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Freitag. Rr. 4«. 22. Mai 1874. Weißerih-Aeitnng. Amts-Matt für die Kerichts-Aemter und Stadträtije zu Dippoldiswalde und Irauenüein. Verantwortlicher Rcdactcur: Carl Ichne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden nut l Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 20. Mai. Bekanntlich ist der bisherige Pfarrer von Reichstädt, Herr vr. MI. Richter, zum Professor und 1. Religionslehrer am neuerrichteten Staats-Gymnasium in Neustadt-DreSden ernannt worden, und hat derselbe sein neues Amt bereits angetreten. Zur Besetzung der erledigten Stelle wird, wie wir hören, nächsten Sonntag, den ersten Pfingstfeiertag, Herr Candidat Ficker, Mitglied des Predigercollegiums St. Pauli in Leipzig, eine Gastpredigt halten. Dresden. Im Landtage hat die 2. Kammer die Be- rathung über die Steuer-Reform-Borlage zu Ende geführt. Eine sehr lebhafte Debatte entstand über den tz 38, welcher von der Deklaration des Einkommens des Beitrags pflichtigen handelt. Die Minorität der Deputation stellte hierzu folgenden Antrag: „Wenn die Einschätzungskommission die Richtigkeit des deklarirren Einkommens eines Beitrags pflichtigen unglaubwürdig findet, so ist dieselbe berechtigt, von demselben eine specielle Deklaration zu fordern." Die Majo rität der Deputation stimmte dagegen im Wesentlichen der Bestimmung der Regierungsvorlage zu, nach welcher die De klaration des Einkommens nach Maßgabe eines bestimmten Formulares obligatorisch zu erfolgen hat. Bei der Ab stimmung entschied sich die Kammer für die Deputations- Mehrheit, so daß nun der § 38 folgendermaßen lautet: Die Deklaration hat nach Maßgabe des Formulares zu ent halten: u. die Höhe des steuerpflichtigen Einkommens des Beitragspflichtigen und zwar gesondert nach den verschiedenen Quellen, wie solche im 8 14 bezeichnet sind; b. die Angabe derjenigen Grundstücke und gewerblichen Niederlassungen, welche der Beitragspflichtige in Sachsen außerhalb seines Wohnsitzes besitzt; o. die Nachweisung der Schuldzinsen und der sonstigen nach § 13 zulässigen Abzüge, welche der Bei tragspflichtige bei Berechnung seines Einkommens in Anschlag gebracht hat; ä. die Versicherung des Beitragspflichtigen, daß er seine Angaben nach bestem Wissen und Gewissen ge macht habe. Sofern es sich um ein Einkommen handelt, dessen Betrag nur durch Schätzung gefunden werden kann, genügt es, wenn der Beitragspflichtige in die Deklaration statt der ziffermäßigen Angabe des Einkommens diejenigen Nachweisungen aufnimmt, deren die Kommission zur Schätzung desselben bedarf und sich zu jeder etwa erforderlichen Er gänzung dieser Nachweisungen nach Maßgabe der ihm vor zulegenden Fragen erbietet. Bei der Schlußabstimmung wurde das ganze Gesetz in der aus der Berathung hervorgegangenen Fassung mit 59 gegen 17 Stimmen angenommen. Die Berathung der Steuerreform in der 1. Kammer wird wohl nicht sofort erfolgen, da es heißt, die Stände versammlung werde, nach Durchberathung des Budgets, bis zum Herbst vertagt werden. — Nachdem die durch den Borkenkäfer in einem großen Theile des Böhmer Waldes erfolgten Verwüstungen die Vornahme großer Holzschläge daselbst nöthig gemacht haben, ist bei den Waldbesitzern auch in Sachsen die Besorgniß entstanden, daß durch den Transport der geschlagenen Hölzer nach den unteren Elbgegenden und deren weitere Ver sendung eine Verbreitung des gefährlichen Käfers auf andere, von ihnen bisher verschonte Waldungen stattfinden könne. Zur Beruhigung dieser Besorgniß wird eS dienen, daß nach eingezogenen Erkundigungen die K. K. Statthalterei in Prag die betheiligten Bezirkshauptmannschaften aufgefordert hat, die Waldbesitzer und zunächst die mit der Aufsicht über die Aufbereitung des vom Borkenkäfer ergriffenen Holzes betrauten Forstorgane anzuweisen, daß sie für gehörige Entrindung und Reinigung des zur Weiterbeförderung bestimmten Holzes der gedachten Art Sorge tragen. Es ist also nicht zu fürchten, daß durch die Transporthölzer der Borkenkäfer auch in unsere sächsischen Waldungen übertragen werde. Berlin. Der Kaiser wird am 26. Mai und die Kaiserin zu Ende des Monats zu einer etwa 14tägigen ge meinsamen Residenz auf Schloß Babelsberg zurückkehren. — Der preußische Landtag wird am Freitag, 22. Mai, für dieses Jahr geschlossen werden. — Der bisherige Botschafter in Paris, Graf Arnim, ist durch kaiserliche Ordre in den Ruhestand versetzt worden. — Der neue Botschafter, Fürst v. Hohenlohe, der bisher in München weilte, ist bereits nach Paris abgereist. — Der Kaiser wird in diesen Tagen den Nieder wald besuchen, um den für das Nationaldenkmal be stimmten Platz in Augenschein zu nehmen. — Auch in Straß burg trägt man sich mit der Erwartung, Kaiser Wilhelm werde in diesem Jahre während des Kurgebrauches in Baden- Baden nach Straßburg kommen. Schweiz. Das Schloß Arenenberg wird, wie man aus Zürich meldet, zur Aufnahme der Ex-Kaiserin Eugenie und ihres Sohnes in Stand gesetzt, welche Beide sich dem nächst dort dauernd uiederlassen werden. England. Der Kaiser von Rußland hat trotz der ihn umdrängenden Festlichkeiten, denen er in London bei wohne» muß, noch Zeit gefunden, der Exkaiserin Eugenie einen Besuch zu machen, — für die Dame jedenfalls eine Stunde „voll schmerzlich-süßer Erinnerung." Der junge Napoleon machte Tags darauf dem Kaiser einen Besuch. Zu Ehren des Letzteren fanden glänzende Feste, Eoncerte, Feuerwerk rc. statt.