Volltext Seite (XML)
Dienstag. Nr. 82. 21. October 1873. Weißerih-Ieitmrg. Amts-Matt für die Kerichts-Zcmter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit l Ngr. für die Spalten - Zeile berechnet. Der Briefwechsel zwischen dem deutschen Kaiser und dem römischen Papste. Seit der ruhigen, aber entschiedenen Abfertigung Benedetti's durch König Wilhelm in Ems, hat kein diplo matisches Ereigniß größeres Aufsehen gemacht, als die Antwort auf den Brief, welchen unter dem 7. August d. Js. der Papst an denselben König Wilhelm, der aber unterdeß Kaiser von Deutschland geworden ist, gerichtet hatte. Wir haben ihn vollständig abdrucken lassen und, was die Hauptsache ist, die Antwort des Kaisers dazu. Zur Erklärung wollen wir für diejenigen unserer Leser, die keine Zeit haben, die politischen Erreignisse gehörig zu verfolgen, nur einige Worte vorausschicken. Bekanntlich bildete sich nach Beendigung des Krieges im Reichstage sehr bald eine katholische Part hei, die der Regierung offenen Widerstand leistete; auch die Bischöfe erwiesen sich als widersetzlich gegen die Anordnungen derselben. Die Ausweisung der Jesuiten aus Deutschland, sowie im letzten Reichstage die Bekanntmachung der sogenannten Kirchen gesetze, haben den Conflikt geschärft. Letztere Gesetze greifen indeß nicht im Geringsten in das Gebiet der Lehre, des Glaubens oder des Cultus, beschränken auch nicht etwa die Einkünfte des Klerus, sondern sie stellen nur gesetzlich fest, was des Staates, was der Kirche ist. Das aber paßt den Ultramontanen, der päpstlichen Parthei mit ihrem unfehlbaren Haupte nicht; in Hellen Flammen lodert darum die Empörung der katholischen Kirche gegen den Staat empor. Da kommt die Nachricht von einem Briefe, den der Papst eigenhändig an den Kaiser geschrieben. Was wird er enthalten? so fragt natürlich alle Welt begierig. Wird er die Hand zum Frieden reichen? — Thörichte Hoffnung! Im Gegentheil! Nun, Jedermann kann'S ja lesen, wie der „unfehlbare" Papst zunächst der Meinung ist: was in Deutschland in letzter Zeit vorgegangen, sei ohne des Kaisers Willen geschehen; — wie er zuletzt gar in seiner Anmaßung so weit geht, eine gewisse Oberherrschaft über den Kaiser in Anspruch zu nehmen, indem er sagt: „Alles, was die Taufe empfangen hat, gehört dem Papste!" Ist es glaublich, daß eine solche Sprache noch im 19. Jahrhundert geführt wird? Eine wahre Erquickung darauf ist die ruhige, ent schiedene Abfertigung des Kaisers! So spricht ein Weiser und ein Starker. Mag sich doch der Papst bei seinen Jesuiten bedanken, die ihm vorgelogen habe», Kaiser Wilhelm sei mit den Schritten gegen die Kirche nicht einverstanden! AuS der Antwort, die am Tage nach dem Nationalfeste ge schrieben, mag der „Unfehlbare" in Rom seinen Jrrthum corrigiren, mag aber auch zugleich lernen, daß die Zeiten, wo sich der deutsche Kaiser vor dem Papste beugte oder gar im härenen Gewände Buße that, vorüber sind! — Die gewaltigen Zeiten der Reformation sind natürlich spurlos am Papstthume vorüber gegangen; daß aber ein?io nollo die Stirne haben kann, diese seine mittelalterlichen Ideen jetzt wieder aufzuwärmen, zeigt wirklich eine Verkennung der Verhältnisse, die man dem Unfehlbaren doch nicht zutrauen sollte. Dank dem Kaiser, daß er im Namen des ganzen Protestantismus dem Pontifex die Antwort gegeben hat: daß wir seine Vermittelung in unserm Verhältnisse zu Gott weder brauchen noch wünschen! Es bereitet sich offenbar in der katholischen Kirche eine Zersetzung vor, die durch solche Kundgebungen nur beschleunigt werden muß. — Die betreffenden Briefe lauten: Im Batican, den 7. August 1873. Majestät! Sämmtliche Maßregeln, welche seit einiger Zeit von Eurer Majestät Regierung ergriffen worden sind, zielen mehr und mehr auf die Vernichtung des Katholicismus ab. Wenn ich mit mir selber darüber zu Raihe gehe, welche Ursachen diese sehr harten Maßregeln veranlaßt haben mögen, so bekenne ich, daß ich keine Gründe auszufinden im Stande bin. Andererseits wird mir mit- getheilt, daß Eure Majestät das Verfahren Ihrer Regierung nicht billigen und die Härte der Maßregeln wider die katholische Religion nicht gutheißen. Wenn es aber wahr ist, daß Eure Majestät es nicht billigen — und die Schreiben, welche Allerhöchstdieselben früher an mich gerichtet haben, dürsten zur Genüge darthun, daß Sie Dasjenige, was gegenwärtig vorgeht, nicht billigen können —, wenn, sage ich, Eure Majestät es nicht billige», daß Ihre Regierung aus den eingeschlagenen Bahnen fortsährt, die rigorosen Maßregeln gegen die Religion Jesu Christi immer weiter auszudehnen, und letztere hierdurch so schwer schädigt, werden dann Eure Majestät nicht die Ueberzeugung gewinnen, daß diese Maßregeln keine andere Wirkung haben, als diejenige, den eigenen Thron Eurer Majestät zu untergraben? Ich rede mit Freimuth, denn mein Panier ist Wahrheit, und ich rede, um eine meiner Pflichten zu erfüllen, welche darin besteht, Allen die Wahrheit zu sagen, auch Denen, die nicht Katholiken sind. Denn Jeder, welcher die Taufe empfangen hat, gehört in irgend einer Beziehung oder aus irgend eine Weise, welche hier näher darzulegen nicht der Ort ist, gehört, sage ich, dem Papste an. Ich gebe mich der Ueberzeugung hin, daß Eure Majestät meine Betrachtungen mit der gewohnten Güte aufnehmen und die in dem vorliegenden Falle erforderlichen Maßregeln treffen werden. Indem ich Allerhöchstdenselben den Ausdruck meiner Ergebenheit und Verehrung darbringe, bitte ich Gott, daß Er Eure Majestät und mich mit den Banden der gleiche» Barmherzigkeit umfassen möge. ?io, U.