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Dienstag. Nr. 94. 2. December 1873. Weißerih-Aeitung. Amts-Matt für die Kerichts-Aemter und Stadträthe zu Dippokdiswasde und Arauenstein. Verantivottlicher Nedatteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags nnd Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich IS Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bcdeutendett Auflage des Blatte» eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit 1 Ngr. silt die Spalten-Zeile berechnet. Die Diöcesan-Verfammlung in Dippoldis walde am 27. November 1878. Zu der heute abgehaltenen Diöcesanversammlung der hiesigen Ephorie waren 65 Kirchenvorsteher erschienen. Die Verhandlungen wurden nach gemeinschaftlichem Gesänge des 1. Verses von „Allein Gott in der Höh' sei Ehr!" mit Gebet durch den Vorsitzenden Herrn Sup. Opitz eröffnet, welcher zunächst bezüglich der Geschäftsordnung einige Be merkungen machte, hierauf etliche, auf früheren hiesigen Diöcesanversammlungen behandelte Gegenstände in ihrer Wichtigkeit nochmals charakterisirte und sodann dem Herrn Kirchenvorsteher Großmann aus Glashütte das Wort zur Einleitung und Begründung des ersten der drei vom dafigen Kirchenvorstande gestellten Anträge ertheilte, die gänzliche Abschaffung des Patronatrechtes über Kirche (und Schule) betreffend. Der Genannte führte aus, daß die Patronatsfrags — eine brennende Frage in den kirchlichen Verhältnissen der Gegenwart — bisher immer aber fälschlich von dem Rechts standpunkte aus behandelt worden sei, von dem aus sie doch nicht zu lösen wäre. Das Patronatrecht bestehe aller dings seit alter Zeit, sei auch in vielen Fällen durch von einzelnen Personen und Corporationen der Kirche erwiesene Wohlthaten rechtlich erworben worden, und habe auch früher, wo die Gemeinden mehr eine willenlose Masse gewesen seien, und einer Bevormundung bedurft hätten, seine innere Be rechtigung und seinen Segen gehabt. Nun seien aber die mit dem Patronatrecht ausgestatteten Besitzstände in den seltensten Fällen in den Händen der Nachkommen jener ur sprünglichen Wohlthäter der Kirche verblieben, oder das Interesse an der Kirche sei bei den nachfolgenden Besitzern geschwunden. Wenn es nun trotzdem mißlich bleibe, bestehende Rechte anzugreifen, so müsse man geltend machen, daß es auch unveräußerliche Rechte gäbe, auf deren Gewährung man zu dringen berechtigt sei, auch wenn man dabei mit hergebrachten Rechten in Widerspruch träte. Ein solches un veräußerliches Recht sei die durch die Privatcollaturen zur Zeit den Gemeinden noch entzogene oder wenigstens be schränkte Berechtigung, ihre geistlichen Stellen selbst zu besetzen, wozu man den Gemeinden heutzutage die Befähigung nicht mehr absprechen dürfe. Mit den größeren Rechten, tue man den Gemeinden einräume, werde auch ihr Pflichtbewußtsein sich steigern. Mißgriffe könnten da zwar auch noch vor kommen, aber doch nicht so ärgerlicher Art, wie im Falle aufgedrungener Pfarrwahl und sie würden von der Gemeinde, weil selbst verschuldet, in ihren Folgen williger getragen werden. Daher sei jedes Privatcöllaturrecht bei Besetzung geistlicher Stellen zu beseitigen, der höchsten geistlichen Be hörde ihre Rechte zu wahren, die Entscheidung aber der Gemeinde zu überlassen. Obwohl nun nach Eröffnung der Debatte von mehreren Seiten zunächst ein Befremden darüber geäußert wurde, daß ein Gegenstand, der bereits auf zwei früheren hiesigen Diöcesanversammlungen eine Besprechung und resp. Erle digung gefunden habe, nochmals auf die Tagesordnung gestellt worden sei, wurde doch andererseits und mit beson derem Danke anerkannt, daß, während sonst in der Regel nur geistliche Redner aufgetreten wären, heuts von weltlicher Seite die Besprechung eingeleitet worden sei, womit der Zweck solcher Versammlungen, — die Förderung kirchlicher In teressen durch gegenseitigen Meinungsaustausch, — erst seine rechte Erfüllung finde. Die vom Antragsteller gegebene Begründung enthalte übrigens ein neues uud höchst be- achtenswerthes Moment insofern, als bei der beantragten Abschaffung des Privatpatronates doch zugleich der kirchlichen Oberbehörde ein berechtigter Einfluß bei Besetzung geistlicher Stellen zugestanden werde. Obwohl nun im weiteren Ver lauf der Debatte nicht unerwähnt blieb, daß die Patrone in vielen Fällen und noch immer unleugbar mit regem Eifer ihrer Pflicht genügten, und kirchliches Leben in ihren Ge meinden zu fördern sich ernstlich angelegen sein ließen, wurde doch nicht minder entschieden auch darauf hingewiesen, daß sowohl in Folge der veränderten Besitzverhältnisse, als der Haltung vieler Patrone, das Patronat selbst als eine auS- gelebte Institution bezeichnet werden müsse, wenn auch da neben die Ueberzeugung Ausdruck fand, daß ein voraus setzungsloses und unbeschränktes Gemeindewahlrecht ohne tiefste Schädigung der wahren Interessen der Kirche unmög lich sei. Namentlich wurde weiter auf das (noch nicht in Kraft getretene) Gesetz vom 15. April 1873 hingewiesen, welches hinsichtlich der Besetzung geistlicher Aemter den Z 25 der Kirchenvorstandsordnung dahin abgeändert, daß künftig hin der Patron dem Kirchenvorstande drei Bewerber vorzu schlagen hat, und gebunden ist, denjenigen von den Vorge schlagenen zu berufen, auf welchen die Wahl des Kirchen vorstands gefallen ist. Man erkennt an, daß hierdurch der den Gemeinden zu gewährende entscheidende Einfluß bei Besetzung geistlicher Stellen bereits gesetzliche Würdigung erfahren habe; sprach sich aber dahin aus, daß, wenn es auch sofort sich nicht bewirken lasse, doch allmählig (bei eintretendem Besitzwechsel oder im Falle des Ablebens zeitheriger Patrone) auf eine gänzliche Beseitigung des Privatcollaturrechtes hingezielt werden möchte, unter Festhaltung der oem oben angezogenen Gesetze zu Grunde liegenden Principien. Diese von der Mehrzahl der Versammlung vertretene Anschauung fand in dem gegen 6 Stimmen angenommenen Anträge des k. Meier (Schmiedeberg) Ausdruck: Die Diöcesan-