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— 423 — größer«, schickte ich dem Maire durch Meinen Vetter wöchentlich ein Geschenk für Euch, Schwägerin — eS Euch selbst zu bringen, wagte ich nicht, obgleich ich manches Mal in dunkler Nacht um Euer Häuschen geschlichen bin und mit Euch um Euren Sohn gebangt und getrauert habe. Und als ich mir neulich einmal ein Herz faßte und zu euch kam und Ihr mich so freundlich aufnahmt und mir Detlev'S Sonntagskleider zeigtet — da hält' ich mir in meiner Verzweiflung bald das Leben genommen. — Die Angst und den Gram der ver gangenen Tage kann ich Euch zwar nimmer vergüten," fuhr er nach einer Pause tief aufathmend fort, „aber die Zukunft wird, so Gott will, fröhlicher werden!" Mit diesen Worten zog er ein Papier hervor, reichte es Detlev und sagte: „Hier hast Du die Abschrift meines Testamentes, Detlev. Alles, was ich besitze, gehört von Stund' an Dir. Mit dem Gelbe kannst Du, wenn der Krieg vorüber ist, den verkommenen Halbhof binnen wenigen Monaten wieder in den gehörigen Stand setzen und Dir noch manches schöne Stück Land dazu kaufen. Ich denke, wir Drei werden uns in dem großen Hause schon mit einander vertragen." Detlev und seine Mutter hatten dem reuigen Oheim und Schwager kaum ihr Erstaunen und ihre Freude über seine unerwartete Mittheilung zu erkennen gegeben, als sich die Thür öffnete und Anna's Vater hereintrat. Er schritt mit froher Miene auf Detlev zu, reichte ihm die eine und seiner Mutter die andre Hand und sagte: „Da sich das ganze Dorf über Detlev'S Heimkehr freut, so will ich nicht der Letzte sein, welcher Euch seine Theilnahme bezeugt. Ich habe Dir einst meine Anna ver sagt, Detlev, weil Du kein Geld und Gut besaßest, aber ich bin für meinen Hochmuth hart gestraft worden. An dem selben Tage, wo ich ohne Wissen meiner Tochter den Heiraths- kontrakt zwischen ihr und Heinrich Riebenow unterzeichnete, ward Dieser von einem wilden Pferde gegen einen Stein geschleudert und todt in das Haus seiner Eltern getragen. Dieß Unglück erschütterte mich so, daß ich mir fest vornahm: „„Kehrt Detlev jemals zurück, so soll das Erste sein, was ich thue, daß ich ihm meine Anna zuführe."" Es freut mich, daß sie mir zuvorgekommen ist," fuhr er mit einem lächelnden Blick auf seine Tochter fort; „ihre Liebe ist schneller gewesen, als meine Reue. Anna ist mein einziges Kind; mit ihr bekommst Du auch meinen Hof, Detlev — ich verlange nichts weiter als ein kleines Plätzchen für mich, wo ich mein Alter in Ruhe verleben kann." Daß Heinrich Riebenow den westphälischen Unter offizier bestochen hatte, zu ihm zu gehen und in Anna's Gegenwart jene erdichtete Geschichte von Detlev'S Fall in der Schlacht zu erzählen, verschwieg er, eingedenk des Sprich wortes, daß man den Todten nur Gutes nachreden solle. — Der arme AnbauerSsohn, welcher vor einer Stunde nichts als einen Wanderstab sein genannt hatte, besaß jetzt zwei stattliche Halbhöfe und mehr Geld als vier andre Bauern des Dorfes zusammengenommen. Der freundschaftliche Streit zwischen Detlev'S Oheim und Anna's Vater, auf welchem Hof das junge Paar dem nächst zuerst wohnen solle, war eben dahin entschieden worden, daß das LooS darüber bestimmen müsse, als die Bewohner des Dorfes schaarenweise hereinströmten, um Detlev zu sehen und zu begrüßen und seiner Mutter zu seiner Heim kehr Glück zu wünschen. Ihre Freude war eine so aufrichtige und herzliche, daß dem Vater Anna's, dessen Gemüth sonst ziemlich hart war, die Augen feucht wurden. Er fühlte in tiefster Seele, daß man Theilnahme und Liebe nicht mit Geld zu erkaufen vermöge. Von hundert Fragen bestürmt, mußte Detlev sich endlich dazu bequemen, den Neugierigen zu erzählen, auf welche Weise er dem grausigen Geschick entgangen sei, welches so viele Tausende seiner deutschen Kameraden betroffen hatte. Auf dem Rückzüge der französischen Armee am 17. No vember bei Krasnoi verwundet, war er in einem kleinen russischen Dorf zurückgeblieben, wo sich die Tochter eine« armen Bauern seiner erbarmt, ihn in die Hütte ihres Vaters ausgenommen und gepflegt hatte. Zum Dank für die ihm erwiesenen Wohlthaten arbeitete er für den barmherzigen Landmann während des Winters und Frühlings als Knecht und begab sich dann in der Tracht eines russischen Bauern nach einer der nächsten größeren Städte, wo eine russische Heeresabtheilung lag, die ein deutscher Offizier befehligte. Diesem erzählte er seine Schicksale und erhielt von ihm einen Geleitsbrief nach Königsberg und ein Empfehlungsschreiben an einen daselbst wohnenden reichen Kaufmann. Nach manchen Mühseligkeiten erreichte er endlich die deutsche Grenze und empfing von dem menschenfreundlichen Kaufmann eine Summe, welche ihn in den Stand setzte, auf dem kürzesten Wege nach der Heimath zurückzukehren. — Die Glocke hatte so eben Mitternacht verkündet. Im kleinen Stübchen der Wittwe war längst Alles still geworden; die Nachbarn und Freunde, ihr Schwager Christoph und Anna mit ihrem Vater war Einer nach dem Andern davon gegangen, und auch Detlev schlief bereits sanft im Kämmerlein nebenan. Die Greisin aber konnte vor übergroßer Freude noch keine Ruhe finden. Sie hatte schon manches Dankgebet für ihres Sohnes Heimkehr aus vollem Herzen zum Himmel emporgesandt — aber noch immer saß sie mit gefalteten Händen am Tische und schaute in stiller Seligkeit auf die vor ihr liegende alterthümliche Bibel, aus welcher sie sich so oft Trost und Muth gelesen hatte. Dann und wann er hob sie ihr ehrwürdiges Haupt, blickte zur Wand empor, wo der Sonntagshut ihres Sohnes hing, und sprach wie trium- phirend leise vor sich hin: „Nun ist er wirklich da! Morgen werd' ich mit ihm zur Kirche gehen, und alle Leute werden sich mit mir freuen!" Und draußen im kleinen Gärtchen wiegten sich die hohen Stockrosenstauden im leisen Nachlhauch vor dem Fenster auf und nieder und schauten flüsternd mit ihren leuchtenden Blüthen- augen in das lampenerhellte, trauliche Stübchen der glücklichen Wittwe hinein, gleich als ob sie sich mit ihr über den heim gekehrten Sohn freuten. Durch die tiefe, wunderbare Sommer nachtstille aber klangen schon hin und wieder im schlafenden Dorf, im dunklen Weidenwald und hoch in den klaren Lüften einzelne leise Morgenstimmen, welche den freudigen Sonn tag verkündeten. Kirchliche Nachrichten. Dippoldiswalde. Am 3. Sonntage nach Trinitatis (29. Juni) predigt Herr Diac. Gersdorf. Vorher Communion Herr Superintendent Oprtz. Nachmittags Bibelstunde. Allgemeiner Anzeiger. Sonnabend, den 28. Juni, von früh 8 Uhr an, sollen die dieses Jahr anstehenden Grasnupungen an den Meist bietenden versteigert werden. Versammlung auf der Aue in Dippoldiswalde. Die Forst-Deputation.