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Werßerch-Ieitung. Dienstag. Rr. «8. 1. September 1874. Amts-Mkalt Mr die Gerichts Aemter und Stadträttze zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt crschentt wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Rgr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit I Ngr. fnr die Spalten - Zeile berechnet. Ium zweiten September. Das war em Tag von riesiger Gewalt, Der wichtigste von all' den blut'gen Tagen, Die in der neuern Kriegsgeschichte stehn. Wir wissen ja, was sich an ihm begab, Und wie an seiner Uhr der Stundenzeiger, An den sich eiserne Gewichte hingen, Roth fortbewegte — roth von Blut gefärbt, — Bis unter Dampf und Donner der Kanonen Er seinen Weg zur deutschen Ziffer fand Und glorreich auf der „Siegesstunde" stand. Und diese „Sieg es stunde", wuchs sie auch Aus Todesqualen, Bült und frischen Leichen Mit Grausen auf und unter bangem Stöhnen: — Wir müssen ihrer dennoch stets gedenken. Wie sie ja auch im Buche der Geschichte Fest stehen wird, so lang die Erde steht. Und „Sedan" von der Menschenlippe geht. Sprich „Sieges st un de oder Sieges tag", — Die Stunde ist ja Kind stets von dein Tage, Der Tag die Mutter. — Unter wilden Wehen Gebar das Kind sie, dessen wir gedenken, D''rum soll'n wir Beiden Wort und Weihe schenken. Und Kind und Mutter steh'n auch Hand in Hand, Und rufen uns vereint die Mahnung zu: „Vergeßt uns nicht! Wir brachten die Entscheidung! Wir drückten, als die Waage noch im Schwanken, Die eine Schale nieder für die Deutschen, Und füllten wir sie auch mit Blut und Eisen: Die Franken-Schale schnellte doch empor! Empor such mußte sie! Denn sonst, denn sonst: Wer weiß, wie noch die Wendung wär' gekommen!" — So rufen Kind und Mutter laut uns zu. — Und ach, was wär' aus Deutschland wohl geworden. Wenn sich an diesem Tag die Siegesschale Für Frankreich senkte? wenn die unsre stieg? Gar schwer hängt oft an eine große Schlacht, Wenn sie, trotz Tapferkeit, verloren geht. Ein finst'res Schicksal sich, und zerrt die Siege Der früher« Schlachten in ein Nichts zurück, — Auch für den Stär kern schwankt das Kriegesglück. — Wohl hassen wir die Kriegsbrutalität Und all' die blut'ge Wirthschaft auf der Erde: Wir hassen all' das Widermenschliche Und die Verthierung, die der Krieg erzeugt; Wir wünschen, daß das rothe Ungeheuer Sich nicht mehr stürze auf die armen Völker Mit Schlachtschwert, Bajonett und Feuerschlünden; Wir wünschen, daß der Riese sterben möge. Der Millionen hart die Werkstatt sperrt Und einschnürt in die Faulheit der Kasernen, Und, ob auch Väter, Mütter, Bräute jammern, Zuletzt die Söhne in die Schlacht noch treibt Und ruhig dann die Todtenliste schreibt. Doch wie — und wie? wir feiern diesen Tag? — Ja! — nicht den Tag nur, auch den vollen Sieg, Den Deutschland über Frankreich hat gewonnen! Wir waren zu dem Kriege ja gezwungen. Und hätten wir gesäumt, den Feind zu schlagen. Und hält' er uns geschlagen: — o die Noth, Verwüstung, Brand, des Krieges volle Schrecken, Sie wären dann in Deutschland losgebrochen. Das ganze Elend hatte uns getroffen. Dazu noch Schimpf, Verachtung, Schmach und Hohn, Wie einst das Alles lag auf Deutschland schon! Jetzt ist das anders; — das Gericht trat ein. Ein Stücklein Weltgericht sah ja die Welt, — Und wohl auf lange haben wir nun Frieden. Geendet hat der phrasenreiche Kaiser, Hat seinen Staub fern in das Grab geschüttelt — Er, der viel Tausende ins Grab gestürzt. Er, der das Land ins Elend frech gebracht: Der Staatsstreichmann mit der Cayenne-Nacht! Führt die Erinn'rung, die der Tag ja bringt. Das ganze blut'ge Kriegsbild uns vor's Auge, Dann sehen wir, — wö immer sie auch fielen, — Im Geiste unsre lieben, theuren Tobten, Die von uns Abschied nahmen, frisch und stark, Und heim nicht kehrten an den stillen Heerd! Denn „Sedan" nicht allein verlangte Opfer, Auf vielen Feldern hat die Schlacht geraucht. Hat Mann und Jüngling heiß in's Blut getaucht. Und unsrer Tobten nicht nur denke« wir. Die draußen schlafen in dem fremden Boden; — Der Fremden auch, der Feinde, der Franzosen Gedenken wir parteilos, ohne Haß. Freiwillig waren sie nicht Deutschlands Feinde, Freiwillig zogen sie nicht in die Schlacht, — Derselbe Mann, der uns zum Kriege zwang, Der trieb und schleppte sie auch hin zur Blutbank —