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Dienstag. Nr. 93. 26. November 1872. Weißerih-Ieitung. Amts-Matt für die Kerichts-Aemter und Stadtrütye zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Redscteur: Cart Ichne in Dippotdiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis Vierteljährlich 12 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Tagesgesehichte. Dippoldiswalde. Bei der am 21. d. MtS. stattge fundenen Stadtverordneten - Ergänzungswahl sind die Herren: Seifensiedermstr. Könitzer, ) Seifensiedermstr. Lommatzsch, l als Stadtverordnete, Kaufmann Wendler ) Kaufmann Schmidt, ) Lohgerbermstr. Teich er s Ersatzmänner, bez. anderweit, gewählt worden. Frauenstein, 24. Novbr. Heute Vormittag ging eine Compagnie Jäger aus Freiberg, welche in Burkersdorf Nachtquartier gemacht hatten, durch unsere Stadt. Dieselben werden als Grenzwachen — der in Böhmen ausgebrochenen Rinderpest wegen — verwendet werden. Dresden. Die 2. Kammer unseres Landtages hat nach zweitägiger Debatte die Regierungsvorlage über die Steuerreform abgelehnt; es finden nun die Verhand lungen über die Gegenvorschläge des Ausschusses statt. — Die 1. Kammer hat alle principiellen AenderungSanträge der 2. Kammer zum Volksschulgesetz verworfen. — Die Regierung hat in Folge des stärkeren Auftretens der Rinderpest in Böhmen sofort einen militärischen Cordon längs der ganzen Grenze angeordnet. In Görkau ist die Pest so stark aufgetreten, daß von etwa 220 Stück 18 starben und 86 getödtet werden mußten. Rabenau. Die hier bestehende Sächs. Holzindustrie- Gesellschaft wird am 21. Decbr. in Helbig's Restauration in Dresden eine außerordentliche Generalversammlung ab halten, in welcher über den Stand des Geschäftes Bericht erstattet, ferner Beschluß gefaßt werden soll über Erhöhung des ActiencapitalS um 50,000 Thlr., und ein Antrag soll gestellt werden auf Abänderung einiger Bestimmungen des Statuts. Berlin. Ein PairSschub von 40 — 50 Mitgliedern ist baldigst zu erwarten; die Regierung wird dieselben noch diese Woche ernennen, also bevor das Herrenhaus in die Berathung der neuen Kreisordnung eintritt. — Im Abge ordnetenhause ist bei Berathung derselben am 20. Nov. die Stellung der Regierung zu den Parteien wesentlich klar ge legt worden. Die Worte des Ministers des Innern fanden den Beifall aller Gemäßigten, und die Vorlage wird im Abgeordnetenhause unbedingte Annahme finden. — Für die durch die Sturm fluth an der ganzen Küste Schleswig-Holsteins so schwer Heimgesuchten wird die Regierung unter Mitwirkung des Landtages umfassende Unterstützungen gewähren. — In Preußen sind im ersten Halbjahre 1H72 245 Actiengesellschaften „gegründet" worden, mit 335,500,000 Thlr. ; daS macht über 2 Millionen an jedem Wochentag. — Die in Aussicht genommene Tabaks st euer wird nicht den Ausfall an Einnahmen decken, welcher durch die beabsichtigte Aufhebung der Salzsteuer herbeigeführt wird. Man erkennt im Reichskanzleramte sehr wohl an, daß eine so bedeutende Erhöhung der Steuer für Tabak eine erhebliche Verringerung des Consums herbeiführen werde, weil eine nicht unerhebliche Vertheuerung der Tabaksproducte dadurch herbei geführt werde. Man hat berechnet, daß die ordinären Cigarren durch die Steuer um 1 Pfg. pro Stück vertheuert werden würden. — Das Befinden des in Karlsruhe erkrankten Kron prinzen des deutschen Reiches bessert sich täglich; seine Gemahlin hat ihn dort besucht. Die beabsichtigte Reise nach der Schweiz ist aber aufgegeben worden. Frankreich. Es ist dem Präsidenten ThierS nicht gelungen, durch seine Botschaft (s. Nr. 91 d. Bl.) ver söhnend zu wirken und den Grund zu einem friedlichen Ver halten der Parteien zu legen. Der alte Haß hat sich in den Ferien der Nationalversammlung nicht gelegt und sucht sich Luft zu machen. Die Rechte ist erbittert gegen Gambetta und Thiers, der in seiner Rede dem ersteren wegen seiner Agitationsreise nicht erergisch genug zu Leibe gegangen sei; der Einfluß Gambetta's sei im Steigen begriffen und ThierS thue nichts, um ihn zurückzudrängen; man sieht schon in Gambetta den PräsidentschaftS-Candidaten. Da nun die Linke durch die unumwundene Erklärung der Botschaft für die definitive Rdpublik befriedigt ist, so sucht die Rechte aus diesem und den obigen Gründen eine rückläufige Bewegung hervorzubringen. Thiers drückte bereits gegen Deputirte der Linken den Wunsch aus, auch seiner Gesundheit wegen die Last der ihm verliehenen und durch das Treiben der Rechten erschwerten Gewalten niederzulegen; man bestürmte ihn aber, auf seinem Posten zu bleiben, auch das Ministerium war einig darüber, und wurden denn der Kammer in der Sitzung vom 20. Novbr. Regierungsvorschläge gemacht, welche ein entscheidendes Votum zur Folge hatten, auch eine befriedigende Lösung der erstandenen Schwierigkeiten herbeiführeu werden: die Parteien einigten sich darüber, die Regierungsgewalt deS Präsidenten auf 4 Jahre zu verlängern. In der Sitzung der Nationalversammlung am 21. Nov. wurde von einem Mitgliede der Linken der Antrag auf Zurückerstattung der Güter der Familie Orleans gestellt und trotz aller Gegenreden der Rechten angenommen. Die Sitzung schloß in großer Erregung, und auch die Aufregung in ganz Paris ist groß; die Bonapartisten führen eine Sprache, als wenn der „Empereur" schon in Boulogne gelandet wäre.