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W Dienstag. Mr. vv. ' 4. August 1874* Weißerih-Ieitung Amts-Matt für die Herichts-Aemter und Stadträtpe zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Rcdacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Anflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten - Zeile berechnet. Don Karlos. Bei dem großen Interesse, welches der Kampf in Spanien nach allen Seiten in Anspruch nimmt, wird es viel leicht Manchem unserer Leser, dem speciellere geschichtliche Werke nicht zu Gebote stehen, angenehm sein, wenn wir in einer kurzen geschichtlichen Darstellung Näheres über das karlistische Prätendententhum mittheilen. In Spanien hatte seit dem Frieden von Utrecht, welcher im I. 1814 den spanischen Erbfolgekrieg beendigte, bekanntlich ein Zweig des französischen Königshauses der Bourbonen den Thron inne. Zu Anfang dieses Jahrhunderts war Karl IV. König, körperlich und geistig ein Schwächling, der sich durchaus von seiner ränkevollen Frau unv deren unwürdigem Günstlinge, dem sogenannten Friedensfürsten, regieren ließ. Die Schwäche des Königs und die Uneinigkeit der königlichen Familie machten es Napoleon I. möglich, sich in die spanischen Angelegenheiten einzumischen, und der feige König entsagte auf Zureden seiner Gemahlin und ihres Günstlings dem Thron zu Gunsten desselben. Die beiden Söhne Karls IV., der spätere Ferdinand VII. und Don Karlos, mußten der Thronfolge ebenfalls entsagen und wurden von Napoleon bis 1814 in Frankreich gefangen gehalten. Noch vor seinem vollständigen Sturze 1814 entließ Na poleon beide Prinzen aus der Gefangenschaft, und da Karl IV. unterdeß gestorben war, bestieg Ferdinand VII. den spanischen Thron. Der Haß des Königs gegen seinen Bruder Don Karlos bewog denselben, da er trotz dreimaliger Vermählung kinderlos geblieben, sich im hohen Alter noch einmal zu ver mählen. Seine vierte jugendliche Gattin, Marie Christine, gebar ihm nun im Jahre 1830 eine Tochter, die spätere Königin Isabella. In der spanischen Königsfamilie hatte bisher das sogen, salische Gesetz als Hausgesetz gegolten, nach welchem die männlichen Mitglieder der Familie die Frauen von ihrem Throne ausschlossen. Nach diesem Gesetze mußte Don Karlos mit dem Ableben des Ferdinand, König von Spanien werden. Durch die sogen, pragmatische Sanktion hob nun Ferdinand dieses salische Gesetz aus königlicher Macht vollkommenheit auf und schloß seinen Bruder zu Gunsten seiner Tochter vom Thron aus. Als nach seinem, im I. 1833 erfolgten Tode Isabella nun den Thron bestieg, prolestirte der Prinz gegen ihre Thron besteigung und suchte, gestützt auf die reaktionären und kleri kalen Elemente der spanischen Bevölkerung, sein Recht mit den Waffen geltend zu machen. Nach einem langjährigen, mit abwechselndem Glück geführten Bürgerkriege mußte Don Karlos da« Land räumen. In Frankreich, wohin er sich nach seiner Niederlage begeben, entsagte er 1845 zu Gunsten seines ältesten Sohnes, der ebenfalls den Namen Don KarloS führte, den Rechten auf den spanischen Thron. Während des Krieges, den Spanien 1860 mit Marokko führte, versuchte dieser, seine Kousine Isabella vom Throne zu stoßen. Sein bewaffneter Einfall in Spanien mißlang, und er mußte sich den könig lichen Truppen ergeben. Nachdem er allen Ansprüchen auf den Thron entsagt, wurde er aus der Gefangenschaft entlassen. Der Prätendent nahm diese Erklärung zwar zurück, blieb aber bis zu seinem Tode 1861 unthätig. Da er kinderlos starb, nahm nun der einzige noch übriggebliebene Sohn des Don Karlos, der sich ebenfalls Don Karlos nannte, die Prätendentschaft wieder auf. Als auch dieser Ende der sechziger Jahre starb, hinterließ er zwei Söhne, den gegenwärtigen Prätendenten Don Karlos, geboren 1848, und den Prinzen Alphons. Beide Prinzen sind, wie alle Abkömmlinge des Don Karlos, von den Jesuiten erzogen, und daher selbstverständlich fanatische Ultramontane. Als ihre Tante Isabella durch die September revolution vom Throne gestoßen wurde, hielten sie sich in Oesterreich auf, um dort ihre Erziehung zu vollenden. Im vorigen Jahre entzündeten sie auf's Neue den Bürgerkrieg in Spanien, der jetzt noch fortdauert und mit der schmählichsten Barbarei, insbesondere durch die Karlisten, geführt wird. Neben Don Karlos macht nach der Thronentsagung seiner Mutter Isabella auch deren Sohn Alphons Ansprüche auf den Thron, und man darf annehmen, daß die Partei, auf welche sich die gegenwärtige Regierung Spaniens stützt, zumeist auS Anhängern dieses Prinzen besteht. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, 3. August. Die immer noch an haltende, außerordentlich trock ene Witter ung hat für uns die polizeiliche Maßregel im Gefolge, daß von heute an bis auf Weiteres das Bleichen und Wiesenwässern aus den Mühlgräben bei Strafe verboten wird. — Im benachbarten Glashütte wird am 16. August das Gauturnsest der sächs. Mittelelbe abgehalten werden. * Dresden. In der, am vorigen Donnerstag hier ab gehaltenen Versammlung des Dresdner Vereins der Gustav- Adolph-Stiftung hielt Herr Superintendent Franz eine Ansprache an die Versammlung, deren Schlußworte ungefähr folgende waren: „Wenn die ultramontanen Führer könnten wie sie wollten: man würde uns aus unfern evangelischen Kirchen vertreiben, und am nächsten Sonntage würde in denselben katholischer Gottesdienst stattfindenI Aber sie können nicht, wie sie wollen, so lange wir einmüthig und fest bei einander stehen. Der Gustav-Adolph-Verein soll keine An griffswaffe sein, — aber er soll ein Schild sein, mit welchem wir den evangelischen Geist gegen ultramontane Anmaßungen schützen müssen, wo solche immer auftreten."