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— 759 — Tagesgesehichte. Dippoldiswalde. Am vorigen Donnerstag hielt Herr Schuldirector Engelmann im Gewerbeverein den 2. Vor trag „aus der Geschichte deö PapstthumS." Derselbe ging von den Kreuzzügen aus, zeigend, wie diese, die ganze abend ländische Christenheit bewegende Angelegenheit in ihrem Ur sprünge, ihrer Leitung und ihrem Endzwecke dazu beigetragen, die Macht und das Ansehen der, an der Spitze der Unter nehmung stehenden Päpste noch höher zu heben, als es dem Gregor VII. möglich gewesen. Hierauf schilderte der Vor tragende den Kampf der päpstlichen und weltlichen Macht im Zeitalter der Hohenstauffen, den vollständigen Sieg und die immer höhere Machtentfaltung der ersteren, wobei die Persönlichkeit Friedrich Barbarossa'S, der die Oberherrlichkeit deS Papstes vollständig anerkannte, ausführlicher behandelt wurde, und zeigte in der Angelegenheit und den Schicksalen des eifrigen Arnold von Brescia beide „Schwerter" einig in der Bekämpfung der, reformatorischen Bestrebungen zuge neigten Elemente. Die Erwähnung der, im Hohenstauffen-- Zeitalter sich bekämpfenden Parteien der Welfen und Ghi- bellinen gab Anlaß, auf die in unseren Tagen auf'S Neue hervortretenden kirchlich-politischen Wirren mehrfach hinzuweisen. — 1. Decbr. Gestern Nachmittag hat auch bei uns eine Volksversammlung stattgefunden, in welcher der Socialdemokrat Cigarrenarbeiter Eckstein aus Waldheim, der als Candidat für den Reichstag auftritt, in einer längeren Rede für seine Wahl zu wirken gesucht hat. Wir haben —- weil nicht davon unterrichtet — der Versammlung nicht bei gewohnt, hörten aber, daß die wohleinstudirte Rede auch darauf berechnet war, den Samen der Socialdemokratie bei uns auS- dargestellt, welche die Kirchenvorstände im Bereiche ihrer Gemeinden im Sinne der innern Mission entfalten könnten, und deren Erfüllung im Anschluß an die hier und in Lauen stein jüngst constituirten Kreisvereine für innere Mission angestrebt werden möchte. Es würden dann der Klagen weniger werden über mangelnde Zucht beider Heranwachsenden Jugend u. dgl. m., Klagen, welche oft ebensoviel Anklagen enthielten wegen versäumter Pflichten, die man hätte an den hilflosen Kleinen, an den sittlich Gefährdeten und Ver wahrlosten, an den Gefallenen und Gefangenen erfüllen sollen. Der Redner schloß mit dem Gedanken, daß, wer von der Bedeutung der Kirche durchdrungen wäre, und von Ktrchenvorstehern werde man das doch voraussetzen müssen, auch zu solcher Arbeit, wie die geschilderte, sich werde ge trieben fühlen, und nicht vergebens; die Erde werde dann dem Himmel näher gerückt, und was die Engel gesungen haben, zu einer volleren Wahrheit werden: Friede auf Erden, den Menschen ein Wohlgefallen. Nachdem die Tagesordnung hiermit erledigt war, sprach der Hr. Vorsitzende noch einige in die Wirksamkeit der Kirchen vorstände einschlagende Wünsche aus, die wir recht beherzigt sehen möchten, und die wir unserm Referate anschließen, nämlich: die Kirchenvorstände haben zu wachen, und so viel an ihnen ist, dahin zu wirken, 1) daß den überhandnehmenden Sonnabendsvergnügungen, die ost bis über Mitternacht aus gedehnt werden, entgegen gearbeitet werde; 3) daß bei Taufen unehelicher Kinder nicht, wie so oft, unverheirathete Personen als Pathen zugezogen werden, wodurch leicht neuem Elend und der Unsitte die Bahn geöffnet werde; 3) daß die ost geschmacklosen und sinnlosen Grabschristen und Nachrufe für Verstorbene abnehmen, auch unnütze Zierrathe und Ein bauten in den Kirchen zum Gedächtniß Verstorbener möglichst beseitigt werden. Mit einem, von Hrn. ?. Friedrich gesprochenen Gebete ward die, an gegenseitiger Aussprache und an vielseitiger Anregung reiche und darum, wie wir hoffen, recht gesegnete Versammlung geschlossen. eine regere Betheiligung an derselben von Seiten der welt lichen Kirchenvorsteher gewünscht, und mit Rücksicht auf die, dem unmittelbaren praktisch-kirchlichen Leben entnommenen Fragen, welche der Besprechung zu Grunde lagen, auch füglich erwarten können. Um so dankbarer war es anzuer kennen, daß Hr. Kirchenvorsteher Großmann mit unleug barem Geschick in durchaus maaßvoller und würdiger Weise der ihm gewordenen Aufgabe sich unterzog und die Be lebung der diesjährigen Diöcesanversammlung wesentlich mit gefördert hat, so wenig auch die von ihm vertretenden An schauungen von der Mehrzahl der Versammelten getheilt werden konnten. Wegen vorgerückter Zeit zog nunmehr Hr. Sup. Opitz die als 2. Punkt der Tagesordnung von ihm zur Besprechung aufgestellten und gedruckt vorliegenden Thesen „über die religiöse oder bürgerliche Eheschließung" zurück, und ertheilte unter allseitiger Zustimmung, nach Ablehnung einer Pause, dem Hrn. ?. vr. Richter aus Reichstädt das Wort, um den von ihm übernommenen Vortrag „über die Verinnerlichung der Thätigkeit des Kirchenvorstandes insonder heit durch die Theilnahme an den Aufgaben der inneren Mission" zu halten. Es war ein überaus frisches, warm empfundenes, von edler Begeisterung für die hohen Auf gaben des Dienstes an der Gemeinde, in den auch die Kirchrnvorstände mit ihrer Kraft eintreten sollen, getragenes Wort, welches darum wieder erfrischte, erwärmte und die Hörer bis zum Schlüsse des Vortrages in sichtlicher Spannung erhielt. In der Hoffnung, daß einem gewiß allgemein ge hegten Wunsche entsprochen, und der Vortrag durch den Druck den Hörern, sowie auch weiteren Kreisen zugänglich gemacht werden möchte, und mit Rücksicht auf das, hinsicht lich des Raums unsrer Berichterstattung schon weit über schrittene Maaß, seien es nur wenige, dürftige Andeutungen, die wir aus der Fülle des Vernommenen wiedergeben. Die Sorge des Kirchenvorstandes und seine Arbeit für den geordneten Bestand des äußeren Kirchenwesens dürfe nicht unterschätzt werden, aber seine Wirksamkeit gehe darin nicht auf. An den in der h. Schrift selbst zur Erkenntniß des Wesens der Kirche und der Nothwendigkeit lebendiger Entfaltung der ihr innewohnenden Kräfte gebrauchten Bildern — von dem auf dem Grundsteine sich erhebenden Bau, von den an dem Weinstock wachsenden fruchtbringenden Reben u. A. — müsse jede einzelne Gemeinde ihre Pflicht erkennen, neben und in Gemeinschaft mit dem geordneten Amte der Predigt und Sacramentsverwaltung ihren eignen inneren Ausbau zu fördern, müsse suchen, was ihr an Gliedern gehört, zu erhalten, und die verschuldet oder unverschuldet dem kirchlichen Leben entfremdet sind, wieder zu gewinnen. Sei das schon Pflicht der ganzen Gemeinde, so vorerst Derer, welche durch das Vertrauen der Gemeinde in derselben ein Amt haben, und welche nun als rechte Vertrauensmänner dem Geistlichen zur Kenntniß der Zustände und Bedürfnisse in der Gemeinde und somit zur rechten Erfüllung seiner Berufspflichten wesentlich behüflich sein könnten, die Sorge mit übernehmen sollten um Die, welche körperlich, geistig, sittlich elend und verkommen sind. Weil es aber hiefür an geordneter Thätigkeit in den Gemeinden fehle, sei es Sache der Vereinsthätigkeit geworden, was ja an sich eigent liche Kirchen- und Gemeindesache sein und wieder werden solle. Diese Thätigkeit, welche das vielgestaltige Elend an der Wurzel fassen, und von innen heraus in barmherziger Liebe durch die Kraft des Evangeliums heilen wolle, habe sich die innere Mission zur Aufgabe gestellt, die, wenn man ihre erst seit kürzerer Frist, unter großen Schwierigkeiten und vielen Anfechtungen mit verhältniß-geringen Mitteln erzielten Erfolge nur sehen wolle, jene grundlosen und ge hässigen Verdächtigungen Lügen strafe, von denen der Redner leider aus eigner Erfahrung Zeugniß geben konnte. In anschaulichen, den thatsächlichen Verhältnissen in unfern Ge meinden entnommenen Zügen ward nun die Wirksamkeit