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Nr. 8». 1. November 1872. Freitag. Weißerih-Zeitung Dieses Blatt erscheint wSchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zn beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Prei» vierteljährl. IS'/- Ngr. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit l Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Amts-Matt für die Herichts-Aemter und Stadträthe m Dippoldiswalde «ud Irauenflein. Verantwottlichcr Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Die Glockenweihe zu Frauenstein. Frauenstein, 28. October. Ein von der Witterung leidlich begünstigter seltener Festtag war heute unserer Ge meinde beschicken: der feierliche Tag der Glock en wer he, welcher zugleich auf unser Kirchweihfest fiel. Obwohl man vorher von einer weiteren Feierlichkeit, als der eigentlichen Weihe der neuen Glocken, absehen zu wollen schien, hatte man, da dies besonders der Wunsch der Stadt und einge- pfarrten Landgemeinden war, in den letzten Tagen voriger Woche die feierliche Einholung derselben noch beschlossen. Vorigen Sonnabend schon, den 26. -ds. M., waren die am 23. Juli ds. Js. von I. G. Große in Dresden gegossenen drei neuen Glocken auf zwei Wagen vom Bahnhof Klingen berg, bis wohin sie per Bahn befördert worden waren, nach Kleinbobritzsch gebracht, woselbst sie über Sonntag stehen blieben, und wurden heute, nachdem sie vorher mit Kränzen und Guirlanden sinnig geschmückt worden waren, von dort nach hier übergeführt. In der 10. Vormittagsstunde wurden nun dieselben durch Kirchenvorstandsmitglieder, einer Anzahl Reiter und den Schulkindern von Reichenau eingeholt; der Zug aber, welchem sich wiederum Reiter aus Kleinbobritzsch und andere dortige Einwohner, sowie die Schulkinder, ange schlossen hatten, am Stadtweichbilde von den hiesigen Herren Geistlichen, sowie den Herren Geistlichen aus Burkersdorf und Nassau, welche an der Feier mitzuwirken zugesagt hatten, den hiesigen Oberclassen und anderen, diesem Zuge sich ange schlossenen Personen, empfangen, worauf sich nach Aufnahme des Empfangszuges in den von Kleinbobritzch kommenden Hauptzug das Ganze nach der Stadt bewegte. Der Zug hatte folgende Ordnung: zehn Borreiter aus Frauenstein, Reichenau und Kleinbobritzsch, die hiesigen Schützen mit der Fahne; die Jungfrauen der Parochie; die Reichenauer Schul kinder mit Fahne; die Stadt- und Landgemeindevertreter; die hiesigen Schulkinder mit Fahnen und Kränzen; die Surrende; die kleineren Schulkinder; die Königlichen u. a. Beamte; der Kirchner und die beiden Kirchväter; die Herren Geistlichen; der mit vier, mit Blumen geschmückten Pferden bespannte Wagen mit der großen Glocke; die Kleinbobritzscher Schul kinder mit Fahnen; die männliche Jugend; der hiesige Mi- litärverein mit der Fahne; der andere, ebenfalls mit vier ge schmückten Pferden bespannte Wagen mit den beiden anderen Glocken; hiesige Bürger und ein Zug Schützen schlossen den Festzug. Er bewegte sich durch die Freiberger Gasse, um die Kirche herum bis vor das Hauptportal derselben, vor welchem unter Benutzung des theilweise noch stehenden ThurmgerüsteS in Eile eine Tribüne hergerichtet war und die beiden Glocken wagen behufs der Weihe der Glocken vorgcfahren wurden. Um 11 Uhr begann sodann die Weihefeierlichkeit. Die selbe wurde eingeleitet durch Absingung des Chorals- Wie groß ist des Allmächt'gen Güte!" worauf Herr DiaconuS Krumbholz dem Höchsten ein Lob- und Dankopfer darbrachte. Sodann hielt Herr Superintendent Lio. vr. Hasse die Fe st und Weihrede und vollzog die Weihe der Glocken selbst, während welcher drei kleine weißgekleidete Mädchen dieselben aus ihren Blumenkörbchen mit Blumen bestreuten. Nach der Weihe sprach wiederum Herr Diac. Krumbholz ein Gebet, worauf die ebenfalls in Amtskleidung anwesenden Herren Geistlichen aus Burkersdorf und Nassau und auch Herr Diac. Krumbholz ihren Gefühlen mit kurzen Worten Ausdruck ver liehen. Mit Absingung der ersten beiden Verse des ChoralS: „Nun danket Alle Gott!" mit folgender Intonation und Se gensspruch und Absingen des letzten Verses des obengenannten Chorals endete die Feierlichkeit um 12 Uhx. Nach derselben schritt man unverzüglich zum Aufziehen der Glocken. Eine gewisse feierliche Stille war unter der sehr zahlreich versammelte): Zuschauermenge eingetreten, als der anwesende Meister die Töne der geweihten Glocken durch je neunmaliges Aufschlagen mit einem Holzpsahl auf dieselben, vor dem Aufziehen angab, und sie sodann unter dessen um sichtiger Hand und geschickter Leitung unter den Tönen ver schiedener Choräle durch Musik und Gesang, leicht und frei zum Thurme hinaufschwebten. Zunächst lassen wir nun eine Beschreibung der neuen Glocken hier folgen: Die große Glocke, welche 268l Pfd. wiegt, giebt als Grundton ä an und trägt auf der einen Seite das Auge Gottes im Wolkcnhim- mel; darunter befindet sich der Spruch: „Siehe, des Herrn Auge siehet auf Die, so ihn fürchten und auf seine Güte hoffen. Pf. 33,18." Auf der andern Seite steht: „Nach dem Stadtbrande am 3. Octbr. 1869 neu gegossen und geweiht 1872. — KLnigl. Kirchen-Inspektion: Lio. vr. Hasse, Pf. u. Sup. hier; F. Lommatzsch, König!. Gerichtsamtmann; Bürgermeister Göhler. — Diaconus: Th. Krumbholz; Cantor: Tr. L. Haupt; Organist: Rector Köhler. — Gemeindevorstand zu Reichenau: Chr. Fr, Reichclt; zu Kleinbobritzsch: C. A. Krönert. — Kirchenvorsteher: C. Straßberger, W. E. Richter, C. Rohland, R. Schellhorn, Tr. L. Haupt, C. Walther, H. Ullrich, Lehrer Fischer, S. Richter, L. Tröbner. Gutsbes. Fischer, Pretzsch, Gutsbes. Zimmermann und Neinh. Kaden. — (Des leichteren Läutens wegen sind eiserne Tragschilder mit Frictions- rollcn zum Aushängen dieser Glocke angewcndet worden.) Die mittlere Glocke wiegt 1317 Pfd., hat den Grundton üs und zeigt einerseits einen Christuskopf, Brustbild mit Glorie; darunter steht der Spruch: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Joh.14,6." Auf der andern Seite das Symbol der evangelischen Kirche, der Kelch. Darunter steht: „Kommt, denn es ist Alles bereit. Luc. 14, 17." Die kleine Glocke, im Gewicht von 892 Pfd., steht in a, und zeigt auf der einen Seite eine Taube, das Symbol des heil. Geistes. Unter derselben befindet sich der Spruch: „Der Geist ist's, der da lebendig macht." Joh. 6, 63." während die andere Seite das Symbol der Hoff nung, den Anker, zeigt, unter welchem der Spruch steht: „Seid fröhlich i» der Hoffnung." Röm. 12, 12." An jeder der 3 Glocken befinden sich übrigens recht hübsche Ver zierungen; auch oben am Kranze die Firma des Meisters: „Gegossen von I. G. Große, König!. Stück- und Glockengießer. Dresden 1872." Ferner ist auf jeder der (oben bereits erwähnte) Grundton, do« die