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— 309 — lag ihm, als einem Manne von der Nadel, die Verpflichtung ob, an schönen Sonntagnachmittagen als Freiwerber im Lande umherzuwandeln und heirathsfähige Burschen und Mädchen in den heiligen Ehestand zu befördern, wofür er dann bei der Hochzeit den herkömmlichen Lohn empfing, nämlich das ein trägliche Amt deS Mundschenken, welches ihn berechtigte, nach gethaner Arbeit mit einem Teller von Gast zu Gast zu gehen und die freiwilligen Gaben derselben in Empfang zu nehmen. Mit derselben Geschicklichkeit, womit er ein Kamisol zuschnitt uud den rohen Stossen durch Nadel und Zwirn menschliche Formen verlieh, wußte er auch Eltern-Gemiither zn bearbeiten und zu vereinigen; denn wenn sich zwei wendische Elternpaare über die Verlobungsbedingungen, das heißt über die Mitgift der Braut, verständigt haben, so wird in der Regel wenig darnach gefragt, ob ihre Kinder einander lieben — die Ver mögensverhältnisse geben stets den Ausschlag bei den Heiraths- kontrakten. Nachdem Misenitz den begüterten Halbhüfner demüthig gegrüßt und einige fabelhafte Redensarten über den «Legen Gottes, der rings in Haus und Hof zu spüren sei, mit näselnder Stimme heruntergeleiert hatte — das unerläßliche Vorspiel zu seiner Freiwerberbotschaft — fragte er schlau lächelnd: „Eure Anna ist ausgegangen, Gevatter?" „Ja, sie ist drüben bei ihrer Freundin Elisabeth und wird uns nicht stören," — erwiderte Debelin, welcher die langen Umschweife nicht liebte; „laßt uns gleich zur Sache kommen." Der Schneider suchte seinen Gliedmaßen eine würdige Haltung und seinen Gesichtszügen einen möglichst ernsthaften Ausdruck zu geben, schritt einige Mal vor dem Halbhüfner auf und ab, wobei sein glatter Schädel hin und wieder in unangenehme Collision mit der niedrigen Decke des Zimmers gerieth, strich sich mit den spinnenbeinartigen Fingern über die flache Stirn, zog ein zusammengelegtes Papier aus der Tasche und setzte sich mit großer Umständlichkeit an den roth- angestrichenen tannenen Tisch, neben welchem Debelin saß. „Ihr wißt, Gevatter, daß unser Schulze es mit jedem Bauern im ganzen Gaue aufnehmen kann," begann der Ehebundstifter mit salbungsvollem Schulmeisterton, „und daß er seinem Sohn Heinrich demnächst seinen Bollhof übergeben will, weil er sich nicht länger mit den wider spenstigen Knechten und Mägden plagen mag. Sintemalen nun Heinrich eine so große Wirtschaft nicht ohne Ehefrau regieren kann, so ist es seines Balers Meinung, daß er sobald als möglich eine tugendsame Gattin in sein Haus führe. Obwohl nun der Schulze schon vor Jahren vortheilhafte Heirathskontrakte für seinen Sohn hätte abschließen können, so hat er es doch nicht gethan, weil er diesem gern in allen Stücken seinen Willen lassen und ihm das Mädchen angetraut sehen möchte, was ihm gefiele. Nachdem er nun in Er fahrung gebracht, daß Heinrich ein Auge auf Eure Tochter geworfen, läßt er Euch durch mich einen schönen Gruß sagen und fragen, ob Ihr Eure Anna noch keinem Andern ver sprochen habt." „Nein, das hab' ich nicht gethan," versetzte Debelin mit großer Ruhe. „Nun, dann soll ich Euch fragen, obHeinrichRiebenow Euch als Schwiegersohn gefallen könne?" frug der Schneider. Der Halbhüfner lüftete die Mütze und erwiederte mit verbindlichem Ton: „Es ist eine große Ehre für mich, daß der reichste Mann des Dorfes mir solch einen Vorschlag macht." „Da Ihr im Allgemeinen nichts wider die Heirath einzuwenden habt, Gevatter," entgegnete der Mann von der Nadel, „so wollen wir die Sache näher besprechen." Mit diesen Worten reichte er dem Halbhüfner das Papier, worauf genau verzeichnet war, was der Hof des Schulzen mit allen Ländereien, Acker- und Hausgeräth Werth sei, und über welche Kapitalien der junge Wirth demnächst zu verfügen haben werde. (Fortsetzung folgt.) Kirchliche Nachrichten. Dippoldiswalde, vom Monat April 1873. Geboren wurde: Hrn. C. Knnzmann, Rathsregistrator hier, 1 Tochter; — dem Handarbeiter I. F. Fuchs hier, I Sohn; — Hrn. O. Gehlert, Fleischer hier, l Sohn; — Hrn. E. Buchmann, Schuhmacher hier, 1 Sohn; — Hrn. E. Beutel, Lackirer hier, t Sohn; — Hrn. F. Philipp, Muhlenbes. in Cunnersdorf, 1 Sohn; — Hrn. E. Zirustein, Töpferinstr. hier, l Tochter; — dem Handarbeiter E. Walther hier, 1 Sohn; — Hrn. W. Bormann, Maurer hier, 1 Sohn; — Hrn. F. Lohse, Zcugarbeiter hier, 1 Sohn; — Hrn. E. Dictze, Hausmann hier, 1 Tochter; — Hrn. W. Kraubs, Maurer hier, 1 Tochter; — dem Kutscher H. Hensel hier, 1 Tochter; — dem Handarbeiter H. Glöckner hier, l Sohn; — Hrn. F. Fischer, Hausbes. in Ulberndorf, l todtgeb. Sohn. Gestorben ist: Hr. W. Völkner, Schneidcrmstr. hier, 52 Jahr alt, au Darnillihmuna; — Frau A. W. Protze, Handelsmanns hier, Ehefrau, 5t Jahr 7 Mon. alt, an Unterleibstyphus; — Frau Chr. Dittrich aus Kleincarsdorf, 75 Jahr alt, an Schlag; — Frau W. S. verw. Querner hier, 69 Jahr alt, an Lungeulähmung; — Frau Chr. verw. Geschu hier, 7l Jahr 4 Mon. alt, an Altersschwäche. Getraut wurden: Heinrich Bernhard Fischer, Handarbeiter hier, ein Wittwer, und Christiane Caroline Böhme, ans. Bürgers hier, hinterl. ehcl. 2. Tochter; — Friedrich Hermann Fuchs, Schneider hier, und Auguste ClaraBuchmann,Schuhmachermstrs. hier, ehel. l. Tochter; — Ernst Theodor Müller, Schriftmaler hier, 9uv., und Jgfr. Auguste Emilie Vogel, Bürgers u. Müllers iu Glashütte, ehel. l. Tochter. Dippoldiswalde. Am Sonntage Cantate (11. Mai) predigt Herr Diac. Gersd orf. Vorher Commumon Herr Sup. Opitz. Nachmittags Bibelstunde. Altenberg. Am Sonntage Cantate öffentliche Commumon uud Beichte (8 Uhr) durch Herrn Diäc. Kleinpaul. Vormittags predigt über Joh. 16, 5—15 Hr. Past. Friedrich. Nachmittags Hr. Diac. Kleinpaul. Allgemeiner Anzeiger. Subhastation. Von dem unterzeichneten Königl. Gerichtsamte soll den 21. Juni 1873 das zur Concursmasse des verstorbenen Handelsmanns Carl Eduard Eckhardt gehörige Haus- und Garten-Grundstück Nr. 38L. des Katasters und Nr. 150 des Grund- und Hypotheken-Buchs für Reinhardtsgrimma, welches Grundstück am 18. März 1873 ohne Berücksichtigung der Oblasten auf 1155 Thlr. — Ngr. - Pf. gewürdert worden ist, versteigert werden, was unter Bezugnahme auf den an hiesiger Gerichtsftelle und im Gasthofe zu Reinhardtsgrimma aushängenden Anschlag hierdurch bekannt gemacht wird. Dippoldiswalde, den 26 März 1873 Königliches Gerichtsamt. Klemmer.