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. Franz suhlte sich getroffen. „Wer sagt Euch ras?" erwiderte er ausweichend. „Ich sage es!" rief der Waldhüter. „Glaubst Du, ich sei blind, oder Du habest Alles so schlau angefangen, daß ich Dich nicht zu durchschauen vermöchte? Des Wassermüllers Gertrud steckt Dir längst im Kopfe, sie soll die Deine werden; aber sie wird es nicht; denn sie haßt Dich, und wenn sie Dich auch nicht haßte, so würde ich eS nicht zugeben!" „Ihr?" rief Franz laut auflachend. „Ihr würdet es nicht zugeben? Seit wann hätte ich denn nölhig, Euch zu fragen? — Bildet Euch nicht zu viel ein, Dörfell Ihr habt die Sache einmal angeregt, nun, da will ich Euch auch sagen, daß Marie, so gern ich sie auch habe, nie die Meine werden wird; denn zur Deichbäuerin paßt sie nicht." Der Waldhüter blickte ihn starr an. Alles Blut war aus seinen Wangen gewichen. Seine Brust holte schwer Athem. Noch blieb er ruhig. „Das ist Dein Ernst?" fragte er. „Ihr wolltet es ja wissen," erwiderte Franz. „Du hast Recht!" fuhr Dörfel fort. „Sie wird die Deine nie werden! Das wollte ich nur wissen; denn — der Mörder Georgs mag auf dem Schaffet seine Hochzeit feiern." Wie vom Blitz getroffen, fuhr Franz einen Schritt zurück. Er drohte umzusinken; an dem Stocke, den er in der Hand trug, stützte er sich. Er sah bleich aus, wie ein Todter, seine Augen schienen aus ihren Höhlen hervorgequollen zu sein. Sein ganzer Körper zitterte. Dennoch faßte er sich. „Ich verstehe Euch nicht!" erwiderte er stammelnd. Die Worte brachte er nur mit Mühe hervor. „Wirklich nicht?" erwiderte der Waldhüter mit einem spöttischen Lächeln, indem er dicht an ihn heran trat. „Habe ich nicht deutlich genug gesprochen? Du hast die Andern alle getäuscht, aber mich nicht. Ich weiß, daß Du — Georg erstochen hast!" „Ihr lügt!" rief Franz. Noch immer rang er nach Fassung. „Ich lüge?" rief der Waldhüter fort. „Morgen giebt mir der Deichbauer 2000 Thaler, wenn ich ihm ein Messer überbringe, mit dem Du seinen Sohn erstochen hast. Ich habe das Messer. Du hast es in den Bach geworfen nach der That; Du glaubtest, das Wasser sollte das Blut daran fortspülen, und wer suchte in dem Bach nach einem Messer? Aber Du warst zu eilig, Du sahst nicht zu, ob es auch wirklich in das Wasser gefallen war. Auf einem Steine war es liegen geblieben. Ich habe das Messer und noch klebt Georg's Blut daran. — Und der Deichbauer würde gewiß noch etwas hinzulegen, wenn ich ihm erzählte, wie Du Dich vorher hinter einem Busche verborgen und wie Du dann hervorsprangst, als Georg arglos näher kam, wie er Dir zurief: „Franz, bist Du das?" und wie Du ihm das Messer in die Brust stießest, ziveimal, daß er lautlos niedersank. Du glaubtest allein zu sein, aber ich war Dir gefolgt, und 30 Schritte weiter lag ich hinter einem Busche. Mir ahnte, daß Du nichts Gutes im Sinne hattest. Auf einen Mord war ich allerdings nicht gefaßt!" Mit stockendem Athem hatte Franz ihm zugehört. Er hatte sich so sicher gefühlt, hatte geglaubt, Niemand wisse um die That, mit einem Male stand jetzt ein Zeuge derselben vor ihm. Mehrere Male zuckte er zusammen. „Ihr lügt!" unterbrach er endlich den Waldhüter, und schnell erhob er den Stock, den er in der Rechten trug. Ehe derselbe auf des Waldhüters Kopf, auf den er gelichtet war, niederfiel, hatte dieser schon Franzens Arm erfaßt und hielt ihn mit eiserner Kraft fest. „Halt — halt, Bürschchen!" rief er. „Ich sah eS Dir an, daß Du etwas im Schilde führtest. Ich kenne Dich besser, als Georg, deshalb sehe ich mich vor. Das wäre Dir ganz passend, auch den einzigen Zeugen Deiner That aus der Welt zu schaffen. So klein Du bist, so entschlossen bist Du; aber vergreife Dich nicht an Männern! — Den Stock her, Bursche!" fuhr er heftig fort. „Nun rühr' Dich nicht weiter, oder noch diese Nacht schleppe ich Dich zum Gerichte!" Ohne Widerstreben ließ sich Franz den Stock aus der Hand nehmen. Seine Thatkraft schien gebrochen zu sein. Den Blick starr auf die Erde gerichtet, stand er regungslos da. Wer Franz so hätte stehen sehen, den Kopf halb kraft los auf die Brust geneigt, würde es nimmer geglaubt haben, daß in diesem scheinbar so schwächlichen Körper ein so düsterer entschlossener Sinn wohnen könne. „WaS soll ich nun machen mit Dir?" fragte der Wald hüter. Franz schwieg. „Was soll ich machen mit Dir?" wiederholte Dörfel. ' „Ich habe bis heute geschwiegen, nicht mit einem Worte habe ich mich verrathen, weil mir mein Mädchen leid that. Jetzt ist es etwas Anderes. Du hast mir erklärt, daß Marie nie die Deine werden solle." „Ich will sie heirathen!" erwiderte Franz nach kurzem Zögern. Er erhob trotzig wieder den Kopf. „Aha! Jetzt ist sie Dir nicht mehr zu gering! Wenn ich nun aber nein sage? Wenn ich jetzt noch mehr verlange?" „Was verlangt Ihr?" fragte Franzmit dumpfer Stimme. „Sag lieber, wie viel Dir Dein Hals Werth ist!" warf Dörfel ein. „Denn den Kopf kostet eS Dich, wenn ich spreche." Franz schwieg. Er schien nackzusinnen. Der Wald hüter beobachtete ihn mit scharfem Blicke. „Ich muß geben, was Ihr verlangt," erwiderte er endlich. „Ich werde es auch geben. Jetzt habe ich nichts." „DaS weiß ich. Deine Versprechungen nützen auch nichts. Ich werde mir Zeit nehmen, mich darauf zu besinnen. - Nur Eins rathe ich Dir, benimm Dich mir gegenüber nicht wieder so hochmüthig, wie heule Abend. Ich habe es lange genug ertragen, aber ich will's nicht mehr. — So — nun mag es genug sein!" Er wollte weiter gehen. Franz blieb stehen. „Habt Ihr zu dem Deichbauer kein Wort gesagt?" fragte er. „Ahnte er es nicht?" „Würde er Dich dann noch eine Stunde frei lassen?" entgegnete Dörfel. „Hat er nicht selbst, als der Mord geschehen war, für Dich gesprochen? Ohne ihn säßest Du vielleicht längst im Zuchthause. Sicherlich bist Du in jener Nacht gar nicht zu Hause gewesen und der Deichbauer hat sich geirrt." „Wirst Du mir jetzt versprechen, mich nicht zu verrathen?" „Hoho! Du hast mir keine Bedingungen zu stellen. Nichts verspreche ich, wenn Du anders handelst, als ich es will. Franz schmieg. „Nun komm!" fuhr der Waldhüter fort. „Geh' voran. Deine Absichten kenne ich. Nur das Eine laß Dir gesagt sein, versuche nicht zum zweiten Male, den Stock gegen mich zu erheben!" Franz erwiderte nichts darauf. Schweigend schritten Beide durch den Wald hin. Noch immer führte ihr Weg sie zusammen. Ein Steg führte über einen Bach, der im felsigen Bett wohl 20 Fuß tief unten vorüberrauschte. Drei Balken waren neben einander gelegt und das Geländer war längst durch Zeit und Wetter vernichtet. Nur die Pfosten, an denen es befestigt gewesen, standen noch. Niemand hatte Sorge getragen, dies Geländer zu erneuern, weil der Steg nur wenig benutzt wurde. Der Waldhüter kannte ihn. Bei Tag und Nacht, im nüchternen und berauschten Zustande hatte er ihn unzählige Male überschritten. Und er bot auch keine Gefahr dar für Jemand, der von Schwindel frei war. Arglos betrat er ihn auch jetzt hinter Franz, der ruhig den ganzen Weg voran geschritten war. Was konnte dieser ohne Waffen auch gegen ihn beginnen?