Volltext Seite (XML)
Dienstag. Rr. 18. 4. März 1873. Weißerih-Leitung. Amts-Matt fiir die Herichts-Aemter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein. Verantwottlicher Nedatteur: Carl Jehnc in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post - Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 18 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auslage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit I Ngr. für die Spalten - Zeile berechnet. Monats - Bericht. Spanien, das Land, von dem wir seil längerer Zeit Nichts zu berichten gehabt, erregte im abgelaufenen Monate die öffentliche Aufmerksamkeit in ungewöhnlichem Grade. Nach kaum zweijähriger Regierung entsagte der junge König Amadeus dem Throne und verließ das Land, weil es ihm nicht gelang, ein geordnetes Regiment herzustellen und die Parteien zu versöhnen oder niederzuhalten. Diesem ächt kon stitutionellen Verzichte des Königs folgte die Annahme der republikanischen Regierungsform. Nach der Vertreibung der Königin Isabella gelang es bekanntlich dem Einfluß des Ge nerals Prim, daß sich die Cortes in ihrer Majorität für die Beibehaltung der Monarchie aussprachen, allein erst nach vielem vergeblichen Suchen, und nachdem inzwischen die dem Prinzen von Hohenzollern angebotene Candidatur für Napoleon der ungerechtfertigte Borwand zu dem Kriege gegen Deutsch land geworden, gelang es Prim, den Prinzen Amadeus von Italien zu bewegen, die spanische Königskrone anzunehmen. Jndeß, noch ehe der junge König in Madrid einzog, wurde Prim ermordet, und mit ihm verlor die neue Monarchie eine der wesentlichsten Stützen. Der schon damals vielseitig aus gesprochene Gedanke, daß der neue König sich nicht lange halten werde, ist rascher verwirklicht worden, als man dachte. Wir vermögen aber auch der neuen Staatsform keine lange Dauer zu prophezeihen. Zwar sollen die Männer, welche gegenwärtig an die Spitze der Regierung gestellt worden sind, ehrenwerthe und wohlwollende. Charaktere sein, aber Spanien ist, gerade wie Frankreich, eine Republik ohne Re publikaner, und wie es den Anschein gewinnt, wird der Ra dikalismus bald die Oberhand gewinnen. Der neue Minister des Auswärtigen, Castellar, ist ein Anhänger der phantastischen Idee, eine Föderativrepublik der gesammten lateinischen Ra?e zu begründen, welche dem Autoritätsprinzipe der germanischen Ra?e entgegentreten soll. Bemerkenswerth ist ein von der neuen Regierung sofort eingebrachter Gesetzentwurf, die Ab schaffung der Todesstrafe betreffend. Sollte man, wie wir hoffen, gerade in Spanien gute Erfahrungen mit Beseitigung dieser Strafart machen, so wird dies auf die Strafgesetzge bung anderer Staaten gewiß nicht ohne Einfluß bleiben. Gefährlicher ist der Gesetzentwurf, welcher die allgemeine Wehrpflicht abschafft. Wenn die neue Regierung sich nicht auf die Armee verlassen kann, wird sie bald verloren sein. Sehr lebhaft hat die Etablirung der spanischen Republik auf unsere Nachbarn, die Franzosen, gewirkt, indem sich beide große Parteien, die monarchische wie die republikanische, besondere Vortheile vom Eintritte dieses Ereignisses versprechen. UebrigenS schwelgen die Franzosen in der Hoffnung, daß es ihnen möglich sein wird, im nächsten Sommer den Rest ihrer Kriegsschuld an Deutschland zu bezahlen und somit die Be satzungstruppen endlich vom französischen Boden loszuwerden. Verschiedene Mitglieder der ehemaligen Pariser Commune sollen nach Spanien abgereist sein. Der kirchenpolitische Conflict ist zunächst in der Schweiz so brennend geworden, daß bereits mehrere Bataillone Truppen mobilisirt worden sind, um etwaigen Ruhestörungen mit Gewalt entgegentreten zu können. Zunächst wurde der Bischof von Basel, Lachat, wegen seiner staatsfeindlichen Haltung von der Diöcesanconferenz abgesetzt und den Geistlichen der dienstliche Verkehr mit dem Bischof untersagt. 70 Geist liche haben dagegen protestirt und wollen demungeachtet den Verkehr mit dem abgesehen Bischof fortsetzen. Weiter hatte der Papst für Genf einen BisthumSverweser in der Person des Pfarrer Mermillod ernannt, ohne den StaatSrath zu fragen. In Folge deS hierdurch entstandenen ConflictS wurde der genannte Pfarrer aus dem Cantone Genf ausgewiesen und über die Grenze gebracht. Daß diese Conflicte, welche im Wesentlichen auf Machtfragen hinauSlaufen, schließlich mit dem Schwerte werden ausgetragen werden, ist mindesten- wahrscheinlich. Im Uebrigen findet das Vorgehen des schwel« zerischen Bundcsrathes unleugbar eine unwillkürliche Stütze an Deutschland. Stände Frankreich noch in seiner früheren Machtfülle da, so würde zweifellos der französische Gesandte in Bern zu Gunsten des Papstes und der Ultramontanen eine Sprache führen, welche dem Bundesrathe manche Fessel an legen könnte. Man darf auf die weitere Entwickelung dieser Angelegenheit ebenso gespannt sein, wie auf den Gang der Dinge in Spanien. —r. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde. In der letzten Sitzung unseres Gewerbevereins wurde die Feier des Stiftungsfestes am Montag, 17. März, beschlossen. Es soll ein gemeinsames Abendessen stattfinden, zu dem jedes Mitglied ein Freicouvert erhält; darauf Ball. — Nach einigen geschäftlichen Mit theilungen trug der Vorsitzende aus der „Wiener Weitaus- stellungs-Zeitung" einen interessanten Artikel „über den Nutzen der Ausstellungen", sowie andere gemeinnützige und unterhaltende Auszüge aus genannter Zeitung vor, welche letztere unter den sich dazu (beim Vorstande) meldenden Mit gliedern circuliren wird. — Am 1. März dS. IS. hat sich der Hufengutsbesitzer Johann Gottfried Geißler zu Großölsa in seiner Scheune erhängt. Der am 2. dss. MtS. gerichtlich aufgehobene Leichnam ist an die Anatomie in Leipzig abgeliefert worden — Dem Vernehmen nach ist im Hinblick auf die be schlossene Reorganisation der Verwaltungsbehörden von den Ministerien der Justiz und des Innern die Einziehung von 36 Gerichtsämtern und 6 Bezirksgerichten, also je einem Drittel dieser Behörden, vorläufig in Aussicht genommen;