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Dienstag. Rr. 101. 24. December 1872. Weißerih-Ieitung. Amts-Matt für die Kerichts-Aemter «nd Stadträthe zu Mppoldiswakde «nd Krauenstein. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags nab Freitags. Zu beziehe» durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Am Weihnachts-Abend. Vom Rauhreif find die Büsche silberweiß Und EiseSzapfen blitzen an den Dächern, Doch um deS Christbaums grünes TannenreiS, Welch' fröhlich Leben rings in den Gemächern! Der Rabe sträubt im Forst die Federn krauS; Von Norden kommt deS Wintersturms Gebraus, Doch frühlingSselig alle Herzen träumen, Denn einen Frühling trug in jedes HauS DaS Weihnachtskind mit seinen WekhnachtSbäumen! Die Straß' entlang, wie wogt und drängt fich'S fort! — Dort steht noch schwatzend eine Weibergruppe, Und bei dem Krämer, welch' ein Handeln dort Um den Bajazzo und die bunte Puppe. Jetzt eingepackt und nun nach HauS geschwind! Schon harrt die Jugend auf das Angebind'; Schon tönt vom Thurm der Glocken Klang hernieder. — O, habe Dank, Du holdes WeihnachtSklnd, Wir werden Alle, Alle Kinder wieder! — O fel ge Zeit! — Zu Weihnacht mag ich gern Am heikgen Abend durch die Gaffen schreiten. Im Busen glüht der Freude Morgenstern; Ich fühl' mich jung wie in vergang nen Seiten! Und kehr' ich heim und prangt in Heller Zier Der Weihnachtsbaum und nahen jubelnd mir Die Kinder und daS Weib, das ich erkoren, Dann jauchzt die Seele: „Bethlehem ist hier Und in mir ist mein Himmelreich geboren!" Dann faßt'S mich an mit tiefgeheimer Macht; Ich wend' empor den Blick, den tränenfeuchten. Mich dünkt, ich säh' den Stern der heikgen Nacht In meiner Kinder Augensternen leuchten! Dann fitz' ich schweigend; eS verstummt der Mund. ES schweigt das Herz in solcher stl'-en Stund', Doch schwingt fich'S aufwärts wie mit Adlerschwingen! CS schweigt der Mund, doch in deS Busen» Grund Gin Halleluja tausend Engel fingen! Tagesgeschichte. — Dresden, 21. Decbr. Die Geschäfte gehen in dieser Weihnachtszeit ihren fröhlichen Gang, und selbst solche, die sonst wohl brach liegen, weil die Jahreszeit ihren Fort gang nicht gestattet, wie das Maurer- und Zimmergeschäft, gehen ununterbrochen fort. Daß bei letzteren die milde Witterung einwirkt, ist gewiß; allein gleichwohl bleibt die außerordentlich große Zahl von Bauten zu bemerken, von welchen man andere Jahre nichts wußte. Und so kann man denn getrost die Wahrnehmung aussprechen, daß daS volle Ver trauen zu einem anderen Geschäftsgänge, zu dem politischen Geschäftsgänge de« Reiches, uns die fröhliche Weih nachtszeit mit bereitet. In der Jetztzeit richten sich unsere Blicke wieder auf den Lenker des deutschen Reichswesens, auf den Fürsten Bismarck, der, nachdem er seinen ländlichen Aufenthalt zu Barzin mit seinem Ministerpalast in der Wilhelmstraße zu Berlin vertauscht, alle Welt mit Ver- muthungen über seine fernere politischen Pläne erfüllt. Im Grunde genommen, sind dieselben bereits von den Thatsache» überholt; Fürst Bismarck hat um seine Enthebung von der preußischen Ministerpräsidentenstelle nachgesucht, diese ist ihm vom Kaiser gewährt worden, und wir werden daher fortan in dem deutschen Reichskanzler nur noch gleichzeitig den preußischen Minister des Auswärtigen zu begrüßen haben. Die Wichtigkeit dieser preußischen Stellung muß man sich aber recht vergegenwärtigen, um zu erkennen, daß der Einfluß deS Fürsten damit keine Einbuße erleidet. Al« Minister des Aeußeren nämlich steht derselbe auf denselben Standpunkt, wie unser Minister von Friesen und wie die anderen noch erhaltenen deutschen Minister deS Auswärtigen, d. h. durch seine Vermittelung wird die Stellung Preußen« zum Reiche ebenso bestimmt, wie die SachsenS durch Herrn von Friesen'- Vermittelung ; der wesentliche Unterschied ist jedoch der, daß der preußische Minister de« Auswärtigen mit dem deutschen Reichskanzler im geschäftlichen Verkehr zu stehen hat, und daß beide Herren sich in der Person des Fürsten Bismarck verkörpert finden. Da wird sich denn der preußische Minister zweimal besinnen, ehe er dem deutschen Reichskanzler Schwierig keiten bereitet und umgekehrt, und da Ruhe und Friede im Reiche doch wesentlich darauf beruhen, daß der größte deutsche Staat seiner deutschen Aufgabe friedlich nachlebt, so können wir uns auch nur zu dieser Sachlage beglückwünschen. Dresden. Die 2. Kammer beschäftigte sich bis zum 19. Decbr. mit der anderweiten Berathung über die repidirte Landgemeindeordnung. Es wurden die früheren wesent lichen Beschlüsse aufrecht erhalten, unter Anderem, daß die Gemeindevorstände das Recht haben sollen, auf Freiheits strafen zu erkennen. — Am 19. begann auch das Bereini gungsverfahren über den Entwurf des Volksschul gesetzes, an welchem die Präsidenten beider Kammern, die Regierungsvertreter und die Deputations-Mitglieder beider Kammern Theil nahmen. Die sehr versöhnliche Haltung der Vertreter der 2. Kammer fand bei den Herren aus der 1. Kammer keine Erwiederung. Die Berathung drehte sich