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Dienstag. Nr. 1VV 22. December 1874. WePerih-Ieitung. Amts-Matt für die Kerichts-Aemter und Stadträtye zu Dippoldismatde und Krauenstein. Vcranlwottlicher Rrdartenr: Carl Irhnr in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erschein! wöchentlich zwei Mal: Dienstags »no Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 18 Rgr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finde», werden mit I Ngr. für die Spalten - Zeile berechnet. "I - - . — Die Weihnachtsfreude. Das liebe Weihnachtsfest ist wieder vor der Thür, und manche Mutter erzählt scherzend ihren Kleinen: der Christ engel geht umher und guckt durch'S Fenster, um zu sehen, ob auch die Kinder artig sind! — Der liebe Christengel! wie viel hat der jetzt zu thun, um die Wünsche der Menschen aus den Herzen zu lesen, um Bestellungen entgegen zu nehmen und darnach seine Beschecrungen einzurichten! Ach, wie lange ist es her, als wir das noch glaubten! sagen wohl manche unsrer jungen Leserinnen! Sind sie doch jetzt mehr oder weniger selbst schon zu bescheerenden Christ engeln geworden. Um so besser! So braucht der schöne Name Weihnachtsengel erst recht nicht gestrichen zu werden, wenn die Weihnachtszeit so viele Menschen zu Engeln machen kann> welche Weihnachtsfreude um sich her verbreiten. ES giebt wohl kaum einen Menschen, den die Weih nachtsfreude das Herz nicht wenigstens mit einigen süßen Sorgen erfüllt! Wie viele Mädchenaugen, die sonst regel mäßig um 9 Uhr Abends schon verdrossen stehen, leuchten jetzt um Mitternacht noch hell, weil der Teppich, die Schuhe oder andere Liebesgaben durchaus fertig werden müssen und außerdem noch manche andere Arbeit in Angriff zu nehmen ist. Wie strengt selbst die Großmutter, trotz der Gichtschmerzen in den Armen, ihre altersschwachen Hände an — eS muß doch jedes Enkelchen Etwas haben! Und Großmütterchen wird auch bedacht, natürlich! wofür hat sie denn Enkelchen, die schon stricken können! Wie wird es dem Fabrikarbeiter leicht, eine Stunde länger fleißig zu sein, um den Seinen zu dem bevorstehenden Abend eine Bescheerung schaffen zu können! Ja, auch den hochgeborenen Müßiggänger stachelt die Weihnachtsfreude und schafft ihm einige interessante Sorgen. Wer auf der Welt nur was Liebes hat, sorgt auch darum, und wer' nichts hat, für das er sorgen kann, fühlt nun doppelt schmerzlich seine Einsamkeit, wenn er auch das ganze Jahr wohl zufrieden damit gewesen ist. So erfaßt die Weihnachtsfreude auch das Herz, das sich ihr entziehen will; sie erfaßt es als Sehnsucht, und nur mit Gott und sich selbst zerfallene Menschen kennen diesen Liebesengel nicht. Die verschiedenen Stände der menschlichen Gesellschaft sind eben um ihrer Verschiedenheit willen sonst schwer für ein und dieselbe Idee zu begeistern, denn was dem Einen nahe steht, daS steht dem Andern fern; aber was eine socisU ober politische Idee nicht kann: die Weihnachtsfreude vermag es. Der König wie der Bauer, der reiche Graf wie der arme Tagelöhner haben diesen Gast in ihren Häusern, ob dieselben nun Paläste oder Hütten sind. — Das ist ja eben das Herrliche in der Einrichtung unsere« lieben Herr- otleS, daß er da« Beste, was er den Menschen geben kann, — so eine reine ungetrübte Herzensfreude, allen Menschen kindern in gleichem Maße zu Theil werden läßt! Die durch Genüsse aller Art in ihren Gefühlen ver feinerten Großstädter empfinden keine innigere Weihnachtsfreude, als der stille Landmann in seinem eingeschneiten Erdwtnkel; der Länder gebietende Fürst deckt seinem Sohne nicht mit mehr Wohlbehagen die goldene Tafel, als der Tagelöhner seinem Kinde ein Paar neue Schuhe auf den Weihnachtstisch setzt. Es ist darin eine gewisse Gerechtigkeit. Die reiche Dame greift in die Tasche und kauft dem Töchterchen eine Puppe für zehn Thaler und mehr. Die arme Mutter fitzt die Nacht über auf, sucht nach alten Flicken und macht ein neues Puppenkleid daraus und hat doch den Tag über sauer arbeiten müssen. Ei, dann hat sie es doch wohl verdient, daß ihr Kind sich über die Flickenpuppe mehr freut, als daS kleine Fräulein über die große Puppe mit den Glasaugen und Menschenhaaren! Doch damit soll nicht gesagt sein, daß die wahre Weih nachtsfreude nur an die Armuth gebunden sei; weder der Mangel noch der Ueberfluß an irdischen Gütern sind die Ur sachen daran; wohl aber ist eö überall ein liebewarmes Herz, daS seine Wonnestrahlen nach dem leuchtenden Christbaum sendet, der wiederum Licht und Wärme auf Alle beseligend herniederstrahlt. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, 2l. Decbr. Ein Sonntag vor Weih nachten, wie der gestrige, gehörte in den letzten 5—6 Jahren leider zu den Seltenheiten. Bei reinem Himmel und präch tiger Schlittenbahn kamen gestern von Mittag an in ununter brochenen Reihen die Besucher von auswärts, um die nöthigen Weihnachts-Einkäufe zu besorgen, und vor den Gasthhfen der Stadt fanden die Schlitten kaum genügenden Platz; zeit weilig mußte man glauben, eS sei Jahrmarkt, so gefüllt waren die Straßen und Plätze. Aber auch die Verkaufsläden unserer Gewerbtreibenden waren stets voller Klinker, und Alle werden gute Geschäfte gemacht haben. Möchten auch die übrigen Tage vor dem Feste gleich gute werden; die Schlitten bahn wird durch den heute fallenden Schnee nur gebessert. — Die hiesige Sparkasse erhöht vom 1. Januar 1875 an für Einlagen den Zinsfuß von 3^/s auf 4 pro Cent, und werden bereits die vollen Mark (10 Ngr.), statt wie bisher nur volle Thaler, verzinst. Dresden. S?it der König und die Königin nach ihren neuen Gemächern über dem Georgenthor umgesiedelt sind, findet die wöchentlich mehrere Mal in Altstadt abzuhaltende Wachparade auf dem Schloßplatz zwischen dem königlichen Schlosse und der katholischen Hofkirche statt.