verrieth, als sie des Dichters „schwarze Gestalten" jemals gehabt haben konnten. „Trommle nur zu, alter impertinenter Geldsack! warte es nur ab! „Was glänzt dort im Walde im Mondenschein?" Ja, ja, mein Verehrtester, dann können Sie etliche Variationen anbringen, zum Beispiel „Einst war es Mühle d'rin!" —- nun ist's der Bahnzug! Ha, ha, ha! wer zuletzt lacht, lacht am besten!" Der Müller aber hätte beinahe einen Freudentanz auS- geführt. „So, jetzt lass' sie kommen, Die sollen einmal ungebildete Bauern kennen lernen!" jubelte er frohlockend. „Muß nur ein wenig nach der Stimmung unten im Dorfe sehen, die Leute warm halten; der Advocat wird seine Freude haben über all' die Vollmachten, welche ihm noch heute aus'S Pult regnen sollen." Und der gelehrte Mann hatte seine Freude. „Hübsche Anzahl," schmunzelte er vergnüglich; „eins, zwei, drei — wahrhaftig sechszehn Grundbesitzer! Es sollte mich Wundern, wenn ich späterhin für diesen Gewinn Eisenbahnactien kaufe, Alles möglich in der Welt und die Linie hat immense Aus sichten auf Dividenden. Wer allen Leuten im Voraus sagen wollte, daß ihr Proceß verloren gehen wird, der bliebe ein armer Teufel und ein dummer Teufel dazu! Hä, hä! da will ich dann lieber ein Teufel schlechtweg genannt werden, ohne diesen beiden fatalen Prädicate; die Menschen und ihre Leidenschaften sind ein Ackerfeld, das immer reichliche Frucht trägt, es kommt eben nur darauf an, was Einer hineinsäet! Jeder für sich und unser Herrgott für Alle!" Dann setzte sich der brave Mann an's Pult und schrieb einen langen, vertraulichen, ganz dem Charakter und dem Bildungsgrade des Müllers angepaßten Brief. „Nur ja nicht wankend werden, dem Muthigen gehört die Welt!" hieß eS; „einen Eisenkopf, wie Sie sind, mein verehrter Freund, besiegt das ganze geldstolze, übermüthige Consortium nicht!" (Fortsetzung folgt.) Kirchliche Nachrichten. Dippoldiswalde. Am Sonntage Nogate (2. Mai) predigt Herr Diac. Gersdorf. Vorher Comnnnüon Herr Superintendent Opitz. Nachmittags Vibclstnndc. Allgemeiner Anzeiger. Erlaß an sämmtliche Loealsteuereinnahmen des Steuerbezirks Freiberg. Die Localsteuereinnahmen des Steuerbezirks Freiberg erhalten hierdurch Anweisung, die diesjährigen Gewerbe- und Personalsteuer-Kataster sofort portofrei anher einzureichen. Königliche Bezirksstenereinnahme Freiberg, am 30 April 1875 Wagner.