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Freitag. Rr. 3. 17. Januar 1873. WePerih-Aeitmrg. Amts-Matt für die Herichts-Aemter und Stadträtye zu Dippoldiswalde und Arauenftein. Verantwortlicher Redstteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis Vierteljährlich 18 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit 1 Ngr. fiir die Spalten - Zeile berechnet. Tagesgefchichte. Seyde b. Frauenstein. Vorigen Sonntag, den 12. Jan., feierte der landwirthschaftliche Verein für Seyde und Umgegend unter großer Betheiligung von Mitgliedern und Gästen sein erstes Stiftungsfest in dem schön decorirten Saale des hiesigen ErbgerichteS. Bei der Tafel eröffnete der Vorsitzende des Vereins, Hr. Oberförster Tittmann, die Reihe der meist sehr launigen Toaste mit einem Hoch, welches ebenso warm und gewandt vorgebracht, als freudig ausge nommen wurde, auf unsern allverehrten König. Die ganze Feier verlief überhaupt in der gelungensten und heitersten Weise; erst gegen Morgen trennten sich die Anwesenden, ein Beweis, wie sehr es Allen gefallen und wie güt auch der Wirth, Hr. R. Kirbach, für Küche und Keller gesorgt hatte. Eine für die Unglücklichen an der Ostsee veranstaltete Samm lung ergab das hübsche Resultat von 7 Thlr. 8 Ngr. Dresden. Im Landtage bewilligte die 2. Kammer die Summe von 90,000 Thlrn. zur Erweiterung des Großen Gartens in Dresden. Am 14. Januar beschloß sie den Wegfall gewisser, mit dem städtischen Brauurbar ver bundener Berechtigungen und des Mahlzwanges, bewilligte auch die Mittel zur Ablösung derselben. — Unsere lönigl. Prinzen Albert und Georg begaben sich nach Leipzig, um an den, am 14. auf Naundorfer königl. Revier und am 15. auf Ehrenberger Revier abzu haltenden Jagden theilzunehmen. — Die an 5 Tagen — vom 8.—13. Januar — hier stattgehabte Schwurgerichtssitzung nahm durch die, besonders in höheren Kreisen bekannte Persönlichkeit des Angeklagten das allgemeine Interesse in Anspruch. Der ehem. Consistorial- rath und Advocat Poland war der Unterschlagung und Ur kundenfälschung, deren er sich in seinem Amte beim katholischen Consistorium und als Sachwalter hatte zu Schulden kommen lassen, angellagt. Gegen ihn zeugten Bischof Forwerk, Hof marschall Senft, Consistorialräthe, Directoren katholischer Schulen rc. Die Unterschlagungen betragen viele Tausende; sein Gehalt war auf 1400 Thlr., sein Vermögen auf 3000, daS seiner Frau auf 19,000 Thlr anzuschlagen. Poland war nicht im Stande, sich von den vielen Anklagen zu reinigen; die Thränen, die seinem wahrhaften Jesuitenantlitze entquollen, seine Vertheidigung und die seines Advocaten halfen nichts — er wurde zu 6 Jahren Zuchthaus verurtheilt. — Die milde Witterung hat die Dampfschifffahrtsge sellschaft veranlaßt, vom 16. Januar die Fahrten ihrer Schiffe stromaufwärts wieder bis Schandau auSzudehnen. — Nach einer Bekanntmachung der k. k. Statthallerei zu Prag ist vom 29. vor. Mts. bis 4. d. die Rinderpest in Neundorf, Kommotauer Amtsbezirk, neuerlich ausgebrochen, sonst kam nur noch ein Seuchcnausbruch in der Gemeinde Brozan, Amtsbezirk Pardubitz, vor. Nachdem in den übrigen Seuchenorten die Contumazperiode bisher abgelaufen ist, so erscheinen demnach noch verseucht 3 Ortschaften im Komotauer, 5 im Pardubitzer, 2 im Senftenberger und 1 im Königin hofer Amtsbezirke. Im Ganzen sind in diesen 11 Gemeinden bei einem Viehstande von 3085 Rindern in 33 Gehöften 309 Erkrankungen vorgekommen. Hiervon sind 17 Stück gefallen und 292 gekeult worden, wozu noch 113 wegen Seuchenverdacht gekeulte Thiere hinzukommen. Leipzig. In der Humboldtstraße ist am 15. Januar früh die ganze Vorderfront eines neugebauten 4 stückigen Hauses zusammengestürzt. Das Haus war noch nicht bezogen. Naundorf bei Kötzschenbroda. Auf den, mit leichter Eisdecke überzogenen Teich des hiesigen Dorfes hatte sich ein 7jähriger Knabe gewagt, war bis zur Mitte gelangt und eingebrochen. Auf das Geschrei erschien auch der Baumeister Große, der sich, die Gefahr nicht achtend, in die kalte Fluth stürzte und die Rettung des Kindes übte. Wer aber nennt seinen Schreck, als er in dem, dem Tode entrissenen Kinde — sein eigenes erkennt! Der Knabe befindet sich wohl; der glückliche brave Vater ist durch die Eisstücken nur leicht verletzt. Ober-Netzschkau. Bei dem hiesigen Grenzcordon- Commando ist am 8. Januar folgender Fall passirt. Der Sohn des Gemeindevorstands wollte die Grenze passiren, wurde aber vom Wachtposten angehalten. Es entspann sich zwischen Beiden ei» Wortwechsel, welcher die Drohung der Arretur seitens des Wachtpostens herbeiführte. Der Begleiter des Paffanten, ein großer Hund, nöthigte durch seine drohende Haltung den Soldaten zum Laden und Abfeuern des Gewehres. Leider wurde durch die Kugel nicht nur der Hund getödtet, sondern durch ein wahrscheinliches Anprallen derselben an irgend welchen harten Gegenstand verletzte sie ein in der Nähe befindliches Mädchen so unglücklich, daß sie einige Zeit nachher ihren Geist aufgab. Berlin. Im preußischen Abgeordnetenhause gab Minister präsident v. Roon eine Erklärung über seine politische Haltung ab, welche die Besorgnisse, die von einem großen Theile der Liberalen gehegt wurden, wohl zu zerstreuen im Stande ist und demgemäß mit großem Beifalle begrüßt wurde. — 27 Prediger veröffentlichen wegen des Verfahrens gegen Sydow eine Erklärung, welche die heil. Schrift, ins besondere da« Neue Testament, als alleinige Quelle des ChristenthumS anerkennt, aber das Recht freier Forschung wahrt. — Der Berliner Magistrat hat beschlossen, bei dem Oberkirchenrath die Aushebung der über den Prediger vr. Sydow verhängten Amtssuspension zu beantragen und außer-