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Freitag. Rv «3. 14. August 1874. Weißerih-Keitung. Amis-Matt für die Kerichts-Aemter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Nedacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen dnrch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Rgr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit l Ngr. für die Spalten - Zeile berechnet. Vk. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde. Behufs der Beschickung des, am 23. und 24. August in Meißen stattfindenden Kongresses der sächsischen Gewerbe- und Handwerker-Vereine Seiten des hiesigen Gewerbe-Vereins, wird eine Ver sammlung des letzteren am nächsten Mittwoch, 19. August, im gewöhnlichen Locale statlfinden, was wir den Mitgliedern hierdurch vorläufig mittheilen. — Am 9. August starb in Kötzschenbroda der Staats minister a. D. Albert v. Carlo Witz, ein deutscher Staats mann im weitesten Sinne des Wortes, der stets unerschrocken für die Rechte und Freiheiten unseres Volkes eintrat. Cr war am 1. April 1802 in Freiberg geboren. Dresden. Nach den, aus Ostende eingetroffenen Nach richten erfreut sich Se. Maj. der König dort des besten Wohlseins und nimmt die Bäder, begünstigt vom Wetter, regelmäßig fort. Vom König der Belgier eingeladen, war Se. Maj. kürzlich in Lacken und Brüssel. — In diesen Tagen fand hier in der Fabrik des Civil- JngenieurS Simens ein dritter Versuch der Leichenver brennung statt, dem viele Aerzte rc. beiwohnten. Da eine Menschenleiche nicht zu erlangen gewesen, wurde mit einem 420 Pfd. schweren Pferdecadaver experimentirt. In drei Viertelstunden waren alle Weichtheile vollständig zu Asche gebrannt. — Am 23. und 24. August findet zu Riesa ein Kon greß der sächsischen Gewerbevereine statt. Die bis jetzt eingegangenen Anträge der Einzelvereine, welche zur Dis kussion und Beschlußfassung kommen, hehandeln fast alle die brennenden Fragen der Gegenwart im Gewerbe- und Industrie leben und zeugen von Einmüthigkeit in der Verurtheilung der neuen Gesetzgebung. Berlin. Der Kaiser Wilhelm ist am 9. August in bester Gesundheit und vortrefflicher Stimmung wieder hier «ingetroffen. — Die deutsche Regierung hat sich in Bezug auf die spanischen Angelegenheiten mit allen Mächten über die Maßnahmen in Einvernehmen gesetzt, und alle Bespre chungen über eine demnächstige Annerkennung der jetzigen Regierung in Madrid sind von günstigem Erfolge begleitet gewesen, so daß die Reichsregierung in Bezug hierauf nun mehr officiell vorgehen wird. Somit steht der wichtigste Dienst, den Europa Spanien leisten kann, in Aussicht. — Der Termin der Einführung der Civilehe rückt immer näher, und noch immer wartet man in den unteren VerwaltungSkreisen auf eine umfassende Instruction aus dem Ministerium des Innern. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß eine solche noch ausgearbeitet werden wird, vielMhr scheint man sich damit begnügen zu wollen, für einzelne Fälle, die in der Praxis besondere Schwierigkeiten bieten sollten, einzelne Ausführungsbestimmungen zu treffen. — An den Fürsten Bismarck sind aus Anlaß des Attentats bis jetzt siebentausend Glückwunschadressen ge richtet worden. — Derselbe wird am Freitag in Berlin em- treffen und nur wenige Tage dort verweilen. Baiern. Zu Ehren des deutschen SängerbundeS- festes prangte die Residenzstadt München vom 8.— 1l. August in festlichem Schmucke. Der Empfang der fremden Gesangvereine geschah in der sinnig und prachtvoll geschmückten Halle zwischen den beiden Bahnhöfen. Nach einer Begrüßungs rede öffnete sich der Hintergrund, und es wurde ein, mit künstlerischem Geschmacke gestellte« Tableau sichtbar, aus dem alsbald eine Anzahl hübscher Kellnerinnen in der alten Mün chener Tracht mit Riegelhäubchen rc. hervoreilten und Münchener Hofbrauhausbier credenzten. Dieser eben so sinnig als praktisch in Scene gesetzte Empfang rief bei allen Ankommenden den größten Jubel hervor. Mit Musik und geleitet von Comits- mitgliedern, wurden die Sänger mit ihren Fahnen in die Stadt, in das alte RathhauS geführt, in dessen großem Saale die Fahnen der verschiedenen Vereine abgegeben und die Fest zeichen, Programme und Quartierbillet vertheilt wurden. Im Ganzen waren 75 Sängerbünde, Verbindusgen und Vereine aus den verschiedenen Gauen des deutschen Reiches und Deutsch-Oesterreich'S (einschl. 11 Vereinen aus München) vertreten. Bei der, am Abende des ersten Tageö im Glas palast (einem 1854 für die deutsche Industrieausstellung er richteten Gebäude) stattgehabten Festverfammlung wurde die Sängerbundesfahne und ein von Münchener Frauen gewid metes prachtvolles Fahnenband übergeben. Dann fand eine großartige Ovation für König Ludwig statt, ausgebracht vom Reichstagsabgeordnete» Justizrath Meyer aus Thorn, wobei die Nationalhymne gesungen wurde. Der Fahnenmarsch am Sonntag vom Rathhaus nach dem GlaSpalast hatte gegen 300 Fahnen und Banner; zu dem darauf folgenden ersten Concerte waren wohl an 20,000 Menschen anwesend. Schon bei diesem Concerte war zu bemerken, daß bei aller Schönheit des Glaspalastes von Akustik in demselben nicht die Rede ist; die riesigen Dimensionen verschlangen die Töne ganz. Leider mußte wegen schlechten Wetters der Festzug nach der Theresien- wiese und zum Standbilde der Bavaria unterbleiben und wurde erst am zweiten Festtage (Montag), und zwar in großer Ausdehnung und bester Ordnung gehalten. Die Ba varia war wundervoll beleuchtet; ein Feuerwerk wurde ab gebrannt. Nach dem zweiten Concert im GlaSpalaste brachte Bürgermeister Wivmeyer ein Hoch auf den deutschen Kaiser und das deutsche Reich au«. Festtheater und Beleuchtung schlossen den zweiten Festtag ab.