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— 422 der Schluß derselben gewiß allseitig mit Befriedigung begrüßt worden sein. Elsaß-Lothringen. Bei den Wahlen zum Bezirks tage in Straßburg sind dieCandidaten der anti-deutschen Partei gewählt worden; die deutsche Partei erhielt überall die Mino rität. In Metz wurden Männer der gemäßigten Partei gewählt; dagegen kam in Mühlhausen eine Wahl gar nicht zu Stande, da zu wenig Wähler sich einfanden, und ist deshalb Nachwahl anberaumt. — Seit einigen Tagen trifft das Festungsmaterial aus Belfort in Straßburg ein, wo es ausgeladen wird. Da mit ist dort der erste Anfang zur Räumung gemacht. — Die Arbeiten auf den Forts in Metz schreiten stetig vorwärts; eine zweite Caserne auf Fort de Queulen ist vollständig fertig und wird bis zum 3. August von den bis dahin ein rückenden bayerischen Reserven belegt werden. An der dritten daselbst zu erbauenden Caserne wird so eifrig gearbeitet, daß bis Herbst die Maurerarbeiten vollendet sein dürften. Spanien. Hier ist das Ministerium wieder einmal in voller Auflösung: die Cortes beschlossen, daß für den Fall einer weiteren Krisis der Präsident Piy Margall ermächtigt werde, ein neues Ministerium zu bilden, und darauf hin nahmen sämmtliche Minister ihre Entlassung. Ein neues Ministerium ist noch nicht gewählt. — Der von Castelar ausgearbeitete Entwurf einer Verfassung für Spanien schlägt eine Theilung in Staaten nach dem Vorbilde der vereinigten Staaten von Amerika vor; die Zahl der Staaten würde 15 sein, die Hauptstadt der Republik Madrid bleiben. Der Präsident soll durch allgemeines Stimmrecht auf 5 Jahre gewählt werden. Frankreich. Die französische Regierung treibt immer offener und rückhaltsloser in das ultramontane Fahrwasser hinein. Nach den vielversprechenden Anfängen, die.sie der Welt zum Besten giebt, wird es, wenn sonst nichts dazwischen kommt, nicht lange mehr dauern, bis der ShllabuS, der jeden Fortschritt der Kultur und alle Ideen moderner Civili- sation verflucht, zur unbestrittenen Herrschaft in Frankreich gelangt ist. Wenn Frankreich noch nicht gründlich genug ruinirt ist, so werden es dann die Pfaffen ihm schon besorgen. Sie wiegeln jetzt das Volk auf zu Wallfahrten nach einer kleinen Stadt Paray le Monial, wo es zu dem „heiligen Herzen Jesu" beten soll, damit es „Rom und Frankreich" errette! Es ist schier unglaublich, wie dieses Volk, dem man so lange vorgelogen, daß es an der Spitze der Civilisatio» maschire, sich von den Ultramontanen so gutmüthig an der Nase herumführen läßt. Vermischtes. Wiener Weltausstellung: Als ein Beleg dafür, wie knapp der Raum für die deutsche Abtheilung zugemessen ist, wird uns z. B. mitgelheilt, daß die Maschinenfabrik Moritz Weil junior, Frankfurt a. M., zur Ausstellung ihrer Maschinen anstatt angemeldeter und zugesagter 60 Meter Raum deren 10 bis 15 zugetheilt erhielt, in Folge dessen nur einen Theil ausstellen konnte und dies auf solch gedrängtem Raume, daß eine bequeme Besichtigung der Gegenstände kaum möglich ist. Es ist dies für den Aussteller um so bedauerlicher, als den von ihm ausgestellten Objecten von Seiten des Publikums sehr reges Interesse an den Tag gelegt wird. Der Sohn der Wittwe. Erzählung aus dem wendischen Volksleben von E. Ziehen. (11. Fortsetzung und Schluß.) Nachdem Jener eine Weile mit starrem Blick vor sich hingeschaut hatte, fuhr er plötzlich empor und rief: „Einmal müßt Ihr doch wissen, was ich gethan habe — besser ist's, ich sag's euch jetzt — vielleicht vergebt Ihr mir's heute eher, als zu jeder andern Zeit! Ihr habt ge glaubt, daß ich ein armer Mann sei," hob er nach einer Pause wieder an, „und alle Leute im Dorf haben dasselbe gemeint. Aber nein — ich bin reich, eben so reich als der Schulze Riebenow. Als die Franzosen in's Land rückten und überall Kriegssteuern erhoben und Proviantlieferungen orderten, so daß die meisten Bauern den größten Theil von hrem Vermögen verloren, verkaufte ich, ehe noch der Feind n diese Gegend gekommen war, heimlich ein Stück Vieh und ein Hausgeräth nach dem andern, verpachtete meine Ländereien und ging in Tagelohn, damit die Leute glauben sollten, ich habe Alles Schulden halber und aus Noth ver kauft und verpachtet. Ich hatte mir aber schon mehrere Jahre vorher ansehnliche Summen durch den Pferdehandel verdient, welche mit dem Geld, das ich aus meinem Vieh und Hausgeräth löste, einen ziemlichen Haufen bildeten. Da ich mir täglich erwarb, was ich brauchte, so vergrub ich meine Schätze auf der Wiese am Weidenwald, wo sie mir kein Feind und kein Dieb rauben konnten. Ich hatte Deinem Vater auf seinem Tcdtenbetle versprochen, Dir meinen Hof zu geben, sobald Du Dein fünfundzwanzigstes Jahr erreicht hättest, und würde dieses Versprechen auch gehalten haben, wenn ich nicht besorgt gewesen wäre, daß der Krieg über kurz oder lang wieder ausbrechen und Dich bald eben so arm machen werde als viel Andre. Ihr warft mir Treulosigkeit und Verschwendung vor, ohne zu wissen, was ich im Stillen für Detlev gethan hatte und noch zu thun beabsichtigte. Das erbitterte mich; ein böses Wort gab das andere, und endlich verfeindeten wir uns so, wie Ihr wißt, daß wir uns nicht mehr guten Tag boten, wenn wir uns auf der Straße begegneten. Aus Grimm darüber begann ich ein wüstes Leben und nahm mir vor, Euch meinen ganzen Haß fühlen zu lassen. Eine Gelegenheit bot sich nur zu bald dar. Als die Nachricht kam, daß die Franzosen alle jungen Burschen zwischen den zwanzigsten und dreißigsten Jahre ausheben wollten, und daß Niemand freigegeben werde, der nicht krank sei oder eine sehr hohe Summe bezahle, frohlockte ich mit dem Schulzen um die Wette. Dieser konnte seinen Sohn loskaufen, und ich freute mich, daß Ihr nicht den zehnten Theil der Summe besaßt, welche für einen Stellvertreter gefordert wurde. Aber als ich all' die Jammerscenen am Tag der Aushebung anschaute und Eure Verzweiflung sah, wandte sich mir das Herz. In der Nacht lief ich nach der Wiese, wo ich mein Geld vergraben hatte, band einen großen Topf voll harter Thaler in mein Tuch und machte mich beim ersten Morgengrauen auf den Weg nach Belitz, um meinen Vetter Heinrich Jevenack herüberzuholen. Er sollte sich bei der Aushebungscommission für einen Freund von Dir ausgeben, Detlev, und Dich loskaufen; ich selbst wagte dieß nicht zu thun, weil sonst mein Reichthum an den Tag gekommen wäre. Ich traf ihn nicht zu Hause und mußte bis nach Mittag in Belitz warten, ehe er heim kam. Er ging dann auf der Stelle mit mir; aber als wir mit Einbruch der Dämmerung hier anlangten, und mein Vetter mit dem Gelde zu den Aushebungskommissären ging, gaben ihm Diese den Bescheid, daß er zu spät komme — die Rekruten seien längst abmarschirt und Detlev Warnow werde unter keiner Be dingung wieder freigegeben. Ich stand draußen vor der Thür und hörte Alles mit an. Mir war's, als ob der Boden unter meinen Füßen wankte; mein Vetter mußte mich fast nach Hause tragen, und drei Tage lang saß ich in stummer Ver zweiflung daheim in meinem öden Zimmer und starrte wie ein Irrsinniger in den wüsten Hofraum hinein." „„Wenn Detlev nicht wiederkommt, so bist du sein Mörder!"" schrie es unaufhörlich in mir, und jede Nacht sah ich Dich im Traum vor mir stehen und drohend die Hand gegen mich aufheben. Um meine Sünde nicht zu ver-