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Bierpreise) stattgefunden. Mehrere Brauereien und Wirth- schaften wurden demolirt, Militär mußte einschreiten mit blanker Waffe und geladenen Gewehren, da e« mit Stein« würfen tractirt wurde. Es find 12 Personen todt, 38 ver wundet und 150 verhaftet worden; die Rädelsführer waren Hanauer und Offenbacher Fabrikarbeiter. Cs sind 12 Brau ereien, sowie einige Privathäuser, demolirt worden; Tische, Stühle, Spiegel, Alles ward zertrümmert; — hier ließ man die großen Fässer Bier auslaufen, nahm das vorhandene Fleisch, Schinken rc. weg, dort zerschnitt man die Gasrohre und zündete das GaS an, zerschnitt die Betten und warf die Federn auf die Gassen, schlug ein Clavier in Stücken; ein Leinengeschäft ward geplündert, in einem Comptoir Alles zer schlagen und die Bücher zerstört; sogar ein Polizeicommissariat ward demolirt. In einer Branerei wurde die wüthende Rotte mit heißem Wasser und Dampf zurückgedrängt. — Das Militär schoß erst blind, dann scharf; leider ward auch ein Kind und eine Frau mit getödtet. Der Schaden wird auf 50,000 Gulden geschätzt. Das zahlreich requirirte Militär ließ eS in der Nacht zum Mittwoch nicht zu weiteren Ex- reffen kommen. — In Mannheim sind in Folge der Bier-Excesse, Pie man den Socialdemokraten schuld giebt, sämmtliche Volks versammlungen auf 4 Wochen verboten worden. Oesterreich. Der Kronprinz des deutschen Reiches wird nebst seiner Gemahlin bereits am 29. April in Wien eintreffen, zur Eröffnung der Weltausstellung am 1. Mai. — Die Eintrittspreise zur Ausstellung werden an Sonn- und Feiertagen 50 Kreuzer, an den übrigen Wochentagen 1 Gulden betrage«. Rußland. In Petersburg, wie auch schon auf der Grenzstation Wirballen, werden die großartigsten Vorbereitungen zumEmpfange des deutschen Kaisers getroffen: Ehren wachen mit Fahnen und Musik werden überall stehen; vom Warschauer Bahnhof bi« zum Wintexpalais, 2^/, Werst, bildet Militär Spalier, und 21 Salutschüsse von der Citadelle werden beim Einzuge abgefeuert. Spanien. Die Zustände in diesem Lande zeigen einige Merkmale der Besserung; die Republik wird sich behaupten, wenn sie durch die, durchaus nicht völlig desorganisirte Armee und durch die gesetzliche Ordnung unterstützt. werden wird, und da« Land wird einer neuen und bessern Aera entgegen gehen. — Namentlich im Norden treiben die Carlisten noch ihr schlimmes Spiel; sie erhalten Zuflüsse von Gewehren und sogar Kanonen. Bei Gerona plünderten sie neulich die Post, erschossen die Passagiere und nahmen die officielle Korrespondenz mit sich. Asien. Au« Teheran, der Hauptstadt von Persien, wird als ein „Ereigniß, das noch nie da war," gemeldet, daß der Schah von Persien eine Reise nach Europa angetreten hat. Mit großem Pomp verließ er die Hauptstadt, in der während seiner Abwesenheit die Garnison auf 12,000 Mann gebracht wurde. Der Sohn der Wittwe. Erzählung aus dem wendischen Volksleben von E. Ziehen. (2. Fortsetzung.) Die Sache war bald erledigt. Als Heinrich Riebenow für dienstfähig erklärt worden war, fragte sein Vater nach der Summe, welche man für einen Stellvertreter verlange, und nachdem man ihm dieselbe genannt, zog er seinen Beutel und legte fünf Reihen blanker Goldstücke auf den Tisch. Die Commission strich dieselbe ein, stellte einen Schein aus, daß Heinrich Riebenow für alle Zeiten vom Waffendienst befreit sei, und Vater und Sohn traten zufrieden lächelnd wieder aus der Mairie und stellten sich im Hofe auf, den fernern Ver lauf der Sache mit anzuschauen. Auch Christoph Warnow, Detlev's Oheim, ein hage rer Mann mit scharf markirten Zügen und stechenden Augen, harte sich eingefunden, um zu sehen, wie es seinem Neffen ergehen werde. Mit hohnlächelndem Gesicht lehnte er un weit der Thür an einem Baum und blickte dann und wann verstohlen nach Detlev und dessen alter Mutter hinüber, welche in fieberhafter Aufregung und mit gefalteten Händen auf einem Stein zu den Füßen ihres Sohnes saß und regungs los die Herren von der Aushebungscommission anstarrte, die so ruhig und gelassen Hunderten von Menschen das Herz zerrissen. Ihr faltenreiches bleiches Antlitz, dem die silberweißen Haare und die hohe schwarze Mütze ein äußerst ehrwürdiges Ansehen verliehen und aus dem sonst fromme Ruhe und stille Zufriedenheit sprachen, zeigte jetzt einen Ausdruck stummer Verzweiflung. Detlev dagegen verrieth durch keine Miene den Schmerz, der in seiner Brust tobte, daß er die theure Heimath, Mutter und Geliebte verlassen und vielleicht nie Wiedersehen solle; er würde sich lieber das Herz auSgerissen haben, als daß er dem schadenfrohen tückischen Schulzensohn und seinem lauernden Oheim eine Veranlassung zu Spott und Hohn gegeben hätte. Der Ruf: „Detlev Warnow, einziger Sohn der Witt we Margarethe Warnow in Weddin!" schreckte Mutter und Sohn endlich aus ihrem starren Schmerz auf. Detlev schritt groß und stolz auf die Commission zu, und gebeugt und zitternd folgte ihm die Greisin. „Bei Gott! ein stattlicher Bursche!" sagte einer der Commissäre, ein aus dem Elsaß gebürtiger Major der Infanterie, halblaut zu seinem Nachbar, indem er Detlev von Kopf bis zu Füßen maß. „Der ist besser, als drei von den Uebrigen," versetzte der Andere. „Bei dem wird von Loskaufen wohl keine Rede sein, wie es scheint!" fügte er hinzu, indem er der armen gebeugten Wittwe einen halb mitleidigen Blick zuwarf. Der Arzt erklärte Detlev ohne Weiteres für dienstfähig, und als der Major wie zum Ueberfluß darauf die angstvolle Mutter fragte, ob sie so viel besitze, um ihren Sohn loszu kaufen, trat der Pfarrer herzu und stellte der Conscriptions- commission mit eindringlichen Worten vor, daß die arme alte Frau Hungers sterben werde, wenn man ihr den einzigen Sohn raube. Ihr Mann sei schon vor achtzehn Jahren ge storben, und seit fünf Jahren vermöge sie keinen Pfennig mehr zu verdienen. Der Bruder ihres Mannes könne sie nicht ernähren, da er selbst verarmt sei ; demnach sei ihr Sohn die einzige Stütze ihres Alters. Der Maire, ein wohlhabender Kaufmann deö Dorfes, sprach ebenfalls sehr warm zu Gunsten Detlev's und meinte, man könne hier wohl einmal eine Aus nahme machen, da Weddin im Vergleich zu andern Orten fast die doppelte Zahl von Rekruten stelle — allein der stattliche Wende hatte dem Major zu wohl gefallen, und mit kurzem Ton erwiderte dieser auf die langen Reden des Pfarrers und deö Maire: „Dergleichen Gründe genügen nicht, um den Aufgerufenen vom Dienste freizusprechen. Das Dorf ist so reich, daß eS ohne Beschwerde eine arme Wittwe ernähren kann. Sorgen Sie dafür, Herr Maire, daß die Bauerschaft die Pflege der Frau übernimmt." Nach diesen Worten wollte er eben Befehl geben, den nächsten der noch nicht vorgeforderten Burschen aufzurufen, al« plötzlich Detlev's Mutter, welche bis dahin keines Wortes mächtig, regungslos dagestanden, nnsichern Schrittes auf den Major zuwankte, mit zitternden Händen zwei Goldstücke au« der unter ihrer Schürze hängenden tuchenen Tasche hervorzog, dieselben dem Letzter« hinhielt und mit angsterstickter Stimme sagte: „Ach, lieber Herr! nehmt mir meinen Detlev nicht weg! Hier habt Ihr Alles, was ich besitze! Ich halt' eS zu meines Sohnes Hochzeit und zu einem ehrlichen Begräbniß für mich