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Freitag. Nr. 38. 15. Mai 1874. Weißenh -Leitung. Amts-Matt für die Kerichts-Aemter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Arauenflein. Vcrantwottlicher Nedactcur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit l Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, den 14. Mai. In der Dienstags- Nummer der „Dresdener Nachrichten" war der vom Abge ordneten Seiler über das Budget des Ministerium des Innern erstattete Bericht enthalten. Derselbe hat bei unaufmerk samen Lesern unserer Stadt große, jedoch völlig unbegründete Besorgnisse erregt. Gleich der 2. Kammer, hat auch der genannte Bericht vorgeschlagen, die Zahl der Amts Haupt mann sch asten auf 25 herabzusetzen (bekanntlich verlangte die Regierung ursprünglich deren 31); ferner empfiehlt der selbe, die bei der Kammer eingegangenen Petitionen der Städte Frauenstein, Schneeberg, Döbeln und Mittweida, welche um Verleihung einer AmtShauptmannschast gebeten hatten, der Regierung zur Erwägung zu übergeben. Letzteres hatte auch die 2. Kammer gethan. Der Bericht der 1. Kammerdeputation schließt sich also in Allem den Beschlüssen der 2. Kammer an, verlangt also von der Regierung kuneswegs eine Ab änderung ihrer Anordnungen; zu dieser gehört aber eben, daß Dippoldiswalde, wie hier bereits offiziel bestimmt ist, Sitz einer AmtShauptmannschast werden soll. Daran, daß eö Personen geben soll, und zwar hiesige, die mit schlecht verhehlter Schadenfreude über eine Aenderung der Regierungs absicht triumphiren., mögen wir lieber nicht glauben; solche Gesinnung wäre zu erbärmlich. — Für dm aufmerksamen Beobachter des Volkslebens äst eine Erscheinung, die in neuerer Zeit nicht nur hier, sondern auch auswärts immer allgemeiner wird, überraschend und betrübend. Wir meinen die, in immer erschreckenderer Angenirtheit auftretende leichtfertige Verleumdungs sucht, die sich dann, wenn die gerichtliche Klage droht, mit einer in öffentlichen Blättern veröffentlichten Ehrenerklärung und Prangerstellung der eigenen Person eben so leichtfertig abzufinden weiß. Auch in der Weißeritz-Zeitung sind in den letzten 6 Wochen nicht weniger als 11 hierher bezügliche Anzeigen (Ehrenerklärungen) zu lesen gewesen. Es gehört eine eigene Gleichgültigkeit gegen die eigene Ehre dazu, sich öffentlich als Lügner hinzustellen, und, obschon eine außer gerichtliche Ausgleichung verleumderischer Injurien dem Rechts wege im Allgemeinen vorzuziehen ist, so wäre es, um solche leichtsinnige Verleumder die Folgen ihrer Handlungsweise empfinden zu lassen, oft besser, wenn die Beleidigten sich nicht immer so bereitwillig zeigten, sich mit dergleichen öffentlichen Erklärungen zufrieden stellen zu lassen. Es ist ein schlimmes Zeichen, wenn die bürgerliche Ehre so leicht fertig preisgegeben wird. — Die Anmeldungen zu unserer Gew erbe-Ausstel lung mehren sich seit den letzten Tagen in erfreulicher Weise. Wir bemerken für alle Aussteller, daß durch zeitig genug geschehene Anmeldung ihnen sicher der nöthige Raum für ihre Ausstellungs-Gegenstände gewährt wird, während Nach züglern derselbe nöthigenfalls gekürzt werden muß oder gar nicht mehr zugesichert werden kann. — Im Dorfe Lübau bei Rabenau ist am Dienstag, 12. Mai, ein bedauernöwerther Unglücksfall vorge kommen. Die mit Flechten beschäftigte 12jährige Tochter des dortigen Stuhlmachers Müller verließ ihre Arbeit, um von der sog. Hühnerbühne die Eier abzunehmen. Ueber diesem Raume waren harte Bretterpfosten aufbewahrt, welche leider in demselben Augenblicke herabstürzten, als das arme Kind sich unter denselben befand. Erst nach einer Stunde, als man es vermißt und überall gesucht, fand man eS erdrückt und todt unter der schweren Last. Dresden. Im Landtage hat die 2. Kammer am 12. Mai die Specialberathung des Einkommensteuer-Ge setzentwurfes begonnen. Viele Redner sprachen gegen die Deputationsanträge und für bloße Revision des bestehenden Steuersystems; andere stimmten zwar dem Gesetze bei, doch nur unter vielen Vorbehalten und Voraussetzungen. Der 8 1 des Gesetzes lautet: „ Im Königreich Sachsen wird eine allgemeine Einkommensteuer erhoben. Gegenstand der Steuer ist das reine Einkommen, gleich viel, ob dasselbe aus Grundstücken, aus Renten- oder Capitalbesiß, aus einer mit Gehalt oder Lohn verbundenen Stellung, oder sonstiger gewinnbringender Thätigkeit herrührt." — Sämmtliche in Dresden vorhandenen Militärgebäude sollen außerhalb der Stadt verlegt werden und werden dann auf der Ostseite der Stadt einen besonder» Stadttheil bilden. Die Ausführung dürfte leicht 8 bis 10 Jahre in Anspruch nehmen und gegen 5,795,000 Thlr. kosten. Der Staat er hält eine abschlägliche Vergütung insofern, als ihm 35 jetzt unter der Verwaltung des KriegSininisteriumS stehende und in Dresden belegens Gebäude, Etablissements und Areal komplexe zufallen sollen. Döbeln. Am 10. Mai (Sonntag) hat Hierselbst eine aus ganz Sachsen zahlreich besuchte Versammlung reich«, treuer Männer stattgefunden, und ist von denselben der NeichSverein für Sachsen gegründet worden. Der Zweck des Vereins ist die Bekämpfung aller reichsfeindlichen Bestrebungen durch festes Zusammenhalten und thatkräftigeS Zusammenwirken aller Derjenigen, denen die Größe des Reichs, die Wohlfahrt und die freiheitliche Entwickelung des Reichs und der Einzelstaaten am Herzen liegt, insbesondere bei den Reichstagswahlen. Leipzig. Am letzten Sonntag ist der Luftschiffer Sivel abermals mit seinem Riesenballon „Coloß" aufge stiegen, und befanden sich außer ihm noch 6 Personen in der Gondel. Bei der herrschenden Windstille stieg der Ballon