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Freitag. M. 69. 5. September 1873. Weißerih-Ieitung. Amts-Wtatt für die Gerichts-Aemter und Stadträtpe zu Dippoldiswalde und Irauenstein. Vcrantwotttichcr Rcdacteur: Carl Jehne in Dippaldiswalkle. Diesem Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedcntcnden Auslage des Blattes eine sehr wirksame Vcr breitnng finde», werden mit l Ngr. für die Spalten - Zeile berechnet. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 3. September. Wir haben gestern in unserer Stadt ein wahrhaft schönes Fest begangen und damit die hoffentlich fortdauernde Feier des 2. September würdig eröffnet. Es drängt uns, von dieser Feier Einiges mitzutheilen, um solchen Gemeinden, in welchen man sich bisher zu einer festlichen Auszeichnung des Tages nicht ent schließen konnte, zu zeigen, daß sich auch mit geringeren Mitteln etwas recht Ansprechendes ausführen läßt. Bereits am Abend des l. September leuchteten einige Fr enden feuer von den Höhen, bei uns im Funke'schen Steinbruche und auf der Berreuth'schen Anhöhe, und zahl reiche, bis in die spätesten Nachtstunden unermüdlich wieder holte Freudenschüsse, oft aus sehr bedeutendem Caliber, be reiteten auf den eigentlichen Festtag vor, der nach Abendrölhe und Barometerstand gutes Wetter zu bringen versprach, und auch hielt, was er versprochen, denn golden strahlte am Morgen die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Früh 5 Uhr Läuten der Glocken. Der Weckruf um 6 Uhr durch das von Bürgerschützen begleitete Stadtmusikchor brachte bald Leben auf die Straßen, in denen Flaggen, zum Theil auch Laub schmuck, den Tag feierten. Gegen Uhr bewegte sich von der Stadtschule ein kleiner, ernster Zug nach dem Gottesacker, bestehend aus 4 Knaben und 4 Mädchen (begleitet von einigen Erwachsenen), und Gewinde tragend, um damit die Gedenktafel der im französischen Kriege gefallenen Parochianen zu schmücken. Der Zug war wegen seiner Schlichtheit um so rührender, und wohl begreifen wir die Thränen, die aus ernstem Männer auge quollen, als die jugendlichen Kranzträger an einem Hause vorüberkamen, das einen braven Sohn unter den Ge fallenen beweinte. Auf dem Gottesacker hatte sich eine ziem lich zahlreiche Zuhörerschaft eingefunden, auch die Militärische Ehren-Deputation fehlte nicht, indem Vie hier zu Uebungen anwesenden Portepäefähnriche unter Führung des Hrn. Haupt mann Schuster an der Feier theilnahmen. Nach dem Ge sänge eines Liederverses („Sei Lob und Ehr' dem höchsten Gut") sprach Hr. Diac. GerSdorf ergreifende, tiefempfundene Worte, anknüpfend an den Bibelspruch: Niemand hak größere Liebe, denn der sein Leben läßt für die Freunde." Hierauf sang ein gemischter Chor das schöne Grablied aus dem Liedcrcyklus „Unter dem Eichenkranz," worauf von den Kindern die Kränze und Gewinde an der Denktafel aufge hängt wurden. Inzwischen war es gegen 8 Uhr geworden, zu welcher Stunde der Gottesdienst begann, bei welchdM wiederum Hr. Diac. Gersdorf eine herrliche Predigt über Ps. 143, 5 hiett. '/»IO Uhr begann im festlich geschmückten Schulsaale der öffentliche ActuS, welcher diesmal erfreulicher Wölfe Auf, znm guten Anfang soll Frisch cm Eher erklmgen! Ist die Brust doch licdervoll, Freude regt die Schwinge»; Und au deinem Jubelfest, Vaterland, mnß Ost nnd West, Alt und Jung dir singen. Deutsches Land, das mich gebar, Dir die besten Lieder! Gottes Sonne, warm und klar, Strahl' ans dich hernieder! Ja, des Höchsten reiche Hand Segne dich, lieb' Vaterland, Jetzt und immer wieder! Denn was Liebes »ür geschah In dem Jugendleben, Was ich Gutes, Schönes sah, Hast du mir gegeben; Und für jede reine Lust Soll dich stets aus voller Brust Froh mein Lied erheben. Die Beendigung des munter gesungenen Liedes war das Signal zum Beginn der heiteren Spiele auf dem herrlich gelegenen Festplatze (Aue), der schon bei manchem Feste von den Theilnehmern allgemeine Anerkennung gefunden hat. Da gab's Vogelschießen mit Schneppern nnd zum Theil sehr sehr zahlreich besucht war. Hr. Schuldirektor Engelmann entrollte in seiner Festrede ein Bild der großen, herrlichen Zeit des großen Kampf- und Siegesjahres 1870—71, und entwickelte dann die für Alle, besonders auch für die deutsche Jugend sich ergebenden Verpflichtungen. Der 4 stimmige Gesang des kräftigen: „Deutsches Land, du schönes Land!" bildete den Schluß der auf die Gemüther der als Zuhörer versammelten 1. und 2. Elasten der Knaben und Mädchen gewiß nicht ohne Eindruck gebliebene Feier. Nun hieß es eilen, um sich zum Schulfeste würdig zu schmücken. Auf dem Festplatze waren schon Tags vorher Vogelstangen errichtet, Plätze abgegrenzt und bezeichnet worden. Heute waren die Lehrer und ihre Helfer mit Aufstellung der Spielvorrichtungen, Ordnung der Gewinnste u. s. w. vollauf beschäftigt. Um i/s 1 Uhr begann bereits die Aufstellung des aus allen Klassen bestehenden, ungefähr 560 Kinder starken Zuges, dem die Tamboure der Schützencompagnie voranschritten und dessen Mitte das Stadtmusikchor bildete. Den Beschluß des von Fahnen, Kränzen und Blumenkörbchen bunten Zuges bildeten Mitglieder der städtischen Collegien, der Schul- inspection und Freunde der Schule. Auf dem Festplatze angekommen, bildeten die Kinder einen Kreis und sangen folgendes Lied, dessen Mittheilung vielleicht manchem unserer Leser, der in ähnlichen Lagen um Passendes verlegen sein dürfte, nicht unwillkommen sein wird. Dem Vaterlande. Was ich thu', sei oir zur Ehr'! Bei den Völkern allen Soll von Tag zu Tage mehr Deutschlands Ruhm erschallen! Stolz bin ich, daß ich verwandt Solchen, die für's Vaterland Sind im Kamps gefallen. Wo ich auch in fernster Zeit Einstmals wandeln werde, Ob dann Freude oder Leid Mir wird sein Gefährte: Allerwärts, wo ich auch bin, Wird's zu dir mich ziehen hin, Lhenre, deutsche Erde! — Nun, frisch aus zum heitern Fest! Mög' es schön verfließen! Laßt es uns, bis auf den Rest, Dankbar froh genießen! Weiht's dann der Erinnerung, Und mög' draus für Alj und Jung Reicher Segen sprießen I