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Italien und Rußland kann nicht genug gestärkt werden; es liegt darin die Bürgschaft für de» Frieden Europa'«. Berlin. Der Kaiser wird nicht nach Italien reisen. In Folge der, am 7. April von den Aerzten abgegebenen Erklärung, daß die Verschiedenheit des deutschen und des italienischen Klimas für den Gesundheitszustand Sr. Majestät nicht zweckmäßig erscheine, ist die Reise ganz aufgegcben wor den. Mit Bezug auf diesen Entschluß hat bereits der Kron prinz auf telegraphischem Wege dem König Victor Emanuel den Wunsch ausgesprochen, mit der Kronprinzessin einen Besuch beim König von Italien abzustalten. Der König Victor Ema nuel wurde um Bestimmung des Ortes und der Zeit einer Zusammenkunft gebeten. — Das Gesetz über die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen Bisthümer und Geistlichen ist vom preußischen Abgeordnetenhaus mit großer Majorität angenommen worden. Baiern. Aus München wird geschrieben, daß der berüchtigte vr. Sigl, Nedacteur des ultramontanen und über Alles preußenfeindlichen Schundblattes „Vaterland," um einer Haft wegen mehrfacher Preßvergehe» sich zu entziehe», flüchtig geworden, aber in Salzburg verhaftet worden ist. Der Mensch führte nach Aussage seiner Frau seit langer Zeit ein äußerst lüderlicheS Leben, durchschwärmte die Nächte und lag am Tag zu Bett, in dem er auch sei» Artikel schrieb. Seine Frau behandelte er auf empörende Weise. — In Baden-Baden ist am 7. April vr. Georg Herwegh gestorben. Der berühmte Dichterivar am 31. Mai 1817 in Stuttgart geboren. Oesterreich. Eine Tragödie, wie sie schauerlicher nicht zu ersinnen ist, hat sich am 5. April in Wien ereignet. Ein Schneider, Job. Pokorny, 48 Jahr alt, hat seine 5 Kmder (von 9, 8, 6, 2 Jahren und einem 8 Monate alten Säug ling) sämmtlich erhängt und sich dann ebenfalls diesen Tod gegeben. Der 8jährige Knabe wurde von der Mutter, die vom Vater weggeschickt worden war, zuerst gefunden, an einem Nagel hängend, sofort abzeschnitten und wieder zum Leben gebracht. Er hat erzählt, daß alle Geschwister Domino gespielt hätten; da habe der Vater gesagt, es sei genug, sie wollten nun Kirchweihfest spielen; er habe jedes Kind geküßt, ihm dann eine Schnur um den Hals gelegt und einige in die Küche, andere in ein Kabinet geführt, wo an einem Kleiderhaken drei neben einander hängend gefunden wurden! — Als Ursache dieser schrecklichen That wird schlechter Ver dienst, dadurch entstandene Schulden, Trunk rc. angegeben. Die brave Frau des Unmenschen war durch alle Arbeit nicht im Stande, den leichtsinnigen Gatten und Vater dem Elende und der Noth zu entreißen. Italien. Bei der Zusammenkunft der beiden Monarchen in Venedig fanden am 6. gegenseitige Besuche derselben statt; dann eine Fahrt nach Viconza zur Militärrevue. AbendS fand Hofdiner und Festvorstellung im Theater statt; Venedig war glänzend illuminirt. Bei dem Diner brachte König Victor Emanuel folgenden Toast auS: „Ich trinke auf das Wohl Sr. Maj. des Kaisers von Oesterreich und Königs von Ungarn, meines erlauchten Gastes, Bruders und Freundes; auf das Glück und die immerwährende Eintracht beider Staaten." Der Kaiser von Oesterreich erwiderte: „Mit den Gefühlen meiner lebhaften Dankbarkeit für den herzlichen Em pfang, welchen ich hier gefunden habe, trinke ich auf das Wohl de« Königs von Italien, meines Bruder« und theuern Freundes, der königlichen Familie und auf die Wohlfahrt und da« Ge deihen Italiens." — Die Abreise des Kaisers von Venedig erfolgte am Mittwoch Nachmittag, zunächst mit dem Lagunen dampfer nach Malomocco, wo sich die Majestäten unter herz lichen Umarmungen verabschiedeten, und dann nach Pola und weiter nach Dalmatien. Im Verkehr der Monarchen und der beiderseitigen Minister herrschte die größte Herzlichkeit. Der Kaiser hat dem König Victor zur Consolidirung Italiens seinen lebhaften Glückwunsch ausgesprochen. Die Müller-Toni. Erzählung von S. von der Horst. (7. Fortsetzung.) Die Menge schrie rasenden Beifall zu dieser geharnischten Rede und fast alle Köpfe waren bereits mehr oder minder er hitzt ; nur wenige Besonnene meinten, daß es nicht ganz klug gehandelt sei, so gewaltsam gegen den Willen der Herren aus der Stadt zu opponiren. „Fett schwimmt oben!" sagten sie bedenklich, „und die kommen dann mit lateinischen Brocken und beweisen uns, daß wir im eigenen Hause nichts zu sagen haben." „Mir hat sogar der Landmesser erzählt, daß es ein Gesetz gebe, was uns zum Verkauf zwingen könne, wir mögen nun wollen oder nicht!" warf eine schüchterne Stimme ein. Aller Augen suchten den Sprecher. „Wer sagt das?" „Ach, das warst Du, Schmied! Möchtest wohl gern bei guter Gelegenheit losschlagen, wie? Steckst mit dem In genieur unter einer Decke, mit dem Handschuhmann, dem Parlezvous? " „Kannst Du keinen Groschen mehr auf da« alte Ge rümpel bekommen, Schmied? Stcht's so schlecht mit Dir?" „Der mir von solchem Gesetz in meinem Hause redet, dem will ich gratuliren; der soll glauben, daß in diesem Jahre Ostern und Pfingsten auf einen Tag fallen!" „Mich zwingen?" überschrie hohnlachend der Müller den Tumult, „Conrad Steffen zwingen? Ha, ha, ha! da hat eine Eule gesessen!" So schwirrten von allen Seiten die Ausbrüche der Em pörung durcheinander. Der Schmied ließ ruhig den Sturm austoben. „Es bleibt dabei!" sagte er gelassen, „der Ingenieur hat es behauptet. Er wußte sogar Fälle, wo Militär ein rückte, als sich die Bauern den Vermessungen mit Gewalt widersetzten." Jetzt folgte aber doch eine allgemeine Stille. Der Schmied sprach so zuversichtlich, daß seine Worte keine müssige Erfin dung sein konnten, obwohl freilich Niemand die Sache selbst für wahr, sondern lediglich für einen -Schreckschuß hielt, den der Landmesser angewendet, um die Bauern fügsam zu machen. „Wenn Du nicht so ein hergelaufener Städter, ein landfremder Besserwisser wärest, so würdest Du dem groß sprecherischen Ingenieur mit seinen Kuhrothen Handschuhen Deine schwarzen Fäuste gezeigt und ihn gelehrt haben, recht schaffene Bauern zu verspotten!" rief erbost der Müller; „aber Du scheinst ja richtige Freundschaft mit ihm geschlossen zu haben, wenn er Dir schon gar Geschichten erzählt von seinen früheren Heldenthaten." „Wirthö-Jakob!" rief einer der Bauern, „schick' doch Deinen Buben zum Schulzen, der muß ja alle Gesetze kennen; wofür hätten wir ihn, wenn er das nicht wüßte?" Der Vorschlag wurde mit lebhafter Acclamation ausge nommen und ein Bote an den Dorfdespoten entsandt. Da nun aber die Sitten naturwüchsig einfach, die Wege kurz sind auf dem platten Lande, so ging keine Viertelstunde hin, bis der Gewünschte erschien. Des Wirths-Jacob's Jüngster hatte ihr ohne alle weiteren Formalitäten über einige Zäune und Gärten hinweg, aus seinem Gehöfte herausgerufen, und in Hemd ärmeln, die kurze Pfeife im Munde, trat er in die Versamm lung; ein großer, wohlbeleibter Mann mit hellblonden Haaren, glotzenden wasserblauen Augen, den Stempel eines selbst Bauern begriffe übersteigenden Phlegma's auf allen Zügen. - Sein Gewese lag weit ab von der projectirten Bahnlinie und daher hatte er noch keinen Gedanken, deren er überhaupt außerordent lich wenige besaß, an diese Angelegenheit verschwendet; jetzt tönten ihm Fragen und Ausrufungen von allen Seiten entgegen.